Ex-Caritas-Vize wirft polnischer Kirche Nähe zur Politik vor
Der stellvertretende Direktor der polnischen Caritas in Białystok, Sebastian Wiśniewski, hat sein Amt niedergelegt und ist aus der Kirche ausgetreten. Die Entscheidung sei "das Ergebnis jahrelanger Arbeit und Beobachtungen in der Caritas", ebenso die enge Verbindung der Kirche mit der nationalkonservativen Partei "Recht und Gerechtigkeit" (PiS), berichtet das polnische Internetportal "Notes from Poland".
Wiśniewski arbeitete demnach seit 2007 für die Caritas in der ostpolnischen Großstadt Białystok und wurde 2019 deren stellvertretender Direktor. Auslöser für den Rücktritt war laut Wiśniewski der polnische Geistliche Tadeusz Rydzyk. Der einflussreiche Kirchenmann stand zuvor in der Kritik, sexuellen Missbrauch verharmlost zu haben. Zudem sei Rydzyks Nähe zur PiS-Partei ein großes Problem für den ehemaligen stellvertretenden Direktor, da die Kirche dadurch "großzügige staatliche Subventionen" erhalten und davon profitiert habe. Auch wenn er sich nicht von Gott abgewandt habe, könne er nicht länger Teil einer Organisation sein, die sich wie ein Unternehmen verhalte und dabei "das Kreuzzeichen missbraucht" und "in gewissem Maße Kriminellen Schutz bietet".
Kritik am Umgang mit Missbrauchsfällen
Seine Vorwürfe beruhten auf persönlichen Erfahrungen mit der Caritas und der Kirche im Allgemeinen, erklärte Wiśniewski. Er habe beobachtet, wie Kleriker auf Kosten naiver Gläubiger ein bequemes Leben führten, was ihn zu der Schlussfolgerung veranlasst habe, dass sich die Kirche eher wie ein Unternehmen verhalte, "das sich um sein eigenes Kapital kümmert". Er kommentierte auch den Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen: "Personen, die sich des sexuellen Missbrauchs schuldig gemacht haben, wurden in Pfarreien versteckt oder in andere Diözesen geschickt", so der ehemalige stellvertretende Caritas-Direktor. Als Reaktion auf Wiśniewskis Äußerungen veröffentlichte die Diözese Białystok eine kurze Erklärung, in der es heißt, dass man "im Zusammenhang mit dem Interview Aufklärungsarbeit leistet". Auf Anfrage der Nachrichtenportale "Interia" und "Salon24" teilte die Caritas Białystok mit, sich zu dem Fall nicht äußern zu wollen.
Die katholische Kirche in Polen war in den letzten Jahren mit einer Reihe von Kontroversen konfrontiert, insbesondere wegen der Aufdeckung von sexuellem Missbrauch durch Geistliche. Auch wegen ihres politischen Engagements und ihrer Nähe zur PiS-Partei wurde sie in der Vergangenheit stark kritisiert. Aus den jüngsten Daten der Kirche selbst geht hervor, dass die Zahl der Kirchgänger erheblich zurückgegangen ist, während die jüngste Volkszählung einen starken Rückgang der Zahl derer ergab, die sich als Katholiken identifizieren. Die Kirche bestätigte, dass die Zahl derer, die aus der Kirche austreten, zunimmt. Besonders ausgeprägt sei dieser Trend bei jungen Menschen, von denen 25 Prozent angaben, regelmäßig in die Kirche zu gehen, während es Anfang der 1990er Jahre noch 70 Prozent waren. (mtr)