Strukturen begünstigten Vertuschung von Missbrauch

Betroffene kritisieren Tätigkeitsbericht des Erzbistums Hamburg

Veröffentlicht am 27.10.2023 um 11:54 Uhr – Lesedauer: 

Hamburg ‐ Zum ersten Mal hat das Erzbistum Hamburg einen Tätigkeitsbericht zum Umgang mit Missbrauch vorgelegt – an dem gibt es nun Kritik: Betroffene bemängeln unter anderem, dass strukturell immer noch Kompetenzen zusammenfallen, die Vertuschung begünstigen.

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Der Betroffenenbeirat Nord sieht nach der Veröffentlichung des Tätigkeitsberichts des Erzbistums Hamburg noch große Defizite. So sei der Bericht ohne Beteiligung des Beirates entstanden, dabei führe das Statut des Erzbistums zur Arbeit des Betroffenenrats "klar Beteiligungs-, Anhörungs- und Vorschlagsrechte auf", schreibt der Beirat in einer Stellungnahme am Donnerstag. Daneben üben die Betroffenen auch grundsätzliche Kritik.

"Die Leitung der Stabsstelle Prävention und Intervention liegt in den Händen des Generalvikars des Erzbistums, d.h. der Vertreter des Erzbischofs, der als sein 'alter ego' für das ganze Erzbistum ausführende Gewalt in der allgemeinen und geistlichen Verwaltung besitzt, ist zugleich oberster Aufklärer in eigener Sache", heißt es von den Betroffenen. Die Kirche gehe also nicht in die Distanz, sondern belasse Deutungshoheit und Kontrolle in der eigenen Bistumsspitze. Diese Konstellation habe schon oft zu Verschwiegenheit und Vertuschung geführt. "Aufklärung und Aufarbeitung brauchen größtmögliche Unabhängigkeit – die Leitungsfunktion und die Plausibilitätsbewertung gehören nicht in die Hände der Dienstvorgesetzten mutmaßlicher Täter. Hier muss das Erzbistum dringend nachsteuern, um die Prozesse zielführend voranzubringen."

Fehlende Missbrauchsstudie

Andere Themen wie die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle, konkrete Verfahren in den Bereichen Betroffenenbegleitung und Täterprävention würden nur angerissen oder fehlten ganz. Zudem wird auf die noch ausstehende Missbrauchsstudie für das Erzbistum Hamburg hingewiesen. Diese liegt momentan nur für den mecklenburgischen Teil vor, also den Teil der Diözese auf dem Gebiet der ehemaligen DDR. Die Betroffenen wünschen sich zudem etwa Strukturen für den Umgang mit geistlichem Missbrauch, Konzepte für eine Erinnerungskultur und die Veröffentlichung von Täternamen wie im Bistum Aachen. Letzteres hatte das Erzbistum Hamburg bislang mit Verweis auf fehlende Rechtssicherheit abgelehnt.

Am Donnerstag hatte das Erzbistum Hamburg erstmals einen Tätigkeitsbericht zum Umgang mit sexualisierter Gewalt vorgelegt. Darin geht es um die Arbeit in den Jahren 2011 bis 2022. In diesem Zeitraum wurden laut dem Dokument 272 Vorfälle gemeldet, etwa Vorwürfe sexueller Gewalt gegen Minderjährige, aber auch Machtmissbrauch und Mobbing unter Mitarbeitenden. Das Bistum hatte für diesen Bericht Betroffene nicht eingebunden, versprach jedoch, das beim nächsten Bericht zu tun. (cph)