Dekret stellt Akten über Strafsachen Interventionsakten gleich

Bistum Essen erleichtert Zugriff auf Akten im Geheimarchiv

Veröffentlicht am 22.12.2023 um 09:21 Uhr – Lesedauer: 

Essen ‐ Bischöfe müssen ein Geheimarchiv haben – das besonders geschützte Archiv stellt immer wieder ein Hindernis bei der Aufarbeitung von Missbrauch dar. Im Bistum Essen wird der Zugang zu einschlägigen Dokumenten nun vereinfacht.

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Das Bistum Essen erleichtert die Verwendung von Akten zu Strafsachen im bischöflichen Geheimarchiv unter anderem für die Missbrauchsaufarbeitung. Im aktuellen Amtsblatt setzte Bischof Franz-Josef Overbeck ein "Dekret über die Verwaltung des Geheimarchivs" in Kraft. Im Geheimarchiv werden besonders schutzbedürftige Dokumente untergebracht. Akten im Zusammenhang mit Strafsachen werden dem Dekret zufolge in den Bestand der Interventionsakten gegeben und nach den dazu gelten Bestimmungen verwaltet.

Nur der Generalvikar hat den Bestimmungen zufolge zusätzlich zum Bischof unbeschränkten Zugang zum Geheimarchiv. Generell sieht das Dekret eine Vereinfachung des Umgangs mit Geheimarchiv-Dokumenten vor und regelt ihre Herausgabe, die nun möglich ist, wenn das zwingend nötig ist. Dabei ist die Herausgabe und Rückgabe schriftlich zu dokumentieren, bei Durchsicht mehrerer Akten und systematischer Arbeit mit Archivgut ist die ausdrückliche Genehmigung des Bischofs erforderlich. Alle, die Zugang zu Geheimarchivmaterial haben, unterliegen einer strengen Verschwiegenheitspflicht.

Schweizer Bischöfe wollen vom Papst Rechtsänderung zum Geheimarchiv

Das universale Kirchenrecht schreibt vor, dass es in jeder Bistumsverwaltung ein Geheimarchiv geben muss, zu dem nur der Bischof einen Schlüssel haben darf und aus dem keine Dokumente herausgegeben werden dürfen. Vorgeschrieben ist die Aufbewahrung im Geheimarchiv für Dokumente über geheim erteilte eherechtliche Dispense, geheim geschlossene Ehen sowie kirchenrechtliche Verwarnungen, Verweise und Voruntersuchungen. Der Bischof kann weitere Akten und Vorgänge im Geheimarchiv ablegen. Vor allem die Regelung, dass Akten zu Strafsachen in Sittlichkeitsverfahren nach dem Tod des Angeklagten oder zehn Jahre nach dem Urteil vernichtet werden müssen, ist im Zuge der Missbrauchsaufarbeitung wiederholt kritisiert worden. Lediglich ein kurzer Tatbestandsbericht mit dem Wortlaut des Endurteils ist dauerhaft aufzubewahren.

Auf Anfrage teilte ein Bistumssprecher mit, dass nach Ansicht der Diözese alle Regelungen des Dekrets mit dem universalen Kirchenrecht vereinbar sind: "Die Einholung einer Dispens von den genannten Normen war daher nicht notwendig." Der Zugang des Generalvikars widerspreche nicht der Regelung, dass nur der Bischof einen Schlüssel haben darf, da er lediglich stets Zugang erhält, nicht aber einen eigenen Schlüssel. "Der Bischof von Essen erklärt darin, dass er seinem Generalvikar stets den Zugang zum Geheimarchiv gestattet. Dahinter stehen praktische Erwägungen, weil er ansonsten diese Entscheidung in jedem Einzelfall immer wieder aufs Neue treffen müsste." Die Möglichkeit einer Herausgabe von Dokumenten im Einzelfall mache transparent, "unter welchen engen Voraussetzungen im Bistum Essen Ausnahmen von can. 490 § 3 CIC möglich sind". Die Möglichkeit solcher Ausnahmen entspreche der Position der kirchenrechtlichen Literatur. Auch der Umgang mit der Vernichtung von Dokumenten ist nach Ansicht der Diözese zulässig. Die vorgeschriebene Pflicht folge rein praktischen Erwägungen: "Manche Diözesen auf der Welt haben schlicht keinen Platz, um solche Unterlagen unter den Vorgaben der strikten Geheimhaltung ewig aufzubewahren. Deshalb soll jährlich überprüft werden, welche Akten aus dem Geheimarchiv zur Vernichtung in Betracht kommen." Falls diese jährliche Prüfung ergebe, dass bestimmte Akten vernichtet werden können, heißt das aber nicht zwingend, dass diese Akten auch unverzüglich vernichtet werden müssen, so der Sprecher. Vielmehr könne es in einer Diözese gewichtige Gründe geben, an sich vernichtungsfähige Akten über den festgeschriebenen Zeitraum hinaus aufzubewahren.

Die Schweizer Bischöfe haben im September nach der Pilotstudie zu Missbrauch angekündigt, auf die vorgeschriebene Aktenvernichtung bei Missbrauchsakten ab sofort zu verzichten. Gegenüber katholisch.de teilte eine Sprecherin des für die Missbrauchsaufarbeitung zuständigen Churer Bischofs Joseph Bonnemain mit, dass die Bischöfe dem Papst eine Streichung der Aktenvernichtungspflicht aus dem Universalkirchenrecht vorschlagen wollen. Nach ersten Gesprächen mit Rom zeigte sich die Schweizer Bischofskonferenz optimistisch, dass ihre Vorschläge auf Zustimmung stoßen. (fxn)

16. Januar 2024, 13.30 Uhr: Ergänzt um Informationen des Bistums Essen.