Deutschland schiebt ab
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Seit Tagen finden sich solche Berichte in Lokal- oder Regionalzeitungen: Hier ein Bäckergeselle, dort ein junger Tischler, da jemand aus der Gastronomie. Weg. Deutschland schiebt ab. Die Bundesregierung will beim Thema Abschiebung Zahlen und "Erfolge" vorlegen. Da trifft es – so wirkt es - rasch jene, die eine Meldeadresse haben und an einem Arbeitsplatz sicher anzutreffen sind. Stets mögen es Einzelfälle sein. Aber immer sind Menschen vor Ort irritiert oder verärgert.
Klar, es gibt konkrete Anlässe. Der eine konnte kein Papier aus seiner Heimat vorlegen, der andere meldete sich vor Jahren mal zu spät bei einer Behörde zurück – so oder ähnlich. Aber muss man nun jene abschieben, die sich integrieren wollen, sich um Sprachkenntnisse bemühen, von Arbeitgebern gelobt werden? Die die Werteordnung leben? Sich nicht strafbar gemacht haben?
Natürlich, ein Begehren nach Asyl ist keine Zuwanderung in den Arbeitsmarkt. Aber diesem Land fehlen an vielen Ecken Arbeitskräfte, gerade im Dienstleistungsbereich. Derweil schimpft und lästert man gerne über Geflüchtete, die angeblich auf finanzielle Leistungen aus seien. Auch in der Politik. Und selbst aus dem CDU-Umfeld gibt es Stimmen, die verkünden, null Flüchtlinge, das wäre nun am besten. Das klingt unchristlich, nicht christlich. Und was wäre, wenn die Politik zu lange einfach nicht gehandelt hätte? Der Bund schob Verantwortung auf die Länder, die Länder auf die Kommunen. Ein "Handeln" war das nicht.
Besonders erschütternd ist, dass in diesen Tagen auch Jesiden in den Irak abgeschoben werden. Erst Anfang des Jahres hatte der Bundestag in einer vielbeachteten Resolution die Gräueltaten der Terrorbande "Islamischer Staat" an Jesidinnen und Jesiden als Völkermord anerkannt. Es gab nachdenkliche Reden und – was im Parlament ja eigentlich verboten ist – zum Abschluss hier und da Applaus von den Rängen. Der Völkermord sei "im Irak noch immer allgegenwärtig", hieß es. Und über mehrere Absätze schilderte die von den Ampel-Fraktionen und der Unionsfraktion eingebrachte Resolution detailliert das schreckliche Leid der Menschen.
Zehn Monate später soll das keine Relevanz mehr haben? Wer als Jeside abgeschoben wird, der landet im Irak in einem Camp, weil sein Dorf zerstört ist. "Ich verstehe es nicht", erklärt der so kundige Traumatologe Jan Ilhan Kizilhan. Da ist er längst nicht allein.
Der Autor
Christoph Strack ist Leiter des Bereichs Religionen der Deutschen Welle.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.