Bischof Bonnemain: Kirche muss bei Missbrauch auf sich selbst zeigen
Der Churer Bischof Joseph Bonnemain hat angesichts zahlreicher Missbrauchsfälle ein Umdenken in der Kirche angemahnt. "Es hilft niemandem, wenn wir mit dem Finger auf andere zeigen. Wir müssen mit dem Finger auf uns zeigen", sagte er der "Aargauer Zeitung" am Montag. Es gehe nicht darum, die Institution zu verteidigen. "Die Kirche soll für die Menschen da sein."
Er habe Verständnis dafür, wenn Menschen deswegen Mühe mit der Institution Kirche hätten. "Ich verstehe aber nicht, wenn sie den Glauben an die katholische Gemeinschaft von Liebenden und Hoffenden verlieren." In diesem Zusammenhang widersprach er auch dem ehemaligen Papst Benedikt XVI., der unter anderem die 1968er für am Missbrauch mitschuldig befunden hatte. "Nach meiner Erfahrung sind die schrecklichsten Missbrauchsfälle gerade in den 1950er-Jahren passiert, also vor 1968." Er selbst schalte bei Missbrauchsvorwürfen "konsequent die Staatsanwaltschaft ein", selbst wenn Täter gestorben oder die Tat wahrscheinlich verjährt sei.
Priesterbilder überwinden
Im Zusammenhang damit mahnte er die Überwindung althergebrachter Priesterbilder an. "Priester sind keine besseren Christen", so Bonnemain. "Das Christentum besteht aus Suchenden, die gemeinsam unterwegs sind. Auf diesem Weg gibt es keine Hierarchien, in dem die Priester über dem Volk Gottes stehen." Um Missbrauch zu vermeiden, führe man in seiner Diözese Assessments bei Priesteramtskandidaten durch. Damit könnten auffällige, unreife Personen besser erkannt werden. "Es wäre aber naiv, zu glauben, dass wir damit niemanden mehr zulassen, der sich später nicht korrekt verhält."
Gemeinsam mit dem Baseler Bischof Felix Gmür ist Bonnemain bei der Schweizer Bischofskonferenz verantwortlich für die Kommission "Genugtuung für Opfer von verjährten sexuellen Übergriffen im kirchlichen Umfeld" und für das Fachgremium "Sexuelle Übergriffe im kirchlichen Umfeld". (cph)