Nach Kirchenaustritt: EuGH entscheidet nicht im Hebammen-Fall
Im Fall der Kündigung einer aus der Kirche ausgetretenen Hebamme durch ein katholisches Krankenhaus wird es wohl keine grundsätzliche gerichtliche Klärung geben. Das beklagte Krankenhaus habe eine Anerkenntniserklärung abgegeben, teilte das Bundesarbeitsgericht (BAG) auf Anfrage von katholisch.de mit. "Es ist daher davon auszugehen, dass das Verfahren beim Bundesarbeitsgericht zeitnah durch ein Anerkenntnisurteil beendet werden wird", so der Gerichtssprecher am Mittwoch. Ein Anerkenntnisurteil ergeht durch ein Arbeitsgericht, wenn der Beklagte den Anspruch des Klägers als berechtigt anerkennt. Hintergründe der Anerkenntniserklärung, etwa eine mögliche außergerichtliche Einigung zwischen den Parteien, sind dem BAG nicht bekannt. Damit ist auch das Vorabentscheidungsverfahren vor dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) hinfällig, von dem eine über den Einzelfall hinaus relevante Klärung erwartet wurde, ob kirchliche Arbeitgeber Beschäftigte aufgrund eines Kirchenaustritts entlassen können.
Geklagt hatte eine Hebamme, die vor ihrer Einstellung an einem katholischen Krankenhaus aus der Kirche ausgetreten war. Zuvor war sie bereits einmal bei der Klinik angestellt. Der Kirchenaustritt fiel aber in die Zeit zwischen den beiden Anstellungen. Die Frau begründete ihren Austritt mit dem Umgang der Kirche mit Missbrauchsfällen. Zu Beginn ihres Arbeitsverhältnisses im Jahr 2019 hatte sie selbst in einem Personalfragebogen angegeben, aus der Kirche ausgetreten zu sein. Ende August 2019 wurde der Beschäftigten gekündigt, nachdem Gespräche mit dem Ziel, sie zu einem Wiedereintritt zu bewegen, scheiterten. Im Krankenhaus werden aber auch konfessionslose Mitarbeiter beschäftigt, die nie der Kirche angehörten. Daher klagte die Frau. Das Bundesarbeitsgericht legte im Juli 2022 dem EuGH die Frage vor, ob eine solche Kündigung mit dem Unionsrecht vereinbar ist.
EuGH hatte erste Vorentscheidung für Januar geplant
Sobald das BAG sein Anerkenntnisurteil gefällt hat, ist damit auch das Vorabentscheidungsverfahren vor dem EuGH hinfällig. Dort wäre schon bald mit einer ersten Vorentscheidung zu rechnen gewesen: Ein Sprecher des EuGH teilte am Dienstag auf Anfrage mit, dass der Schlussantrag des Generalanwalts in dieser Sache derzeit noch für den 11. Januar 2024 angekündigt ist. Schlussanträge sind in der Gerichtsordnung vorgesehene beratende Gutachten, die das Gericht nicht binden. In der Regel hat die Argumentation eines Schlussantrags aber großen Einfluss auf die Entscheidungen des EuGH und zur Begründung von Urteilen. Auch wenn der Hebammen-Fall vom EuGH nun nicht mehr entschieden wird, ist davon auszugehen, dass sich das europäische Gericht künftig mit ähnlichen Konstellationen befassen muss. Nach Informationen von katholisch.de gibt es bereits weitere ähnliche Klagen, die aufgrund des laufenden Vorabentscheidungsverfahrens noch nicht entschieden wurden.
Von einer Entscheidung des EuGH wird eine Weichenstellung für das kirchliche Arbeitsrecht in Deutschland erwartet. Trotz der Liberalisierung der Grundordnung des kirchlichen Dienstes im vergangenen Jahr ist der Kirchenaustritt katholischer Beschäftigter nach wie vor grundsätzlich ein Kündigungsgrund. Von einer Kündigung kann lediglich abgesehen werden, wenn schwerwiegende Gründe des Einzelfalles eine Kündigung als unangemessen erscheinen lassen. In ihren Erläuterungen zur Grundordnung nennen die deutschen Bischöfe als einziges Beispiel für derartige Gründe, "wenn katholische Mitarbeitende selbst als Betroffene insbesondere sexuellen Missbrauchs an ihrer Kirche leiden". Die evangelische Kirche sieht gemäß ihrer "Richtlinie des Rates über kirchliche Anforderungen der beruflichen Mitarbeit in der Evangelischen Kirche in Deutschland und ihrer Diakonie" den Austritt aus einer Kirche ohne den Eintritt in eine andere Kirche als Kündigungsgrund an. (fxn)