Beschwerde gegen katholische Kirche in Belgien erfolgreich

Datenschutzaufsicht: Kirche muss Einträge aus Taufregister löschen

Veröffentlicht am 19.12.2023 um 13:14 Uhr – Lesedauer: 

Brüssel/Gent ‐ Einmal getauft, immer getauft – dieser theologische Grundsatz zeigt sich auch in Kirchenbüchern: Taufeinträge werden nie gelöscht, selbst wenn die Getauften das wollen. Für die belgische Datenschutzaufsicht ist Theologie kein schlagendes Argument.

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Die Diözese Gent muss den Taufeintrag eines aus der Kirche Ausgetretenen aus den Kirchenbüchern entfernen. Am Dienstag veröffentlichte die belgische Datenschutzaufsicht ihre Entscheidung und ordnete an, dass das Bistum den Löschantrag umsetzen muss. Der Beschwerdeführer hatte sich 2021 an das Bistum gewandt und unter Verweis auf seine Datenschutzrechte gefordert, seine Daten aus den Kirchenbüchern zu entfernen. Das Bistum hatte das Löschersuchen abgelehnt und mitgeteilt, dass im Taufbuch lediglich ein Vermerk über den Kirchenaustritt angebracht werden könne. "Aus datenschutzrechtlicher Sicht ist die lebenslange Verarbeitung von Daten sensibler Natur einer Person, die den Austritt aus der Kirche beantragt hat, nicht zu rechtfertigen, wenn diese Verarbeitung nicht verhältnismäßig oder für die – wenn auch berechtigten – Interessen der Kirche unbedingt erforderlich ist. Diese Bedingungen sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt", erklärte der Vorsitzende der Beschwerdekammer der Datenschutzaufsicht, Hielke Hijmans.

Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, die beteiligten Parteien können innerhalb von 30 Tagen Widerspruch einlegen. Gegenüber katholisch.de teilte ein Sprecher des Bistums Gent am Dienstagabend mit, dass die Diözese die Entscheidung zunächst ausführlich prüfen werde und Rechtsmittel in Betracht ziehe. "Die Entscheidung hat uns überrascht, weil zum Beispiel die irische Datenschutzaufsicht im Februar dieses Jahres in einem ähnlichen Fall eine gegenteilige Entscheidung getroffen hat", so der Sprecher weiter.

Die Aufsicht folgte der Position der Kirche nicht, dass die Dokumentation der Taufe lediglich ein historisches Faktum darstelle, das zudem für religiöse Zwecke erforderlich sei. Zwar habe die Kirche ein berechtigtes Interesse an den Taufeinträgen, dieses überwiege aber nicht die Interessen der betroffen Person, stellte die Datenschutzaufsicht fest und führte dafür zwei Gründe an: Zum einen führe die Führung eines Taufregisters auf Papier allein in der Taufpfarrei dazu, dass bereits jetzt nicht zweifelsfrei festgestellt werden könne, ob eine Person wirklich getauft wurde. "Die Datenverarbeitung, wie sie heute durchgeführt wird, verhindert also nicht, dass jemand dasselbe Sakrament zweimal empfängt, und ist daher von vornherein ungeeignet, um das gewünschte Ziel zu erreichen", so die Aufsicht. Außerdem sei eine lebenslange Speicherung der Daten unverhältnismäßig, sobald eine Person den ausdrücklichen Wunsch bekundet, sich von der katholischen Kirche loszusagen. In diesem Fall hätten die Interessen der betroffenen Person Vorrang vor denen der Kirche.

In Belgien stiegen nach der Ausstrahlung einer TV-Dokumentation über Missbrauch in der Kirche im September die Kirchenaustrittszahlen an. Im Zuge der landesweiten Diskussion wurde auch der Umgang der Kirche mit Kirchenaustritten angefragt. Vor allem die Weigerung, Taufeinträge bei Austritt zu löschen, stieß auf massive Kritik. Die Entscheidung der belgischen Datenschutzaufsicht ist die erste, in der ein Löschrecht bestätigt wurde. Ebenfalls im September veröffentlichte die irische Datenschutzaufsicht eine umfangreiche Entscheidung, in der sie zum gegenteiligen Schluss kam und eine Beschwerde gegen die Erzdiözese Dublin ablehnte. Der nun von der belgischen Datenschutzaufsicht entschiedene Fall geht auf eine Beschwerde aus dem Jahr 2021 zurück. Nach Angaben der Behörde liegen ihr noch weitere Verfahren aus dem Themenbereich des Kirchenaustritts vor. (fxn)

20. Dezember 2023, 6.30 Uhr: Ergänzt um Stellungnahme des Bistums Gent.