Kirchenkritik an Neuregelung von Abtreibung und an EKD-Position
Die beiden württembergischen Bischöfe Ernst-Wilhelm Gohl und Gebhard Fürst wenden sich gegen eine Änderung der Regelung zum Schwangerschaftsabbruch. Damit setzt sich der evangelische Bischof Gohl von der Position des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) ab. In der am Donnerstag in Stuttgart veröffentlichten gemeinsamen Erklärung würdigen Fürst und Gohl die 1993 gefundenen rechtlichen Regeln zur Abtreibung als einen Kompromiss, der ungeborenes Leben unter Schutz stelle und zugleich der Selbstbestimmung der Frau Rechnung trage. Diese Regelung im Paragraf 218 habe die Debatten "spürbar beruhigt". Eine Neufassung würde dagegen "alte Gräben erneut aufreißen und eine Debatte erzeugen, die weiter zur Spaltung der Gesellschaft beiträgt", warnen Gohl und Fürst.
Mitte Oktober hatte sich der Rat der EKD in einer von der Bundesregierung angefragten Stellungnahme für eine "Regulierung des Schwangerschaftsabbruchs für bestimmte Konstellationen auch außerhalb des Strafrechts" und eine "abgestufte Fristenlösung" ausgesprochen. Damit signalisierte er im Grundsatz Unterstützung für die von der Bundesregierung geplante Reform des Abtreibungsrechts außerhalb des Strafrechts.
Dagegen erinnern die württembergischen Bischöfe an die Erklärung beider Kirchen aus dem Jahr 2000. Sie trug den Titel "Gott ist ein Freund des Lebens". Wörtlich heißt es in der Erklärung von Fürst und Gohl: "Wir betonen in ökumenischer Verbundenheit unserer Kirchen, auch zukünftig in einer zunehmend säkularer werdenden Gesellschaft für den Schutz des ungeborenen Lebens einzutreten und zugleich an guten Rahmenbedingungen mitzuwirken, die es schwangeren Frauen und werdenden Vätern ermöglichen, Ja zu diesem Leben zu sagen, denn Gott ist ein Freund des Lebens."
Im Auftrag der Bundesregierung will eine Kommission von 18 Fachleuten aus Medizin, Recht und Ethik Anfang 2024 Vorschläge für eine Reform der Abtreibungsgesetzgebung vorlegen. Bundesfamilienministerin Lisa Paus (Grüne) spricht sich dafür aus, Abtreibungen besser ohne das Strafrecht zu regeln.
Laut derzeitiger Gesetzeslage ist ein Schwangerschaftsabbruch grundsätzlich rechtswidrig. Er bleibt jedoch straffrei, wenn er in den ersten zwölf Wochen vorgenommen wird. Zudem muss sich die Schwangere zuvor beraten lassen. Zwischen Beratung und Abbruch müssen mindestens drei Tage liegen. Nicht rechtswidrig ist eine Abtreibung nach einer Vergewaltigung sowie bei Gefahren für das Leben, die körperliche oder seelische Gesundheit der Schwangeren.
Bis zur 22. Schwangerschaftswoche
Während die katholische Kirche eine Änderung ablehnt, betonte der Rat der EKD, so sehr der "Schutzstatus des werdenden Lebens bereits ab dem Zeitpunkt der Empfängnis" beginne, erscheine es fragwürdig, "ihm zu jedem Zeitpunkt der Schwangerschaft mit Mitteln des Strafrechts Geltung zu verschaffen". Denkbar sei etwa, bis zur 22. Schwangerschaftswoche Abtreibungsregeln ohne Verweis auf das Strafrecht zu finden. Die 22. Woche gilt medizinisch als Schwelle für eine Lebensfähigkeit des Kindes bei einer Frühgeburt.
Zugleich wandte sich die EKD gegen eine vollständige "Entkriminalisierung" des Schwangerschaftsabbruchs. Der EKD-Rat spricht sich auch für eine Beratungspflicht aus. Die katholische Bischofskonferenz hat bislang keine Stellungnahme veröffentlicht, hält die Abschaffung des Paragraf 218 aber für falsch. Der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing nannte es nicht einsichtig, dass eine Streichung aus dem Strafgesetzbuch das Lebensrecht des ungeborenen Kindes in gleicher Weise oder besser schützen solle als die gegenwärtige Regelung. (KNA)