Drei Hochzeitskirchen für Sissi
"Wenn du einmal im Leben Kummer und Sorgen hast, dann geh' so wie jetzt mit offenen Augen durch den Wald – und in jedem Baum und in jedem Strauch, in jedem Tier und in jeder Blume, wird dir die Allmacht Gottes zum Bewusstsein kommen…"
Wer in der Weihnachtszeit gerne die Sissi-Filme (ab 1955) mit Romy Schneider schaut, dem sollte dieser Satz bekannt vorkommen. Bei ihrer ersten Verabredung mit Franz erzählt Sissi ihm, dass ihr Vater immer rät, bei Problemen und Sorgen in der Natur nach Gott zu suchen. Es ist nicht die einzige Stelle in den Filmen, in der Glaube und Religion eine Rolle spielt.
Was alle drei Teile vereint, ist, dass immer sehr deutlich gemacht wird, wer in dieser Welt die Macht hat. Und das ist nicht der Kaiser: Gott wird durchgehend als allmächtig beschrieben und es wird immer wieder betont, dass er die Geschicke lenkt. Kaiser Franz legt das Schicksal seiner kranken Frau in die Hände Gottes: "Sissi lebt und sie wird mit Gottes Hilfe wieder gesund werden! Und wenn es dem Allmächtigen gefallen sollte mir das Liebste zu nehmen, was ich im Leben hab, dann werde ich nie, nie wieder heiraten!"
Die Hochzeit als katholisches Spektakel
Am prominentesten sind Religion und Kirche sicherlich bei Sissis Hochzeit. Die echte Elisabeth heiratet in der Augustinerkirche in Wien. Für den Film wurde die Zeremonie in den Stephansdom verlegt, der noch um einiges pompöser daherkommt. Gedreht wurde das Ganze aber in der Michaelerkirche, die ebenfalls sehr prunkvoll ist, aber wohl um einiges günstiger war. Auch die Krönung zur Königin von Ungarn wurde hier gedreht, obwohl sie eigentlich im heutigen Budapest stattfand – hätten Sie es bemerkt? Während der gesamten Hochzeit steht nicht Sissi oder Franz im Vordergrund, sondern der Katholizismus: Die Kardinäle sind prachtvoll gekleidet. Der Zelebrant zieht ein, als wäre er die Braut, hinter ihm wird seine lange Schleppe getragen. Sissi und Franz stehen einer Reihe Kardinälen gegenüber, immer wieder blendet die Kamera auf die Architektur, die Glocken oder die Orgel. Sissi küsst dem Zelebranten die Hand, der Chor singt Halleluja und zum Ende der Szene schwenkt die Kamera an die Decke und zeigt das Dreieck der Dreifaltigkeit, das über allem wacht. Das kirchliche Zeremoniell ist staatstragend für das Kaiserreich, weniger ein Ausdruck individueller Frömmigkeit.
Kardinäle werden in den bekannten Filmen aus dem zwanzigsten Jahrhundert aber nicht immer so unnahbar dargestellt. Manchmal sorgen sie für Komik: Wenn etwa ein Kardinal bei einem festlichen Essen sehr zum Missfallen der Königinmutter bei Bier und Essen ordentlich zulangt. Manchmal wird ihre Stellung genutzt, um den Charakter der Hauptfigur herauszuarbeiten: Im letzten Teil begrüßt Sissi ihr Kind, das sie seit Jahren nicht sehen konnte, vor dem Kardinal – das strenge Protokoll hätte es eigentlich andersherum vorgesehen. Der Kardinal zeigt sich gnädig: "Selig sind die Menschen, deren Herzen vor Freude überstellen, denn diese Freude kommt von Gott."
Die Kirche im Kaiserreich
Die Kirche gehört selbstverständlich zur Gesellschaft im österreichischen Kaiserreich. Kritik an ihr spielt in den Sissi-Filmen keine Rolle. Die Filme glorifizieren mit dem Kaiserreich die vermeintlich "gute alte Zeit". Zu ihrem Entstehungszeitpunkt war der Zweite Weltkrieg gerade erst vorbei, noch herrschten Armut und Entbehrung. Kaiserin Elisabeth selbst sah das wohl etwas anders. Laut dem Sisi-Experten Alfons Schweiggert, der sich mit dem Glauben der Kaiserin beschäftigt hat, konnte die echte Kaiserin Elisabeth dem Glauben viel abgewinnen, haderte aber gerade mit dem Katholizismus oft. Vor allem der pompösen Darstellung des Glaubens wie sie im Film geschieht, konnte sie nur wenig abgewinnen. Dafür scheint ihre Volksfrömmigkeit ausgeprägt gewesen zu sein. Es gilt als belegt, dass sie mehrfach an Marienwallfahrten teilnahm. Ihre Mutter war evangelisch, vielleicht hat auch das sie geprägt, sie hielt aber wohl auch Séancen ab und interessierte sich für die griechische Götterwelt. Schweiggert beschreibt das als "Patchwork-Religiosität". Ihre Tochter Marie Valerie hingegen, so wird es überliefert, war sehr fromm. Bis heute gibt es in Wien die anlässlich ihrer Hochzeit gestiftete Muttergotteskirche, in der an sie erinnert wird.
Glaube in aktuellen Sisi-Serien
Wer sich aktuelle Neuverfilmungen wie der Sisi-Serien von Netflix oder RTL anschaut, wird schnell merken, dass der Fokus hier deutlich vom Katholizismus weggeht. Kirchen sind als Orte von Ereignissen nur noch Hintergrund. Sogar bei der Hochzeit ist die Religion nicht das Wichtigste. Lange Einstellungen zeigen Sisis Gesicht und die Emotionen, nicht wie im Original die Kardinäle. Die erste Staffel der RTL-Serie zeigt aber anders als der Dreiteiler einen Anschlag auf Franz bei der Taufe seines Kindes in einer Kirche. In der Realität fand dieser draußen auf offener Straße statt, die klassischen Filme lassen ihn ganz weg. Als Schauplatz und zur Steigerung der Dramatik werden Kirchen also auch heute noch gerne genutzt. Der wirkliche Glaube spielt hier in Neuverfilmungen aber weniger eine Rolle.