Lüge, die "nichts mit der Realität zu tun hat"

Spaniens Bischöfe: Medien verbreiten falsche Missbrauchszahlen

Veröffentlicht am 31.10.2023 um 13:04 Uhr – Lesedauer: 

Madrid ‐ "Es gibt die Absicht, eine Zahl zu erreichen, die eine Lüge ist": In Spanien gibt es Unklarheiten bei den Zahlen über kirchlichen Missbrauch. Die Bischöfe bezeichnen die Medien als unseriös – doch auch der Klerus wird kritisiert.

  • Teilen:

Die spanischen Bischöfe wehren sich gegen eine aus ihrer Sicht übertriebene Berichterstattung über kirchlichen Missbrauch. "Es gibt die Absicht, eine Zahl zu erreichen, die eine Lüge ist und nichts mit der Realität zu tun hat", sagte Kardinal Juan Jose Omella am Dienstag bei einer Pressekonferenz in Madrid. Der Vorsitzende der Spanischen Bischofskonferenz bezog sich auf den Umgang von Medien mit einer kürzlich veröffentlichten Untersuchung.

Der vom Parlament beauftragte Ombudsmann für kirchlichen Missbrauch, Angel Gabilondo, hatte am Freitag einen 777 Seiten umfassenden Bericht vorgelegt. Er enthält unter anderem Aussagen von 487 Opfern, nennt allerdings keine konkreten Fallzahlen. Stattdessen wird auf eine eigens erstellte Umfrage mit rund 8.000 erwachsenen Teilnehmern verwiesen. Demnach gaben 0,6 Prozent der Befragten an, Missbrauch durch Priester oder Ordensleute erlitten zu haben. Mehrere Zeitungen und Online-Portale rechneten diesen Wert auf die Gesamtbevölkerung des Landes hoch und kamen so auf mehr als 200.000 Betroffene.

Omella hält das für unseriös. "Ich habe den Eindruck, dass das nicht gut gemacht ist", so der Erzbischof von Barcelona. Jeder einzelne Missbrauchsfall sei für die Kirche schmerzlich, betonte er. Dennoch halte er die in vielen Schlagzeilen präsentierte Zahl für falsch. Die Bischofskonferenz habe den vollständigen Bericht von Gabilondo angefordert, ebenso die Daten aus der vorgenommenen Umfrage. In den nächsten Tagen werde man das Material gründlich analysieren.

Missbrauch sei gesamtgesellschaftliches Problem

Bereits am Montagnachmittag waren die spanischen Bischöfe zu einer Sondersitzung zusammengekommen, um erstmals über den Gabilondo-Bericht zu beraten. Der frühere Bildungsminister war Anfang 2022 vom Parlament mit einer unabhängigen Untersuchung zu Missbrauch in den Reihen der katholischen Kirche beauftragt worden. Bei der Vorstellung der Ergebnisse am Freitag erhob er schwere Vorwürfe gegen den Klerus in Spanien. "Den Opfern wurde selten geholfen", sagte er. Stattdessen seien Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch von der Kirchenhierarchie jahrzehntelang geleugnet und vertuscht worden.

In einer gemeinsamen Erklärung entschuldigten sich die Bischöfe am Dienstag für das "durch einige Mitglieder der Kirche" verursachte Leid. Man arbeite an einer "ganzheitlichen Wiedergutmachung" für die Opfer, hieß es. Zudem wolle die Bischofskonferenz alles tun, um Missbrauch künftig zu verhindern. Allerdings dürfe dabei nicht außer Acht gelassen werden, dass es sich um ein gesamtgesellschaftliches Problem handele. Eine Fokussierung ausschließlich auf die Kirche mache die übrigen Betroffenen zu "Opfern zweiter Klasse", gaben die Bischöfe zu bedenken. (KNA)