Gastbeitrag von Erzbischof Stephan Burger zu Ostern

Fangt neu an!

Veröffentlicht am 05.04.2015 um 00:00 Uhr – Von Stephan Burger – Lesedauer: 
Ostern

Freiburg ‐ Ostern ist das Fest der Auferstehung Jesu Christi. Das bedeutendste Fest im Kirchenjahr kann Anstoß sein, einen österlichen Neubeginn zu wagen, meint der Freiburger Erzbischof Stephan Burger in seinem Gastbeitrag für katholisch.de.

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"Neu denken - Veränderung wagen", so stand in den zurückliegenden Wochen als Leitwort über der diesjährigen Misereor-Fastenaktion. Dieses Leitwort hat mich intensiv begleitet und so manche Überlegung angeregt: In welcher Weise sollen wir neu denken? Wo sind dringend Veränderungen angesagt?

Auch mein Besuch in Peru, bei dem ich unseren Bundespräsidenten Joachim Gauck Ende März begleiten durfte, hat nochmals neu meinen Blick für unsere weltweite Verantwortung geschärft. Angesichts vielfältiger Herausforderungen in Kirche, Politik und Gesellschaft wie auch mit Blick auf die gegenwärtigen kriegerischen Auseinandersetzungen und terroristischen Bedrohungen wird überdeutlich, wie viele Bereiche es gibt, für die gilt: neu denken - Veränderung wagen.

In wem ist dieser Wunsch noch nie wach geworden? Zugleich ist dies wie eine kurze und prägnante Zusammenfassung der Botschaft von Ostern. Der Blick in die Evangelien entfaltet dies auf eindrucksvolle Weise: Den damals ratlos am Grab stehenden Frauen sagt der Engel: "Ich weiß, ihr sucht Jesus, den Gekreuzigten. Er ist nicht hier; denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat" (Mt 28,5). Gesucht wird ein Gekreuzigter, einer, der in die grausamste Tiefe des menschlichen Daseins hinabgestoßen wurde; ein Toter, dem man die letzte Ehre verweigert hat. Es ist Jesus ja nichts vom menschlichen Elend erspart geblieben. Nicht ohne Grund befielen ihn zuvor am Ölberg Angst und Todesnot. Unzähligen Menschen ist er so in ihrer letzten schweren Stunde ähnlich geworden!

Bild: ©KNA

Stephan Burger ist seit Juni 2014 Erzbischof von Freiburg und damit Nachfolger von Robert Zollitsch.

Gefunden wird er allerdings anderswo. Nicht im Grab. Nicht als Verwesender. Den Frauen wird gesagt: "Kommt her und seht euch die Stelle an, wo er lag." Da ist er nicht mehr. Ganz Neues ist plötzlich da: "denn er ist auferstanden, wie er gesagt hat" (Mt 28,6). Der unabänderliche Lauf der Natur ist durchbrochen. Die Macht Gottes, die den vom Menschen verursachten Tod zum Leben hin überwindet, ist voll zum Durchbruch gekommen. Jesus versichert seinen Jüngern damals - und heute uns: "Ich bin die Auferstehung und das Leben" (Joh 11,25). Von nun an kann es in der Menschheitsgeschichte und in unserem persönlichen Leben zu einem neuen Anfang kommen. Jesus, der Auferstandene, hat in seiner Auferstehung den Anfang gesetzt für ein neues Denken. Er selbst ist es, der uns den Mut und die Kraft schenkt, Veränderung zu wagen.

Doch bevor wir uns der Frage stellen, wie das wohl ganz konkret gehen kann, drängt der Osterbericht geradezu ungeduldig weiter, wenn den Frauen aufgetragen wird: "Geht schnell zu seinen Jüngern und sagt ihnen: Er ist von den Toten auferstanden" (Mt 28,7). Die mutigen Frauen werden beauftragt, den Jüngern, die während des Leidens und Sterbens Jesu versagt hatten, die frohe Botschaft von der Auferstehung zu bringen. Dem Erkennen folgt der Auftrag. Die Botschaft will nicht für sich selbst behalten, geheim gehalten und anderen gegenüber verschlossen bleiben. Sie muss zu anderen weitergetragen werden.

Die zunächst ratlosen und verschreckten Frauen verstehen das Neue blitzschnell: Sie reagieren sofort, sodass der Evangelist von ihnen berichten kann: Eilig verließen sie das Grab. Es war der Ort des Toten. Erfasst von Schauder und großer Freude zugleich, brechen sie auf, um den Jüngern die grundlegende Veränderung zu berichten: Jesus lebt! Und jetzt "fängt es neu an", damals zwischen den Jüngern. Sie leben und verbreiten die Botschaft der Liebe, des Glaubens und der Hoffnung. Eine Liebe, die den Nächsten, ja sogar den Fremden einschließt. Ein Glaube, der um Gottes Wirken mitten im Alltag weiß, um die Nähe und Liebe Jesu. Eine Hoffnung, die sich durch nichts und von niemandem erschüttern lässt.

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Video: © katholisch.de

Was bedeutet Auferstehung? Ein Beitrag der Serie "Katholisch für Anfänger".

Und heute: Wann fängt es an hoffnungsfroher, liebender und friedlicher zu werden - in Ehe und Familie, in Nachbarschaft und am Arbeitsplatz, in Kirche, Wirtschaft und Gesellschaft? Wer sich für die Botschaft von Ostern öffnet, der kann nicht unverändert sein Leben im immer gleichen Trott weiterführen. Wer aus der Beziehung mit dem auferstandenen Jesus lebt, der kann nicht unverändert weitermachen wie bisher. Der Apostel Paulus bestärkt uns Christen darin, wenn er sagt "Ihr seid" in der Taufe "mit Christus auferweckt" (Kol 3,1).

Dort hat Jesus einen jeden und eine jede in sein neues von Gott geschenktes Leben hineingenommen. Das ist die Quelle unserer Veränderung zum Guten und zugleich zur ganz persönlichen Freude am Osterfest. Denn "wir sind von Gott geliebt" (Kol 3,12). Im Glück dieser Liebe und Freude drängt der Apostel weiter: "Darum bekleidet euch mit aufrichtigem Erbarmen, mit Güte, Demut, Milde, Geduld! Ertragt euch gegenseitig, und vergebt einander, wenn einer dem anderen etwas vorzuwerfen hat. Vor allem aber liebt einander, denn die Liebe ist das Band, das alles zusammenhält" (Kol 3,12-14).

Hier finden wir die Antwort darauf, was es letztlich bedeutet, neu zu denken und Veränderung zu wagen: Durch die Auferweckung Jesu kann zwischen uns Menschen alles anders anfangen: nämlich mit Erbarmen, mit Vergebung, mit Liebe - Zeichen des österlichen Neubeginns und der österlichen Veränderung inmitten unserer Tage.

Der Autor

Stephan Burger (*1962) ist seit Juni 2014 Erzbischof von Freiburg. Außerdem ist er Vorsitzender der Unterkommission für Entwicklungsfragen und Mitglied der Kommission Weltkirche der Deutschen Bischofskonferenz.
Von Stephan Burger