Einigung mit Religionsbehörde und Ditib

Bundesregierung will Entsendung von Imamen aus Türkei beenden

Veröffentlicht am 14.12.2023 um 19:44 Uhr – Lesedauer: 

Berlin ‐ Schon längere Zeit verhandelt die Bundesregierung über einen Entsendungsstopp von Imamen aus der Türkei. Jetzt gibt es eine Verständigung. Zuletzt erhöhte antisemitische Hetze aus einigen Moscheegemeinden den Druck.

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Die Bundesregierung will die Entsendung von Imamen aus der Türkei nach Deutschland mittelfristig stoppen. Darauf hat sich das Bundesinnenministerium mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet und dem deutsch-islamischen Moscheeverband der Türkisch-islamischen Union der Anstalt für Religion (Ditib) verständigt, wie das Ministerium am Donnerstag in Berlin mitteilte. Derzeit gibt es nach Ministeriumsangaben 1.000 aus der Türkei entsandte Imame in Deutschland.

Ziel sei es, rund 100 Imame jährlich in Deutschland auszubilden und dementsprechend die Zahl der entsandten Imame aus der Türkei zu verringern. Die Ausbildung soll im Rahmen des bestehenden Ditib-Ausbildungsprogramms in Dahlem (Nordrhein-Westfalen) sowie durch ein zusätzliches Programm erfolgen. Dafür soll eine Kooperation mit dem Islamkolleg Deutschland (IKD) in Osnabrück geschlossen werden. Für den Übergangsprozess werde die Fachaufsicht über die staatlich entsandten Religionsbeauftragten des Diyanet noch im Jahr 2024 auf Ditib übergehen.

Faeser: Meilenstein für Integration

Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) bezeichnete die Vereinbarung als "wichtigen Meilenstein für die Integration und die Teilhabe muslimischer Gemeinden in Deutschland". Weiter betonte sie: "Wir wollen, dass Imame sich in den Dialog zwischen den Religionen einbringen und Glaubensfragen in unserer Gesellschaft diskutieren."

Der Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Josef Schuster, erklärte, die Vereinbarung sei ein konsequenter Schritt der Bundesregierung. Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass der Einfluss der Türkei auf die 900 von Ditib betriebenen Moscheegemeinden nicht mehr tragbar sei. Auch in Zukunft müsse ein wacher Blick auf die noch eine Weile hoch bleibende Anzahl aus der Türkei entsandter Imame behalten bleiben. Der Islam müsse wie alle anderen großen Religionsgemeinschaften in Deutschland auf der Grundlage des Religionsverfassungsrechts die freiheitliche demokratische Grundordnung achten. Das habe die große Mehrheit der friedliebenden Muslime in Deutschland verdient, so Schuster.

Die deutsche Fahne, die tuerkische Fahne und eine DITIB -Fahne wehen am Eingang der Mannheimer Yavuz Sultan Selim Moschee.
Bild: ©picture alliance / Winfried Rothermel (Symbolbild)

Die vergangenen Wochen hätten gezeigt, dass der Einfluss der Türkei auf die 900 von Ditib betriebenen Moscheegemeinden nicht mehr tragbar sei, sagte Josef Schuster, Vorsitzender des Zentralrats der Juden in Deutschland.

Die Religionsbeauftragte der Grünen, Lamya Kaddor, sprach ebenfalls von einem ersten wichtigen Schritt. Damit werde die Einflussnahme der türkischen Religionsbehörde Diyanet beschränkt. Es bleibe abzuwarten, wie verlässlich Staatspräsident Erdogan bei dieser Entwicklung sei.

Dagegen sieht der Präsident der Konferenz der Europäischen Rabbiner (CER), Pinchas Goldschmidt, das Abkommen kritisch. Es könne "langfristig ein zaghafter Schritt in die richtige Richtung sein, ändert aber wenig an der aktuellen Situation, in der weiterhin von den von der türkischen Religionsbehörde Diyanet gesteuerten Imamen jede Woche aufs Neue einen negativen Einfluss auf ihre Gemeinden ausgeübt wird, in dem sie unverhohlen Antisemitismus und Israelhass verbreiten". Zu lange hätten der Bund und die Bundesländer einen zu naiven Umgang mit Diyanet gepflegt und ein Parallelsystem geduldet, das sich gerade heute gefährlich auf den Zusammenhalt und das friedliche Zusammenleben unserer Gesellschaft auswirke.

Die Diyanet-Imame sind hauptsächlich in den von Ditib getragenen Moscheen tätig. Einige Dutzend von ihnen predigen laut Informationen der Bundesregierung in den Gemeinden der Union der Türkisch-Islamischen Kulturvereine in Europa (ATIB) und von Milli Görüs. Die beiden Verbände werden im aktuellen Jahresbericht des Bundesamtes für Verfassungsschutz erwähnt. (KNA)