Bischof Strickland und Co. – Eine Geschichte der Geschassten
Als der Limburger Bischof Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst am 26. März 2014 endgültig aus dem Amt schied, sah das tägliche Bollettino, das Pressebriefing des Presseamts des Heiligen Stuhls, unspektakulär aus. Unter der Überschrift "Rinuncia del Vescovo di Limburg (Germania)" wurde die Personalie vermeldet, zwischen der Ernennung des neuen Generalsekretärs der italienischen Bischofskonferenz und der Ernennung eines neuen Bischofs in Brasilien. Dass dem Rücktritt einer der belastendsten Finanzskandale der jüngeren Kirchengeschichte voranging, ließ sich aus der knappen Nachricht nicht erahnen. Nur der Verweis auf c. 401 § 2 CIC als Rechtsgrundlage für den Rücktritt gab Hinweise, dass es hier nicht um einen Bischofsrücktritt wie jeden anderen ging: Der Normalfall ist im ersten Paragraphen dieses Kanons geregelt. Bischöfe sind gehalten, bei Erreichen der Altersgrenze von 75 Jahren dem Papst ihren Rücktritt anzubieten. Der zweite Paragraph ist für die ungewöhnlichen Fälle zuständig: "Ein Diözesanbischof, der wegen seiner angegriffenen Gesundheit oder aus einem anderen schwerwiegenden Grund nicht mehr recht in der Lage ist, seine Amtsgeschäfte wahrzunehmen, ist nachdrücklich gebeten, den Amtsverzicht anzubieten", heißt es dort.
Formal hatte Bischof Tebartz-van Elst also bis zuletzt die Zügel in der Hand und hat souverän über sein Rücktrittsgesuch entschieden. Faktisch ist die Möglichkeit eines Rücktritts eines unhaltbaren Bischofs aber eher ein Angebot des Papstes, das man nicht ablehnen kann, als eine echte Entscheidung über den Verbleib im Amt. Bischöfe sind im System der katholischen Kirche zwar nicht einfach nur Beamte auf der mittleren Leitungsebene, sondern Vorsteher von Teilkirchen. Ihre Stellung gehört zum Wesen der Kirche, sie leiten ihr Bistum aus eigenem Recht. Dennoch steht über allem der Papst mit seiner Fülle an Macht, die er jederzeit ohne die Bindung an kirchliches Recht ausüben kann. Er ernennt die Bischöfe in der Regel frei und kann sie genauso frei auch wieder abberufen.
Unhaltbaren Bischöfen nahezulegen, zurückzutreten, wahrt den Schein und gibt ihnen eine gesichtswahrende Möglichkeit, aus dem Amt zu scheiden. Daher kommt es nur selten vor, dass der Papst Bischöfe ausdrücklich des Amtes entheben muss. In den meisten Fällen dürften die zum Amtsverzicht gehaltenen Bischöfe ihre letzte Freiheit in der Einsicht in die Notwendigkeit des Rücktritts finden. Der Verweis auf c. 401 § 2 CIC als Rücktrittsgrund ist auch deshalb gesichtswahrend, weil nicht deutlich wird, ob eine Krankheit oder eine Verfehlung im Hintergrund steht. Mittlerweile hat sich die Kommunikationspraxis geändert: Das Bollettino verzeichnet gar keine Gründe für Rücktritte mehr – noch mehr Gesichtswahrung.
Dementsprechend selten sind Fälle wie die Amtsenthebung des nunmehr ehemaligen Bischofs von Tyler, Joseph Strickland. Nachdem der Texaner über Jahre immer schärfer Papst Franziskus kritisiert, ihm Verrat am überlieferten Glaubensgut vorgeworfen und die Nähe von US-amerikanischen Rechtsextremen gesucht hatte, zog der Papst am Samstag einen Schlussstrich. Auch die Mitteilung dazu war knapp: "Sollevamento del Vescovo di Tyler (U.S.A.)", stand im Bollettino. Ohne Angabe von Gründen. Nachdem im Sommer eine Apostolische Visitation der Diözese Tyler bekannt wurde, konnte man sich die Gründe zwar denken – bestätigt wurden sie aber nicht, wie das in der diskreten Vatikankommunikation üblich ist. Nur der Erzbischof, zu dessen Kirchenprovinz das Bistum Tyler gehört, Kardinal Daniel DiNardo, äußerte sich am Tag der Absetzung und gab – ohne die ausschlaggebenden Gründe zu benennen – einen Einblick in die Abläufe.
Möglichkeit zum Rücktritts als letzte Gnade des Papstes
Im Juni fand demnach die Visitation statt, eine ausführliche Untersuchung aller Aspekte der Amtsführung Strickland wurde angestellt, als Ergebnis stand eine Empfehlung an den Papst, "dass die Fortführung des Amtes von Bischof Strickland nicht tragbar ist". Die Erläuterung DiNardos bestätigt auch das übliche gesichtswahrende Vorgehen: Nach Monaten der Beratung sei Strickland am 9. November aufgefordert worden, zurückzutreten. Schon zuvor hatte er betont, dass das für ihn nicht in Frage komme. Damit war die Amtsenthebung am 11. November alternativlos.
Dass es so weit kam, ist die absolute Ausnahme: 5.340 Bischöfe insgesamt verzeichnet die offizielle Statistik der Weltkirche 2023. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wird durch altersbedingten Rücktritt aus dem Amt scheiden. Wie viele aus anderen Gründen zum Rücktritt aufgefordert werden, ist nicht bekannt. Die Zahl der Amtsenthebung lässt sich aber aus den Pressebriefings ermitteln, die seit 2000 online verfügbar sind: In den 23 erfassten Jahren sind es ganze zehn Bischöfe, deren "Sollevamento" mitgeteilt wird. Inklusive Strickland.
Die meisten dieser Amtsenthebungen sind eindeutig disziplinärer Natur. Nur bei drei scheinen andere Gründe eine Rolle gespielt zu haben: 2001 setzte Papst Johannes Paul II. den Bischof von Tlaxcala in Mexiko, Luis Munive Escobar, "aus gesundheitlichen und Altersgründen" ab: Munive Escobar erwachte nicht aus einem Koma nach einer Herzoperation und konnte seinen Rücktritt daher nicht anbieten. Im selben Jahr wurde der Bischof von Boma in der Republik Kongo, Joachim Mbadu Kikhela Kupika, mit 69 Jahren des Amts enthoben und auf ein Titularbistum versetzt – Gründe dafür gibt auch die internationale Presse nicht her. Im Jahr darauf entfernte der Papst den Erzbischof von Mandalay in Myanmar, Alphonse U Than Aung, ohne Angaben von Gründen aus dem Amt. Der Diözesanadministrator verriet damals keine Details, sprach aber von einer längeren Krankheit. Unklar ist, warum U Than nicht der Titel eines emeritierten Bischofs von Mandalay verliehen wurde, sondern der eines Titularerzbischofs.
Geschasste Bischöfe bleiben meist ihrem Bistum verbunden
Die Versetzung eines amtierenden Bischofs auf ein Titularbistum ist ungewöhnlich. Die Ernennung zum Emeritus einer Diözese wird selbst bei strafweise abgesetzten Bischöfen in der Regel vorgenommen, obwohl das Kirchenrecht diesen Ehrentitel regulär nur für diejenigen vorsieht, die durch Erreichen einer Altersgrenze oder durch Annahme eines Amtsverzichts aus einem Kirchenamt scheiden. Durch Versetzung auf ein Titularbistum wurde einer der prominentesten progressiven Bischöfe Frankreichs 1995 aus seinem Amt als Diözesanbischof von Evreux entfernt. Gaillot wurde Titularbischof von Partenia, Emeritus von Evreux durfte er sich nicht nennen – und er machte aus der Not eine Tugend und gründete die "virtuelle Diözese" Partenia für sein pastorales Wirken.
Die sieben weiteren seit 2000 vom jeweiligen Papst entlassenen Bischöfe leben alle noch: Jean-Claude Makaya Loemba (Pointe-Noire, Republik Kongo), William M. Morris (Toowoomba, Australien), Francesco Miccichè(Trapani, Italien), Róbert Bezák (Trnava, Slowakei), Martin D. Holley (Memphis, USA), Daniel Fernández Torres (Arecibo, USA/Puerto Rico) und Joseph E. Strickland (Tyler, USA). Damit werden sie auch im aktuellen Annuario Pontificio noch aufgeführt, dem Päpstlichen Jahrbuch. Stricklands Entlassung konnte dort noch nicht berücksichtigt werden. Die anderen erscheinen unter dem Eintrag ihres Bistums als emeritierte Bischöfe. Der einzige subtile Unterschied: Während bei regulären Rücktritten vor dem Datum des Amtsendes ein "rin." für "rinuncia" (Rücktritt) steht, steht bei den Entlassenen nur das Datum; dass bei Makaya Loemba und Torres das "rin." auftaucht, dürfte ein redaktioneller Fehler sein.
Schaut man sich die einzelnen Fälle an, so zeigt sich ein Muster: Abweichungen in der Lehre wie bei Gaillot ist seltener der offizielle Grund als Missmanagement der eigenen Diözese – immer unter der Einschränkung, dass Visitationsberichte nicht veröffentlicht werden und weder der Papst noch der Vatikan seine Handlungen öffentlich begründet.
Finanzielle Unregelmäßigkeiten häufiger Grund als Abweichungen in der Lehre
Makaya Loemba wurde 2011 im Alter von 56 Jahren von Papst Benedikt XVI. entlassen. Presseberichten zufolge soll es finanzielle Unregelmäßigkeiten und Spannungen im Klerus in seiner Diözese gegeben haben. Deutlich mehr weiß man über Morris, der gut einen Monat später entlassen wurde: Der australische Bischof war bekannt für seine progressiven Positionen. 2006 hatte er sich in einem Hirtenbrief für die Weihe verheirateter Männer und von Frauen ausgesprochen, außerdem sprach er sich für die Anerkennung der Weihen anglikanischer und lutherischer Geistlicher aus. Dafür wurde er nach Rom einbestellt, weigerte sich aber aus "pastoralen Gründen", am festgesetzten Termin zu erscheinen. Den Bericht einer daraufhin eingesetzten Apostolischen Visitation bekam Morris nach eigenen Angaben nie zu Gesicht.
Von Morris ist auch bekannt, wie eine päpstliche Rücktrittsbitte zumindest im Pontifikat Benedikts aussah: Der Bischof berichtete später, dass der Papst ihm 2009 in einer Audienz mitgeteilt habe, dass es Gottes Wille sei, dass er zurücktrete. Morris weigerte sich und wurde 2011 noch einmal durch den Apostolischen Nuntius in Australien aufgefordert, zurückzutreten. Noch einmal widersetzte sich Morris, kündigte aber in einem Hirtenbrief seinen frühzeitigen Ruhestand im Alter von 67 Jahren unter der ausdrücklichen Angabe, nie zurückgetreten zu sein. Tags darauf wurde seine Entlassung verkündet.
Die nächsten drei Amtsenthebungen sind mit großer Wahrscheinlichkeit wieder Fälle von Missmanagement und finanziellen Unregelmäßigkeiten: Miccichè wurde 2012 entlassen. Dem italienischen Bischof wurden finanzielle Unregelmäßigkeit bei der Zusammenlegung von zwei kirchlichen Stiftungen vorgeworfen; in einem Hirtenbrief wies er die Vorwürfe zurück. Später wurde durch Ermittlungen der sizilianischen Staatsanwaltschaft bekannt, dass er drei Millionen Euro an Kirchenvermögen seiner Diözese veruntreut haben soll, dazu kamen weitere Untreuevorwürfe.
Die Entlassung des beliebten Bischofs Bezák im Jahr 2012 sorgte in der Slowakei für so viel Unmut im Kirchenvolk, dass in Deutschland sogar der "Spiegel" berichtete. Die Amtsenthebung des damals 52-Jährigen nach nur zwei Jahren als Diözesanbischof folgte auf eine Apostolische Visitation, vermutet werden finanzielle Unregelmäßigkeiten. Der ehemalige slowakische Parlamentspräsident František Mikloško sprach dagegen von einem Komplott im Zusammenhang mit der Vatileaks-Affäre, in die der Vatikan damals verwickelt war. Bezák selbst vermutete später, dass seine Bemühungen, Finanzverstrickungen seines Vorgängers aufzudecken, mit der Entlassung zusammenhängen könnten.
Impfkritik als Absetzungsgrund
Weniger beliebt war Holley in seinem Bistum Memphis. Schon kurz nach Amtsantritt forderte er alle seine Pfarrer zum Rücktritt auf, um sie zu Pfarradministratoren zu ernennen – anders als Pfarrer haben Pfarrverwalter keinen Rechtsschutz gegen willkürliche Versetzungen. Die Ernennung eines umstrittenen Generalvikars und die Schließung von zehn Schulen trugen auch nicht zu seiner Beliebtheit bei. 2018 wurden Missbrauchsvorwürfe aus seiner Zeit als Diakon bekannt. Im selben Jahr wurde sein Bistum visitiert, in der Folge trat zunächst der Generalvikar zurück, wenige Monate später wurde der damals 63-Jährige wegen seiner Amtsführung entlassen. Holley selbst vermutet einen Rachefeldzug des Washingtoner Kardinals Donald Wuerls und des Nuntius Christopher Pierre, nachdem Holley Jahre zuvor angeblich Papst Benedikt XVI. davon abgeraten habe, Wuerl zum Kardinalstaatssekretär zu ernennen.
Erst im vergangenen Jahr sorgte ein weiterer Rauswurf international für Schlagzeilen: Mit 57 Jahren wurde der Bischof von Arecibo auf Puerto Rico, Daniel Fernández Torres, durch Papst Franziskus entlassen. Sein Fall ist ungewöhnlich und passt nicht in das bisherige Schema: Torres soll aufgrund seiner Skepsis gegenüber der Corona-Impfung seines Amtes enthoben worden sein. Er hatte Gläubige verteidigt, die einer Impfpflicht nicht nachkommen wollten. Es sei für einen Katholiken legitim, "Zweifel an der Sicherheit und Wirksamkeit eines Impfstoffes zu haben". Ebenso verweigerte er die Unterschrift auf einem Papier der Bischofskonferenz des US-Territoriums, wonach Ungeimpfte nicht an kirchlichen Aktivitäten teilnehmen sollten. Zuvor hatte Torres sich nicht an einem interdiözesanen Priesterseminar beteiligen wollen. Torres zeigte sich nach seiner Entlassung empört. Er werde bestraft, weil er "dem Papst nicht gehorsam gewesen" sei und angeblich keine "ausreichende Gemeinschaft mit den Bischöfen von Puerto Rico" gesucht habe, erklärte er. Beides sei nicht richtig. "Ich bringe meine Verbundenheit im katholischen Glauben, mit dem Papst und meinen Brüdern im Bischofsamt zum Ausdruck, trotz meiner Fassungslosigkeit über diese unverständliche Willkür", schrieb Torres.
Allen Fällen ist gemeinsam, dass es sich um souveräne Entscheidungen des Papstes handelt. Dass oft vor einer Entlassung Apostolische Visitationen angeordnet werden, ist keine Notwendigkeit. Bischöfe sind ganz vom Papst abhängig: "Wer wie der Diözesanbischof den rechtlich nicht gebundenen dominus canonum [Herr der Gesetze] zum direkten Oberen hat, dessen Rechtsstellung ist prekär", stellte der Bonner Kirchenrechtler Norbert Lüdecke 2015 in einem Beitrag zum Fall Gaillot fest. Ein geordnetes rechtliches Verfahren auf dem Gerichtsweg ist die absolute Ausnahme bei der Absetzung von Bischöfen. Das Kirchenrecht sah lange kein spezielles Verfahren zur Amtsenthebung eines Bischofs vor. Erst 2016 erließ Papst Franziskus mit dem Motu proprio "Come una madre amorevole" ein Gesetz, das die Amtsenthebung von Bischöfen und anderen kirchlichen Oberen bei Amtspflichtverletzungen regelt. Dass es zuvor keine ausdrücklichen Regeln gab, hängt auch damit zusammen, dass nur der Papst in Strafsachen der Richter über Bischöfe ist – und der ist nicht an sein eigenes Prozessrecht gebunden.
Absetzung durch Kirchengerichte absolute Ausnahme
So überrascht es auch nicht, dass nur ein Fall bekannt ist, in dem die allgemeinen kirchlichen Straf- und Strafprozessbestimmungen zur Anwendung kamen, um einen Diözesanbischof aus dem Amt zu entfernen. 2019 teilte die Glaubenskongregation mit, dass das Verfahren gegen den Erzbischof von Agaña auf Guam, Anthony Sablan Apuron, abgeschlossen und das Urteil rechtskräftig sei: Das Apostolische Tribunal der Glaubenskongregation habe über die Rechtsmittel des Bischofs entschieden und sie abgelehnt. Apuron wurde wegen Delikten gegen das Sechste Gebot mit Minderjährigen schuldig gesprochen. Mehrere Betroffene hatten ihm 2016 sexuellen Missbrauch vorgeworfen, Papst Franziskus beurlaubte ihn kurz darauf, 2017 begann das kirchliche Strafverfahren unter der Leitung von Kardinal Raymond Leo Burke. Als Strafe wurden neben der Amtsenthebung ein Aufenthaltsverbot in seiner ehemaligen Erzdiözese und das Verbot, bischöfliche Insignien zu verwenden, verhängt. Im Annuario taucht er dennoch als emeritierter Erzbischof auf, ohne Hinweise auf die strafweise Entlassung. Als Datum seines Amtsendes wird der 4. April 2019 angegeben, der Tag, an dem die Glaubenskongregation das Urteil verkündet hatte – mit dem Zusatz "rin.".
Ob Apuron doch noch ein gesichtswahrender Rücktritt gewährt wurde oder es sich um ein Redaktionsversehen handelt, ist unbekannt. Das kirchliche Recht ist in anderen Fällen jedenfalls großzügig: In nach den Regeln für Amtspflichtverletzungen abgeurteilten Fällen gibt es bei einem Schuldspruch zwei Möglichkeiten. Entweder kann direkt ein Entlassungsdekret ausgestellt werden. Oder der schuldig gesprochene Bischof bekommt 15 Tage Zeit, während der er auf eine "brüderliche Ermahnung" des Gerichts hin noch zurücktreten kann, bevor er hinausgeworfen wird. Das Gesicht wahren ist alles im kirchlichen Recht – bis zuletzt. Solange Bischöfe mitspielen, kommt es nicht zum Äußersten.