Wer Antisemitismus fördert, bleibt für immer ein Fremder
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Es sind bleierne Zeiten, so viel Kriegs-Grauen, so viel Terror, so viel gefühlte Fremdheit. Ja, das Thema Fremdheit ist ein sperriges, ein mit allerlei Tabus belegtes, es lässt sich nicht quantifizieren, aber in diesen besonderen Tagen eben vielleicht doch qualifizieren. Etwas, was auch die Wissenschaft nicht scheut. Der Soziologe Luhmann hat auf die Frage, wer ein "Fremder" ist, geantwortet: "Jeder". Wir seien uns alle irgendwie fremd, erst ab dem Moment, wo wir einen Menschen näher kennen, könnten wir unterscheiden, ob er Freund oder Feind ist. Sein Kollege Zygmunt Bauman knüpt an und vertieft: "Es gibt Freunde und es gibt Feinde. Und es gibt Fremde." Der Fremde bleibe, selbst wenn er kein gänzlich Unbekannter mehr ist, "unterbestimmt". Er sei ein "weder/noch", der sich so lange der Zuordnung entziehe, bis er sich entweder als Freund oder als Feind erweist.
Eben diese Unterscheidung erklärt die gefühlte Fremdheit vieler in diesen Tagen: In unserem Land haben sich einige als Feind dieser offenen Gesellschaft erwiesen. Ganz unmissverständlich: Wer in diesem Land mit dieser singulären Geschichte Davidsterne an von Juden bewohnte Häuser und Wohnungen klebt, ist nicht mehr "unterbestimmt", er hat sich bewusst entschieden, ein Fremder zu bleiben. Wer mit antisemitischen Hassparolen durch deutsche Straßen zieht, kann nicht länger ein "weder/noch" sein, sondern bekennt sich damit als Feind einer toleranten und vielfältigen Gesellschaft.
Die Bibel lehrt uns klare Umgangsformen mit Fremden. "Der Herr beschützt die Fremden" (Ps 146,9). "Du sollst das Recht von Fremden … nicht beugen" (Dt, 24,17), "Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten..." (Ex 22,20). Und eben deswegen muss eine auf christlichen Bekenntnissen gegründete Gesellschaft offen und vielfältig sein. Aber diese Vielfalt muss ein gemeinsames Fundament haben. "Vielfalt, die nicht auf Einheit zurückgeht, ist Wirrwarr; Einheit, die nicht auf Vielfalt gründet, ist Tyrannei", sagt der französische Philosoph Blaise Pascal.
Vielleicht erklärt das die gefühlte Fremdheit dieser Tage: Wir wollen kein Wirrwarr, schon gar nicht eine Tyrannei!
Der Autor
Albrecht von Croy ist Mitherausgeber von "theo – das katholische Magazin" und Mitglied des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK).
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.