Seit fünfhundert Jahren künden die sorbischen Osterreiter am Ostersonntag von der Auferstehung Jesu.

1.000 Pferde für ein Halleluja

Veröffentlicht am 04.04.2015 um 00:00 Uhr – Lesedauer: 
Brauchtum

Bautzen ‐ Wer in diesen Tagen durch das Sorbenland nördlich von Bautzen fährt, sieht besonders viele Tiertransporter und Autos mit Pferdeanhängern fahren. Auch an den Feiertagen sind die großen LKWs unterwegs. „Das ist gar nicht so einfach. Für die Fahrten an den Feiertagen braucht es eine Ausnahmegenehmigung vom Landkreis“, erklärt Rafael Ledschbor.

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Der Redakteur der sorbischen Kirchenzeitung "Katolski Posol" reitet seit 33 Jahren beim Osterreiten mit. "Die Pferde kommen teilweise von weit her. Bei uns im Dorf gibt es nur 15 oder 20 Pferde. Für 300 Ralbitzer Osterreiter reicht das nicht", sagt Ledschbor trocken.

Sackgasse wegen Osterreitern
Bild: ©Markus Kremser

Sackgasse wegen Osterreitern - provisorische Verkehrsschilder machen auf ein außergewöhnliches Verkehrshindernis aufmerksam.

"Mein Pferd ist evangelisch"

Aus allen Teilen Sachsens, aber auch aus den benachbarten Bundesländern Brandenburg, Sachsen-Anhalt und Thüringen kommen die Pferde für die Prozessionen am Ostersonntag mit zusammen weit über 1.000 Reitern. Aus der Pferdepension "Kastanienhof" aus Hohenbocka in Brandenburg stammen einige Pferde für die Crostwitzer Prozession, die ins Kloster St. Marienstern in Panschwitz-Kuckau führt. Für die Prozession von Nebelschütz nach Ostro kommen die Pferde aus dem etwa 50 Kilometer entfernten Großenhain und haben damit noch einen vergleichsweise kurzen Weg. "Mein Pferd ist evangelisch", sagt lachend Rafael Ledschbor und berichtet, dass ein Nachbar Jahr für Jahr zehn bis 14 Pferde aus einem kleinen Ort in der Nähe der Lutherstadt Wittenberg ausleiht. "Am Karfreitag holt er die Pferde. Am Samstag machen wir dann einen Ausritt, um uns wieder an das Reiten zu gewöhnen und um die Pferde kennenzulernen", erläutert Ledschbor.

Nur etwa ein Dutzend der Reiter ist auf eigenen Pferden unterwegs. Von den Osterreitern sitzen nur die wenigsten auch im Rest des Jahres im Sattel. Dabei ist selbst für geübte Reiter das Osterreiten keine einfache Sache. Schließlich haben die Prozessionsreiter nur eine Hand frei, in der anderen halten sie Gesangbuch, Fahne, Kreuz oder Jesusfigur. Dementsprechend gibt es einen saloppen Spruch, der die wichtigsten Eigenschaften der Osterreiter-Pferde beschreibt: Nicht beißen, nicht schmeißen!

"Ich brauche das Gesangbuch nur bei ganz wenigen Liedern. Bei den meisten reicht es, wenn ich die ersten Worte höre, dann weiß ich, wie es weiter geht", sagt Rafael Ledschbor. Er habe es einfacher, weil er beide Hände an den Zügeln haben könne. "Die Fahnenträger beneide ich nicht, die halten über Stunden in der einen Hand die Fahne, in der anderen die Zügel und können nicht einmal umgreifen", beschreibt er die hohen körperlichen Anstrengungen.

Prachtvoller Schmuck

Tatsächlich ist das Osterreiten kein Vergnügen. Bei strahlender Frühlingssonne kommen Ross und Reiter ins Schwitzen, bei Nebel, Regen oder Schnee frieren vor allem die Menschen. Die Anstrengung ist allen Beteiligten vor allem am Nachmittag anzusehen, wenn es auf den Nachhauseweg geht. Das Wetter kann jedenfalls nicht als Ausrede dinen. Das Osterreiten findet immer statt, egal ob es schneit oder die Sonne scheint, egal ob Touristen mit Kameras die Strecken säumen oder die Dorfbewohner am Straßenrand stehen.

Bevor es aber am Sonntagmorgen losgeht, werden die Pferde geschmückt. Am Karsamstag werden sie gebürstet und gestriegelt, die Mähnen geflochten, der Schweif gekämmt und mit einer Schleife versehen. Die Schleifen zieren bunte Stickereien, nicht selten mit den sorbischen Farben blau, rot und weiß. Gibt es einen Trauerfall werden schwarze Schleifen verwendet. Auch das Pferdegeschirr ist aufwändig mit Muscheln oder Metallbeschlägen verziert. In den letzten Jahren sieht man immer häufiger frische Blumen als Schmuck. Auch die Satteldecken sind etwas Besonderes und werden nur einmal im Jahr verwendet. Darauf gestickt ist das Osterlamm mit der Fahne des Auferstandenen.

Einige junge Männer tragen einen kleinen grünen Kranz am schwarzen Anzug. Er ist das Zeichen für die Reiter, die zum ersten Mal beim Osterritt mitmachen. Wer 25 oder sogar 50 Jahre dabei ist, trägt einen silbernen oder goldenen Kranz.

Tiertransporte am Ostermontag

Seit etwa 50 Jahren ist es üblich, sich die Pferde fürs Osterreiten zu leihen. "Früher hatten die Bauern ja alle Pferde", sagt Rafael Ledschbor. Aber mit der Einführung von Traktoren in den fünfziger und sechziger Jahren verschwanden auch die Pferde aus den Dörfern. Seither sind LKWs unterwegs und holen Pferde von weit her. "Am Ostermontag sind unsere Pferde schon wieder auf dem Weg nach Wittenberg", sagt Rafael Ledschbor. Für den Transport braucht es dann wieder eine Ausnahmegenehmigung, denn der Ostermontag ist ein Feiertag, an dem Tiertransporte auf der Straße im Normalfall nichts zu suchen haben - bis auf die Pferde der Osterreiter.

Von Markus Kremser