Drewermann: Man wird als Christ verdächtigt, Putin-Versteher zu sein
In Deutschland werden nach Ansicht des Theologen Eugen Drewermann pazifistische Forderungen als nicht mehr legitim erachtet. "Wer dafür plädiert, in der Ukraine miteinander zu reden, wird in allen Medien als Putin-Versteher und Rechtfertiger des Aggressionskrieges verschrien", sagte er am Mittwochabend bei einem Vortrag in Osnabrück. Selbst von Vertretern der Bundesregierung würden Friedensdemonstranten verunglimpft, so der 83-Jährige, der sich selbst als Pazifist bezeichnete.
Auf Einladung der Osnabrücker Friedensinitiative skizzierte Drewermann in seinem Vortrag über den "Westfälischen Frieden als Vorbild für heute" Entsprechungen zwischen historischen Konflikten und denen des 21. Jahrhunderts in Nahost und der Ukraine. Eine wichtige Lektion der Friedensverhandlungen von 1645 bis 1648 laute: "Frieden kann man nur bekommen, wenn man miteinander redet. Krieg ist das Resultat des Nicht-Zuhörens."
Leider hätten die Delegierten in Münster und Osnabrück vor 375 Jahren nicht über die Ursachen der vielfachen Konflikte gesprochen, kritisierte Drewermann, der auch Psychoanalytiker ist. Erst wenn Konfliktparteien einander zuhörten, könnten sie die jeweiligen Beweggründe der Aggression verstehen. Gewalt – ob persönlich oder zwischenstaatlich – sei "Symptom eines ungelösten inneren Konflikts, über den man nicht sprechen kann".
Wesentlicher Fehler des Westens
Dies sei in den vergangenen 30 Jahren ein wesentlicher Fehler des Westens unter Führung der USA gewesen. Hinzu komme dessen eigene Unaufrichtigkeit etwa in den Irak-Kriegen oder bei der Bombardierung Libyens, so Drewermann. Die Nato und der Westen hätten sich dabei so verhalten, wie sie es anderen vorwerfen.
"Ist man als Christ verdächtig, ein Putin-Versteher zu sein, wenn man an Frieden appelliert?", fragte Drewermann. Auch von Kirchenvertretern seien vor allem Verweise auf das Selbstverteidigungsrecht der Ukraine zu hören, womit dann weitere Aufrüstung und weitere Opfer gerechtfertigt würden. Etwas anders äußere sich allenfalls Papst Franziskus, aber der finde kaum Gehör.
Mit seinen Vorträgen will Drewermann verunsicherten Menschen helfen, wie er betonte. "Fragen Sie sich: Wer bin ich selber? Schauen Sie in den Himmel und in ihr Herz. Kein Kanzler kann uns sagen, was wir zu tun haben. Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen." (KNA)