"Mehr"-Festival: Zwischen Kasse, Christen-Freude und Katechismus
Eigentlich ist man von der "Mehr" ja Perfektion gewohnt: vollendete Inszenierungen von Licht und Klang, vollkommene Hingabe auf der Bühne, beste Laune im Publikum. Diesmal jedoch gab's ein kleines Missgeschick kurz vor dem Start der ökumenisch ausgerichteten Zusammenkunft zum Fest des Glaubens, die von Donnerstag bis Sonntag in der Augsburger Messe stattfand: Via Instagram wünschten die Organisatoren ein frohes neues Jahr – allerdings schon in der Nacht auf Silvester.
Vielleicht war die Vorfreude einfach zu groß, schließlich hatte es seit dem Ausbruch der Corona-Pandemie keine "Mehr" mehr gegeben. Nun war es wieder so weit: Rund 11.000 Menschen besuchten nach Veranstalterangaben das Spektakel, hinter dem das Augsburger Gebetshaus des katholischen Theologen Johannes Hartl steht.
Nach dem Lapsus im Vorfeld lief bei der 13. Ausgabe der "Mehr" dann alles wie gewohnt. Gewohnt gekonnt wie bei einer großen Samstagabend-Fernsehshow: Zig Scheinwerfer tauchten die Haupthalle in mal gleißend-, mal gedimmt-buntes Licht, unzählige Lautsprecher sorgten für tadellose Akustik, und überlebensgroße Bildschirme zeigten mal sphärisch anmutende Farbkompositionen an, mal Countdowns bis zum Start des nächsten Programmpunkts.
Zwischen Miss Germany und Alpha-Kurs
Die Ehre gaben sich sodann zum Beispiel Kira Geiss, Miss Germany 2023 und angehende evangelische Religionspädagogin, Nicky und Pippa Gumbel, Förderer des "Alpha"-Kurses, einer weltweit verbreiteten Einführung in den christlichen Glauben, und die O'Bros, zwei Brüder, die mit christlichen Texten Hip-Hop machen. Auch hohe kirchliche Würdenträger traten auf: der Wiener Kardinal Christoph Schönborn, Augsburgs Bischof Bertram Meier und sein Weihbischof Florian Wörner.
Gebetshaus-Leiter Hartl hatte zwar im Vorfeld der "Mehr" gesagt, im Mittelpunkt stehe nicht die Kirche, sondern der Glaube an Gott. Gleichwohl pries der Moderator, der Schönborn ankündigte, diesen als kirchlichen Superstar an. Schönborn sei einer der ranghöchsten Vertreter des katholischen Klerus, er dürfe sogar den Papst mitwählen!
Der Kardinal warb bei seinem Vortrag für das Offenhalten von Kirchen. Zudem mahnte er: "Wir müssen unseren Glauben bezeugen können, auch inhaltlich." Er verwies auf den katholischen Katechismus. Es brauche so "ein ordentliches Handbuch" für den Glauben – auch wenn es "in Deutschland nicht so gerne gelesen" werde. Das Gespräch mit anderen Konfessionen und Religionen könne nur führen, wer selbst fest im Glauben verwurzelt sei.
Das Thema Ökumene sprach auch Bischof Meier an: "Die Taufe ist die gemeinsame Basis, die uns alle als Christen verbindet", sagte er in einem Gottesdienst. "Auf dieser Grundlage können wir auch gemeinsam Zeugnis geben für das Evangelium."
Christliche Masse
Gemeinsam Zeugnis geben – aus diesem Grund war Andrea Leckel zur "Mehr" gekommen. "Hier spürt man, dass der Glaube noch lebt, daheim in der Gemeinde fehlt das manchmal, insbesondere die Jugend fehlt da", sagte die 43-Jährige aus Bayerisch-Schwaben. Es sei schön, auf der "Mehr" in eine Masse von Christinnen und Christen einzutauchen. Trotz der großen Menschenmenge sei alles friedlich, ergänzte ihre Begleiterin Veronika Konrad, 72. "Hier sind alle freundlich."
In der Tat: Beim Schlendern durch die Messe war mehr Frohmut zu sehen als in jeder Fußgängerzone. Sobald jemand einen anderen aus Versehen anrempelte, gab's gleich – rasch die Hand aufs Herz – eine große Entschuldigung. Was nicht aufgesetzt wirkte, sondern wirklich durchdrungen von Nächstenliebe. Passend, trugen doch viele Menschen Pullis mit Kreuzen und "Jesus"-Aufschrift drauf.
Dass man mal jemandem in die Hacken lief, kam vor – bei 11.000 Leuten entsteht eben Gedränge. Die Besucherzahlen seien nicht so wichtig, hatte Johannes Hartl zum "Mehr"-Start betont. Entscheidend sei eine andere Summe: "Im Gebetshaus wird seit 2011 ohne Unterbrechung gebetet, 24/7 seit über 100.000 Stunden. Alles Sichtbare ist nur Frucht des Verborgenen." Unbeschadet dessen zeigte sich Hartl auf der "Mehr" vom Andrang überwältigt. Mit so vielen Menschen habe er nicht gerechnet, andere Events seien wegen Corona eingegangen. Hätte man das geahnt, hätte man noch eine weitere Halle gebucht.
Teure Tickets
Apropos Zahlen: Wie schon früher gab's Kritik an den Eintrittspreisen. "Mehr"-Karten kosteten bis zu 299 Euro – Sonderprogramm wie Speeddating exklusive. "Religion ist kein Geschäftsmodell", ärgerte sich etwa eine Kommentatorin bei Instagram.
Zwar lautete das "Mehr"-Motto "God is here" ("Gott ist hier"). Geld aber auch, das sah man in der Ausstellungshalle. Dort präsentierten sich rund 160 Organisationen: christliche Stätten und Gemeinschaften, Verlage, auch Technikunternehmen. Auf Bannern stand viel von Mission und Jüngerschaft, Ess- und Trinkstände gab's ebenso, "Bible Power" prangte gegenüber von Bier- und Pommesbuden. Und mittendrin: ein riesiges Merchandise-Areal des Gebetshauses. Obendrüber hing weithin sichtbar ein roter Würfel von der Decke. Aufschrift: "Kasse". Man mache mit der "Mehr" keinen Gewinn, hieß es vom Gebetshaus dazu. Dessen ungeachtet soll das Spektakel wiederkehren: vom 3. bis 6. Januar 2026.