Die deutschen Bischöfe haben Lockerungen im kirchlichen Arbeitsrecht beschlossen

Den Einzelfall prüfen

Veröffentlicht am 07.05.2015 um 00:00 Uhr – Von Björn Odendahl – Lesedauer: 
Recht

Bonn ‐ Die deutschen Bischöfe haben Lockerungen im kirchlichen Arbeitsrecht beschlossen. Die Änderungen betreffen unter anderem Wiederverheiratete und Homosexuelle.

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Damit seien die Anforderungen an die Mitarbeiter im kirchlichen Dienst den "vielfältigen Veränderungen in der Rechtsprechung, Gesetzgebung und Gesellschaft angepasst worden", heißt es in der Mitteilung. Die Vollversammlung des Verbandes der Diözesen Deutschlands (VDD) hatte den Beschluss zur Änderung der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" nach Angaben der DBK bereits in der vergangenen Woche gefasst. Er tritt für die einzelnen Diözesen jedoch erst dann in Kraft, wenn er im jeweiligen Kirchlichen Amtsblatt veröffentlicht wird. Geschieht das nicht, bleibt die bisherige Rechtslage bestehen.

Immer wieder war es in der Vergangenheit zu Konflikten und juristischen Auseinandersetzungen gekommen. Und zwar da, wo das Selbstbestimmungsrecht der Kirche mit staatlichem Recht kollidierte, mit der Meinungs- und Glaubensfreiheit, mit dem Recht auf Privatsphäre oder dem Antidiskriminierungsgesetz. Deshalb haben die Bischöfe bereits seit längerer Zeit über mögliche Lockerungen der sogenannten Loyalitätsanforderungen für ihre Mitarbeiter beraten. Seit 2012 hat zudem eine bischöfliche Arbeitsgruppe an der Neufassung der "kirchlichen Grundordnung" mitgewirkt.

Linktipp: Wo liegen die Unterschiede?

Wo wird das kirchliche Arbeitsrecht gelockert? Wir dokumentieren wichtige Passagen der alten und neuen Grundordnung. (Artikel vom 7. Mai 2015)

Die neuen Bestimmungen sehen unverändert vor, dass es bei einem "schwerwiegenden Verstoß gegen die Loyalitätsanforderungen" zu entsprechende arbeitsrechtlichen Sanktionen kommen kann. Bei der Ahndung gelte künftig jedoch "das Ultima-Ratio-Prinzip", das die Kündigung nur als allerletztes Mittel vorsieht. Zuvor sollen Optionen wie Abmahnungen oder Versetzungen geprüft werden. Als schwerwiegende Verstöße für alle Mitarbeiter gelten unter anderem das öffentliche Eintreten gegen tragende Grundsätze der katholischen Kirche – wie das Werben für Abtreibung oder Fremdenhass – oder das Verunglimpfen von katholischen Glaubensinhalten, Riten oder Gebräuchen.

Katholiken können andere Loyalitätsverstöße begehen

Zudem unterscheidet die Neufassung der Grundordnung erstmals zwischen Loyalitätsverstößen, die für alle Mitarbeiter gelten, und solchen, die nur von Katholiken begangen werden können. Zu Letzteren zählen unter anderem Kirchenaustritte oder Handlungen, die kirchenrechtlich als eindeutige Distanzierung von der katholischen Kirche anzusehen sind. Das meint vor allem Häresie , also die Verbreitung von Irrlehren, und Apostasie, den Abfall vom Glauben.

Der arbeitsrechtliche Umgang mit wiederverheirateten Geschiedenen wird in Zukunft differenzierter betrachtet. Wer eine zweite Zivilehe eingeht, bei dem müssen "besondere Umstände" vorliegen, damit er oder sie künftig gekündigt wird. Das sei beispielsweise dann der Fall, wenn es zu einem "erheblichem Ärgernis in der Dienstgemeinschaft" komme oder die Glaubwürdigkeit der Kirche beeinträchtigt werde. Auch die berufliche Stellung des Mitarbeiters oder der Umgang mit dem Scheitern der Ehe in der Öffentlichkeit können relevant sein. Notwendig sei immer eine Gesamtbeurteilung. Dasselbe gelte für das Eingehen einer eingetragenen Lebenspartnerschaft.

Service: Die neue Grundordnung online

Den neuen Text der "Grundordnung des kirchlichen Dienstes im Rahmen kirchlicher Arbeitsverhältnisse" gibt es bei der Deutschen Bischofskonferenz als pdf-Datei zum Herunterladen:

Bei bestimmten Berufsgruppen bestehen allerdings weiterhin erhöhte Loyalitätserwartungen. Hierzu zählen Lehrer, Gemeinde- und Pastoralreferenten, Katechten oder Mitarbeiter, die in einer besonderen bischöflichen Beauftragung tätig sind. Ein schwerwiegender Loyalitätsverstoß sei bei diesen Personengruppen in jedem Fall geeignet, die Glaubwürdigkeit der Kirche zu beeinträchtigen – und schließt eine Weiterbeschäftigung in der Regel aus.

Laut Beschluss des VDD sind außerdem in jedem Bistum zentrale Stellen vorgesehen, die vor einer Kündigung aufgrund eines Loyalitätsverstoßes kontaktiere werden müssen. Damit soll künftig eine einheitliche Rechtsanwendung sichergestellt werden.

Die Änderungen der kirchlichen Grundordnung betreffen neben dem individuellen auch das kollektive Arbeitsrecht. So ist es künftig Gewerkschaften erlaubt, an kirchlichen "Tarifverhandlungen" teilzunehmen. Ebenfalls neu geregelt wurde das Zugangsrecht der Gewerkschaften zu kirchlichen Einrichtungen. Gewerkschafter erhalten demnach Zutritt zu kirchlichen Einrichtungen, auch wenn sie nicht im Dienst der Kirche stehen. Hier dürfen sie künftig für den Beitritt werben, über deren Aufgabe informieren und ihre Mitglieder betreuen.

Von Björn Odendahl

Hintergrund

Die kirchliche Grundordnung ist die wichtigste Rechtsquelle des Arbeitsrechts in der katholischen Kirche. Ihre zehn Artikel bilden die Grundpfeiler der kirchlichen Arbeitsrechtsverfassung. Der bestehenden bischöflichen Arbeitsgruppe gehören mehrere Diözesanbischöfe sowie weitere Rechtsexperten an. Geleitet wurde diese Gruppe bis zu seiner Emeritierung vom Freiburger Erzbischof Robert Zollitsch. Seit dem 29. Juni 2014 ist Kardinal Rainer Maria Woelki, Erzbischof von Köln, Vorsitzender.