Psychologin: "Generalverdacht" trägt zu Überlastung von Priestern bei
Laut der Psychotherapeutin und Leiterin des Recollectio-Hauses Münsterschwarzach, Corinna Paeth, führen vor allem die zusätzlichen Belastungen zu Überforderung von vielen Priestern. Verwaltungsaufgaben, die Folgen des Missbrauchsskandals sowie Konflikte in den Seelsorger-Teams trügen dazu bei, dass eine Überforderung eintrete, sagte Paeth am Donnerstag im Interview mit dem "Domradio". Viele Priester, die im Haus zu Gast seien, fühlten sich zwar als Seelsorger oder "Hirte ihrer Gemeinde" berufen. Die "emotionale Überforderung" könne jedoch zu einem Ungleichgewicht beitragen.
Der Priesterberuf sei in den vergangenen Jahren herausfordernder geworden, so Paeth weiter. "Sie verrichten Tätigkeiten, für die sie oft eigentlich nicht ausgebildet sind und die oft mehr mit Personalmanagement zu tun haben." In vielen Diözesen gebe es noch keine Verwaltungsleiter, die sie bei solchen Aufgaben entlasten würden. Doch gerade der Missbrauchsskandal habe deutlich am Ansehen des Berufes gerüttelt, "sodass manch einer den Eindruck hat, unter Generalverdacht zu stehen und vielen kritischen Blicken ausgesetzt zu sein", betonte die Psychotherapeutin.
Auch Zölibat kann Komponente sein
Auch der Zölibat könne bei Überlastung zu einer problematischen Komponente werden, so Paeth. Viele der Gäste im Recollectio-Haus hätten das Zölibat mit innerer Gewissheit angenommen und stünden auch dazu. Doch der emotionale Stress führe dazu, dass eine gewisse emotionale Bedürftigkeit wachse. "Oder man stellt sich irgendwann ganz allmählich die Frage: Brauche ich nicht mehr körperliche Nähe? Will ich nicht auch meinen sexuellen Bedürfnissen nachgehen?" Die Frage, ob man selbst zölibatär leben könne, könne daher auch erst im Laufe der Jahre auftauchen. Die Ursachen für eine Überforderung können laut Paeth allerdings auch darin liegen, dass sich Priester in jüngeren Jahren nicht ausreichend mit der eigenen Sexualität oder der eigenen Emotionalität auseinandergesetzt haben.
Das Recollectio-Haus liegt auf dem Gelände der Benediktinerabtei Münsterschwarzach. Ordensleute, Priester und Pastorale Mitarbeiter können sich dort im Rahmen einer Auszeit körperlich, psychisch und geistlich-spirituell erholen. Getragen wird die vor 28 Jahren gegründete Einrichtung von der Benediktinerabtei Münsterschwarzach sowie den acht (Erz-)Bistümern Freiburg, Fulda, Limburg, Mainz, München und Freising, Paderborn, Rottenburg-Stuttgart und Würzburg. Angeboten werden vierwöchige sowie dreimonatige Kurse. (mal)