Dem Nikolaus gefällt das nicht
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Am gestrigen Nikolaustag war Gelegenheit, sich an die Geschichten zu erinnern, die dem großzügigen Bischof von Myra zugeschrieben werden. Der Brauch des Beschenkens von Kindern geht auf die Legende mit den drei Jungfrauen zurück. Da rettete er drei arme Schwestern vor der Zwangsprostitution, indem er den Mädchen nachts drei Goldklumpen durchs Fenster warf und sie anhand dieser Mitgift heiraten konnten. Eine schöne Geschichte, die das Herz wärmt an diesen kalten Wintertagen. Das einzig Beklemmende ist, dass es für diese jungen Frauen keinen anderen Weg als Ehe oder Prostitution zur Auswahl gab.
In diesen kalten Wintertagen kommt mir die Geschichte wieder in den Sinn, wenn ich in den Straßen von Köln und Bonn unterwegs bin. Wohnungs- oder obdachlose Männer bieten die Straßenzeitung an, sitzen oder liegen in den U-Bahn-Haltestellen und versuchen unweit der Weihnachtsmärkte ihr Glück, etwas Geld zu erbetteln. Obdachlose Frauen, die ich im Sommer vereinzelt gesehen habe, sehe ich nicht mehr. Kein Wunder, schreibt mir eine Freundin, die sich ehrenamtlich in einer Notübernachtungsstelle für Frauen engagiert: "Weibliche Obdachlosigkeit ist unsichtbar. Den Frauen sieht man ihre Situation nicht an: Sie sind geduscht und ordentlich gekleidet, einige haben sogar Jobs." Und dann der beklemmende Nachsatz: "Alle haben Erfahrung mit Gewalt."
Diese Realität hätte dem Nikolaus sicher nicht gefallen. Aber was tun? Vor Weihnachten zücken viele von uns in der Stadt den Geldbeutel oder spenden an Organisationen, die helfen. Aber wir wissen, dass unsere Münzen – anders als die Goldklumpen des Heiligen – nicht ausreichen, um einer Person einen kompletten Neuanfang zu ermöglichen; zu komplex sind die Lebensrealitäten. Viele – auch kirchliche – Vereine helfen wohnungslosen Frauen konkret, indem sie Übernachtungsstellen oder Frauenhäuser betreiben und Beratung anbieten.
Alle, seien es Solwodi oder der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF), weisen immer wieder darauf hin, dass es zu wenige dieser Häuser gibt und Wohnungen wieder bezahlbarer werden müssen. Natürlich finde ich, dass die Kirchen vorangehen und etwa ihre Immobilien und Liegenschaften vermehrt für soziale Wohnprojekte einsetzen könnten. Aber es ist vor allem eine staatliche Aufgabe. Nach Artikel 23 der Istanbul-Konvention muss der Staat Schutzunterkünfte in ausreichendem Maß bereitstellen. Deshalb verstärke ich gerne den Appell der Frauenhilfevereine und weiß im Geiste Nikolaus von Myra an meiner Seite.
Die Autorin
Agathe Lukassek ist Leiterin der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit im Hildegardis-Verein mit Sitz in Bonn.Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der jeweiligen Autorin bzw. des Autors wider.