Charlotte Hülsmann hat den "T_Raum" absolviert

Wie ein Orientierungsjahr meinen Glauben vertieft hat

Veröffentlicht am 11.01.2024 um 00:01 Uhr – Von Christoph Paul Hartmann – Lesedauer: 
Wie ein Orientierungsjahr meinen Glauben vertieft hat
Bild: © Privat

Berlin ‐ Ein Jahr lang mit Kindern und Jugendlichen arbeiten und dabei gleichzeitig etwas über den Glauben lernen – das hat Charlotte Hülsmann sehr verändert. Im katholisch.de-Interview erzählt sie, warum das Jahr eine der besten Entscheidungen ihres Lebens war.

  • Teilen:

Einen Freiwilligendienst machen und dabei gleichzeitig den eigenen Glauben besser kennenlernen – das will das christliche Orientierungsjahr "T_Raum" des Erzbistums Berlin. Die 21-jährige Charlotte Hülsmann hat dieses Jahr absolviert und erzählt im Interview von ihren Erfahrungen und Erlebnissen.

Frage: Frau Hülsmann, warum gerade der T-Raum?

Hülsmann: Eigentlich komme ich gar nicht aus dem Erzbistum Berlin, sondern aus Niedersachsen. Ich hatte eines Tages eine Mail von meiner Religionslehrerin im Postfach, in der sie mir das Angebot empfohlen hat. Das hat mich zum richtigen Zeitpunkt getroffen: Ich hatte gerade Abitur gemacht, wollte aber mitten in der Corona-Zeit nicht direkt mit dem Studium anfangen. Das Themenfeld hat mich dann auch noch interessiert. Das Christian-Schreiber-Haus, in dem das Jahr vor allem stattfand, ist eine Kinder- und Jugendbildungsstätte, vor allem Schulklassen und Freiwilligengruppen kommen dort hin. Jugendarbeit hat mich sowieso interessiert. Dazu noch den eigenen Glauben vertiefen zu können, war ein weiterer Pluspunkt. Beim Bewerberwochenende haben mir dann das Haus und die Atmosphäre sofort gefallen und deshalb habe ich mich gefreut, als ich angenommen wurde.

Frage: Wie wichtig war Ihnen die religiöse Dimension?

Hülsmann: Ich wurde katholisch erzogen, zwar nicht streng, aber der Glaube war ein steter Begleiter zu Hause und auf der katholischen Schule, die ich besucht habe. Es hat mich gereizt, in diesen Glauben tiefer eintauchen zu können und mehr darüber zu erfahren. Nicht nur über meinen eigenen Glauben, sondern auch über andere Religionen. Ich wollte meinen Glauben bewusster in meinen Alltag einbeziehen und ihn nicht nur "nebenherlaufen" lassen.

Frage: Was haben Sie in Ihrem Orientierungsjahr gemacht?

Hülsmann: Im Haus gibt es den pädagogischen und den hauswirtschaftlichen Bereich, ich war im ersten. Einen ganz typischen Tagesablauf gab es nicht, aber der Tag begann in der Woche mit einem gemeinsamen Morgenimpuls, welchen immer andere von uns Freiwilligen vorbereitet hatten. Danach ging es um organisatorische Fragen. Wir haben Workshops und Veranstaltungen für die Gruppen geplant und erarbeitet, die zu Besuch kommen. Dazu gehörte etwa Backen am Lehmbackofen, Klettern an der Kletterwand, Teamspiele oder eine nächtliche Wanderung. Nach Mittagsgebet und Mittagessen haben wir entweder mit einer der Gruppen gearbeitet, die im Haus war oder wir haben weiter geplant. Dazu kamen dann noch die Planung und Durchführung hausinterner Veranstaltungen in der Advents- und Fastenzeit. Einmal in der Woche gab es einen "T_Raum-Vormittag", an dem es um uns ging: Es gab ganz verschiedene Impulse rund um den katholischen Glauben, aber es war auch mal ein Buddhist da oder es ging um die Theodizee. Da hatten wir wirklich ein breitgefächertes Spektrum. Wir konnten uns auch mit eigenen Themen einbringen. Dazu kam noch einmal in der Woche ein Berufungs-Coaching. Dabei ging es um unsere persönlichen Stärken, Wünsche für die Zukunft und wichtige Dinge im Leben.

Frage: Wie war die Arbeit mit den Kindern und Jugendlichen für Sie?

Hülsmann: Das war eine sehr schöne Erfahrung. Natürlich kannte ich die Kinder- und Jugendarbeit schon ein bisschen aus meiner eigenen Gemeinde. Aber fasziniert hat mich, wie man sich immer wieder auf neue Gruppen einlassen muss: Was bei der einen Gruppe super funktioniert, kann bei der nächsten so überhaupt nicht funktionieren. Die Kinder und Jugendlichen haben einfach sehr viel Power und gerade die eigenen Veranstaltungen, die wir geplant haben, waren noch mal besonders: Für eine Gruppe selbst verantwortlich zu sein und Programm zu gestalten, ist eine besondere Herausforderung. Ich habe dabei aber auch gemerkt, dass ich diese Arbeit sehr genieße. Dazu hatte ich viel Kontakt mit den Lehrerinnen und Lehrern – ich hatte überlegt, Lehrerin zu werden und habe viel Input bekommen.

Bild: ©Christian-Schreiber-Haus/Benjamin Maltry

Sie habe "sehr viel Freude daran gefunden, einfach mit Kindern Dinge zu tun, die nichts mit Leistung zu tun haben", sagt Charlotte Hülsmann.

Frage: Wie hat Sie dieses Jahr verändert?

Hülsmann: Ich bin in diesem Jahr mir selbst gegenüber selbstbewusster geworden. Aufgaben, die ich vorher für schwer gehalten habe, waren auf einmal für mich Alltag. Ich musste spontan sein und flexibel agieren, wenn eine Gruppe auf eine Aktion nicht angesprungen ist. Dazu habe ich mich und meinen Glauben in den Reflexionsformaten viel besser selbst kennengelernt. Ich weiß jetzt besser, wo meine Stärken und Schwächen liegen, wie mein Glaube ist und was er für mich bedeutet, zum Beispiel im Hinblick auf die relevanten Werte im Leben.

Frage: Sie haben gesagt, dass Sie auch vorher schon mit der Jugendarbeit geliebäugelt haben – hat sich daran noch etwas geändert?

Hülsmann: Ich habe auf jeden Fall gemerkt, dass Kinder- und Jugendarbeit ein Bestandteil meines zukünftigen Arbeitens sein soll und kann mir auch immer noch vorstellen, ins Lehramt zu gehen. Ich habe aber auch sehr viel Freude daran gefunden, einfach mit Kindern Dinge zu tun, die nichts mit Leistung zu tun haben. Wo es einfach nur um sie als Person geht.

Frage: Was haben Sie gemacht, nachdem das Jahr vorbei war?

Hülsmann: Ich habe nochmal ein halbes Jahr im Haus im Rahmen eines Freiwilligen Sozialen Jahres gearbeitet. Jetzt habe ich mich entschlossen, erstmal Politikwissenschaften zu studieren, um dann damit in irgendeiner Art und Weise als Referentin tätig zu werden. Ich lasse mir aber die Option offen, damit auch ins Lehramt zu gehen.

Frage: Das hat aber keine direkte Verbindung zur Kinder- und Jugendarbeit.

Hülsmann: Richtig. Immer wieder stand auch die Option im Raum, Theologie zu studieren, was mich fachlich auch sehr interessiert. Allerdings gab es mehrere Punkte, die mich dazu bewegt haben, mich für ein weiteres Interesse, nämlich der Politik zu entscheiden, um dann als Referentin oder auch Lehrerin zu arbeiten. Später kann ich mir gut vorstellen, auch noch den Raum für Theologie zu öffnen Damit hätte ich dann auch die Möglichkeit, in die christliche Kinder- und Jugendarbeit zu gehen.

Bild: ©sevens+maltry

"Ich habe in diesem Jahr gelernt, dass es immer eine Lösung gibt – und das ist oft nicht die, die man sich am Anfang überlegt hat", zieht Charlotte Hülsmann Resümee.

Frage: Dieses Jahr hat also auch dazu geführt, dass Sie sich die Kirche als Arbeitgeberin vorstellen könnten?

Hülsmann: Ja, ich will mir aber alle Optionen offenlassen. Grundsätzlich kann ich es mir aber vorstellen.

Frage: Wie hat Sie dieses Jahr persönlich verändert?

Hülsmann: Ich glaube, ich gehe an viele Dinge lockerer und nicht mehr so sehr stark verkopft und perfektionistisch heran. Da bin ich schon flexibler und offener geworden. Ich habe in diesem Jahr gelernt, dass es immer eine Lösung gibt – und das ist oft nicht die, die man sich am Anfang überlegt hat. Zum Orientierungsjahr gehörte auch ein Auslandsaufenthalt. Der hat mich auf jeden Fall selbstsicherer gemacht: Zwei Wochen allein in Schweden leben und arbeiten, das bekomme ich hin.

Frage: Wo waren Sie dort?

Hülsmann: Im Gästehaus der Birgittenschwestern im schwedischen Vadstena. Das ist auch eine Einsatzstelle vom Praktikum im Norden. Ich war im Februar da und es waren nur wenige Leute dort – es war also ganz anders als im Christian-Schreiber-Haus. Es ging um ganz andere Tätigkeiten: Frühstück machen, die Kirche saugen oder die Bibliothek aufräumen. Ich hatte dort mehr Zeit für mich – und ich konnte dort noch stärker wahrnehmen, dass die Katholische Kirche eine Weltkirche ist und dadurch auch den schwedischen Gottesdienst ganz normal mitfeiern, der Ablauf ist ja immer der gleiche. Vielleicht hat das unter anderem dazu geführt, dass ich mich durch das Vertraute viel schneller dort zu Hause gefühlt habe.

Frage: Was ist Ihr Fazit nach diesem Jahr?

Hülsmann: Das war auf jeden Fall eine der besten Entscheidungen meines Lebens. Ich habe mich dort super wohl gefühlt und bin sehr froh, dass ich durch ehrenamtliche Tätigkeiten dem Haus verbunden bleiben kann. Es war eine tolle Zeit und ich habe viele Menschen kennengelernt, mit denen ich immer noch Kontakt habe.

Von Christoph Paul Hartmann