Bischof Fürst geht in Ruhestand: Der Rottenburger Oberhirte wird 75
Gebhard Fürst, der am längsten amtierende deutsche Ortsbischof, tritt am Samstag (2. Dezember) zurück. Am vergangenen Samstagabend gab der Bischof von Rottenburg-Stuttgart bekannt, dass Papst Franziskus seinen angebotenen Amtsverzicht aus Altersgründen angenommen habe. Der Papstbotschafter in Deutschland, Nuntius Nikola Eterovic, habe ihn bereits in einem Brief Anfang September darüber unterrichtet. Fürst hatte seinen Amtsverzicht am 15. August angeboten. Entsprechend dem Kirchenrecht ist das Rücktrittsangebot zum 75. Geburtstag verpflichtend.
Für den 2. Dezember ist bereits der Abschied geplant. In der Rottenburger Festhalle gibt es am Vormittag einen Festakt für geladene Gäste. Erwartet werden auch Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) sowie Eterovic. Am Nachmittag schließt sich ein Gottesdienst im Rottenburger Dom an, bei dem der Bischofskonferenz-Vorsitzende Georg Bätzing sprechen wird. Den Ausklang bilden ein Zapfenstreich und ein Bürgerfest auf dem Marktplatz.
Ein Bischof mit vielen "Nebenjobs"
Fast ein Vierteljahrhundert lang wird Fürst dann die katholische Kirche in Württemberg geleitet haben. Als er im Jahr 2000 im für Bischöfe jugendlichen Alter von 51 das Amt übernahm, war er eine äußerst gefragte Person: Nicht wenige bischöfliche Kommissionen und kirchliche Institutionen drängelten sich um den vormaligen Akademiedirektor und wollten sich mit ihm als Aushängeschild schmücken.
Die verschiedenen "Nebenjobs" waren Zeitfresser und brachten auch Ärger. Etwa wenn er 16 Jahre als Geistlicher Assistent des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (Zdk) etwa Bischöfen wie Joachim Meisner oder Gerhard Ludwig Müller erklären musste, warum die katholische Basis wieder mal eine eigene Meinung zu kirchlichen Problemen und Entwicklungen hatte. Fürst tat, was er tun musste, verteidigte das ZdK und suchte, Brücken zu bauen.
14 Jahre stand er der Publizistischen Kommission der Bischöfe vor. Ein Metier, das ebenfalls schwierig zu beackern ist und sich in den Jahren erheblichen Umbrüchen ausgesetzt sah. Insofern wundert es nicht, dass sein Verhältnis zu den Medien zwar freundlich-positiv, aber auch kritisch ist. Bei den sogenannten Sozialen Medien etwa sieht er "Filterblasen, in denen bestimmte Milieus nur untereinander kommunizieren" und in denen Gerüchte und Verschwörungstheorien offene Türen fänden.
Die ursprünglich mit der Datenrevolution verbundene Idee freier Kommunikation erweist sich für Fürst als Utopie, wenn "Skandalöses und Aberwitziges" besonders attraktiv erscheinen. Er sieht sich als Freund von Qualitätsmedien, liest mehrere Tageszeitungen und schätzt die "tagesthemen" der ARD. "Boulevard unterhält, guter Journalismus befreit zu Urteilsfähigkeit und Lebenssouveränität", sagte er einmal. Bis heute geblieben ist die dritte angemeldete Nebentätigkeit, der Vorsitz der bischöflichen Unterkommission Bioethik.
Aus diesem Blick nebenbei leitet Fürst das drittgrößte deutsche Bistum - und hinterlässt auch hier Spuren. Schon als Akademiedirektor in den 1990er Jahren hatte er das Thema Missbrauch auf dem Schirm und veranstaltete entsprechende Tagungen – wenn auch nicht ahnend, welche Abgründe sich in den folgenden Jahrzehnten auftun würden. Als Bischof setzte er mit seinem Umgang mit Opfern und Tätern erste Maßstäbe.
Die Veröffentlichung der MHG-Studie zu Missbrauch beschrieb er später als eine der dunkelsten Stunden seines Lebens. Noch nie habe ihn etwas "so aufgerüttelt und schockiert" wie die Verbrechen von Missbrauchstätern. "Sie werden angeschaut und fühlen, dass Menschen denken: Das ist auch so einer."
Auch das Umweltengagement von Bischof und Diözese setzt Maßstäbe, etwa der Ausbau erneuerbarer Energien an kirchlichen Häusern. Großen Spaß hat der mit dem grünen baden-württembergischen Ministerpräsidenten Kretschmann befreundete naturverbundene Gärtnersohn, wenn er wie vor ein paar Jahren Journalisten vor und auf dem Flachdach des Bischofshauses in Rottenburg Bienenstöcke und seltene Pflanzen zeigen kann. Bis 2050 will die Diözese klimaneutral sein.
Ein reformwilliger Bischof mit roten Linien
Fürsts Einsatz für eine "pilgernde, zeitgenössische, lebensdienliche und schöpfungsfreundliche Kirche" kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Zeiten und damit auch der Blick auf mögliche innerkirchliche Reformen geändert haben. Um die Jahrtausendwende gab es kaum Bischöfe, die sich so wie Fürst dafür einsetzten, dass Frauen Diakoninnen werden sollen.
Heute gibt es unter den deutschen Bischöfen nicht wenige, die sich noch mehr Frauenbeteiligung wünschen und vorstellen können. Fürsts Standpunkt blieb indes unverändert. Einerseits will er Reformen, andererseits tut er sich mit manchen Veränderungswünschen sehr schwer. Trotzdem hat er in der Summe für die württembergischen Katholiken deutlich mehr ermöglicht als verhindert.