Standpunkt

Studie zu Kirchenmitgliedschaft: Kompass für künftigen Kurs der Kirche

Veröffentlicht am 15.11.2023 um 00:01 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Bonn ‐ Die Ergebnisse der Untersuchung zur Kirchenmitgliedschaft sind schockierend. Doch die Studie hat auch eine positive Botschaft, kommentiert Roland Müller. Sie gibt der Kirche vor, in welche Richtung sie zu gehen hat.

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Es sind viele ernüchternde Ergebnisse, die die sechste Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU) zu bieten hat: Nur noch vier Prozent der Katholiken sehen sich als kirchennah, katholische Christen setzen ein größeres Vertrauen in die evangelische Kirche als in ihre eigene und 43 Prozent der katholischen Kirchenmitglieder können sich einen Austritt vorstellen. Diese Zahlen sind nur die tristen Höhepunkte der Untersuchung, die mit erschreckenden Erkenntnissen bestätigt, wie sehr sich Kirche und Gesellschaft voneinander entfernt haben. In ihrer Direktheit schmerzen diese Ergebnisse immer wieder. Sie sorgen aber auch für eine heilsame Desillusionierung bei den Letzten, die noch meinen, mit der Besinnung auf die Traditionen der vermeintlich guten alten Zeit könne man den Schwung der Säkularisierung stoppen.

Für die katholische Kirche selbst weitaus interessanter sind allerdings andere Ergebnisse der KMU. Sie können ihr als Kompass für den zukünftigen Kurs dienen, wenn sie relevant für die Menschen hierzulande sein will. Die Kirche erreicht laut Untersuchung mehr Menschen in Deutschland als gedacht: Fast die Hälfte der Bevölkerung hat – wenn auch nur sporadisch – Kontakt zu Mitarbeitern der Kirche. 78 Prozent der Konfessionslosen sowie 92 Prozent der Katholiken wünschen sich, dass die Kirche soziale Beratung anbieten soll. Und eine sehr große Mehrheit von durchschnittlich 90 Prozent der Befragten fordert Reformen in der Kirche, wie die Segnung homosexueller Partnerschaften, mehr Demokratie in der Kirche und eine Lockerung des priesterlichen Zölibats. In diesem Ausmaß hat das sogar Experten überrascht.

Genau diese Themen werden beim katholischen Reformprozess in Deutschland behandelt – und spielten auch bei der Weltsynode in Rom eine Rolle. Die Kirche ist mit ihrer innerkirchlichen Debatte also ebenso auf dem richtigen Weg wie mit ihren sozialen Angeboten, die es etwa in der Jugendhilfe, der Caritas oder den Sozialdiensten für Frauen und Männer gibt. Klar ist aber auch: Deutschland wird mehr und mehr zu einem entchristlichten Land. Denn eine große Welle von Taufen oder Kircheneintritten wird auch nach weitreichenden Reformen nicht kommen. Die Kirche muss sich darauf einstellen, künftig eine "schöpferische Minderheit" zu sein, wie es der Magdeburger Bischof Gerhard Feige einmal formuliert hat. Zwar werden bei sinkender Mitgliederzahl und geringeren Kirchensteuereinnahmen die Angebote der Kirche in der Breite auf Dauer nicht gesichert werden können. Aber es wird immer Menschen geben, die aus ihrem Glauben heraus in der Gesellschaft wirken. Sie gilt es als Kirche zu fördern. Die Zahlen der KMU können ihr dazu Mut machen.

Von Roland Müller

Hinweis

Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.