Verband hat seit 2020 über 90.000 Mitglieder verloren

Kfd-Bundesvorsitzende Heil: Gab keine Alternative zur Beitragserhöhung

Veröffentlicht am 18.01.2024 um 00:01 Uhr – Von Christoph Brüwer – Lesedauer: 

Düsseldorf ‐ In den vergangenen drei Jahren hat die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) über ein Viertel ihrer Mitglieder verloren. Im katholisch.de-Interview verteidigt die Bundesvorsitzende Mechthild Heil die Beitragserhöhungen und erklärt auch, was der Verband gegen die Austrittswelle tun will.

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Die Mitgliederzahlen, die die Katholische Frauengemeinschaft Deutschlands (kfd) am Montag vorgelegt hat, sind dramatisch: Über 90.000 Frauen haben dem Verband in den vergangenen drei Jahren den Rücken gekehrt. Jede einzelne Abmeldung schmerze sie, sagt kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil im katholisch.de-Interview. Sie erklärt auch, warum es bei den Austritten nicht nur um die Beiträge geht.

Frage: Frau Heil, die kfd hat in den vergangenen drei Jahren ein Viertel ihrer Mitglieder verloren. Was macht diese schiere Zahl mit Ihnen?

Heil: Wir waren natürlich nicht ganz unvorbereitet und wissen auch um die Altersstruktur in unserem Verband. Aber jede einzelne Frau und jede einzelne Gruppe, die sich abmeldet, schmerzt.

Frage: Einer der Gründe für die zahlreichen Austritte aus der kfd ist der Beitragssatz. Etliche Mitglieder seien nicht bereit, mehr Beitrag zu bezahlen, heißt es in einem Statement Ihres Verbandes. Haben Sie Verständnis dafür?

Heil: Ich muss das akzeptieren, wenn Frauen das so sehen. Ich habe aber oft den Eindruck, dass das nur der Anlass ist und nicht der einzige Grund dafür, auszutreten. Wenn sich ganze Ortsverbände auflösen, liegt das auch oft daran, dass sich kein Leitungsteam mehr findet und niemand, der den Vorsitz machen möchte. Das Problem liegt also an einer anderen Stelle und es ist nicht allein der Beitrag.

Frage: Gab es denn Diskussionen, ob Sie die Beitragserhöhung wieder zurücknehmen? Vielleicht würden dann ja jüngst ausgetretene Mitglieder zurückkehren …

Heil: Ja, wir haben lange darüber diskutiert, ob wir das machen können. Aber finanziell war das keine Alternative. Wir brauchen das Geld, um finanziell stark zu bleiben. Wenn der Bundesverband in die Knie gehen und insolvent werden würde, dann wäre ja auch niemandem geholfen. Wir haben schon an allen Ecken und Enden gespart und konnten nicht mehr anders, als die 2019 diskutierte und 2021 von den Delegierten der kfd demokratisch beschlossene Erhöhung auch umzusetzen. Danach haben auch einzelne Diözesanverbände ihre Beiträge erhöht, weil sie ebenfalls finanziellen Druck haben.

Bild: ©KNA/Julia Steinbrecht

Aus finanzieller Sicht habe es keine Alternative zur Beitragserhöhung gegeben, sagt die kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil. "Wenn der Bundesverband in die Knie gehen und insolvent werden würde, dann wäre ja auch niemandem geholfen."

Frage: Was bedeutet dieser Mitgliederrückgang denn konkret für die Verbandsarbeit der kfd?

Heil: Ich habe den Eindruck, dass vielen Mitgliedern nicht klar ist, was Verband bedeutet. Ich bin ja auch politisch engagiert und sehe das auch in anderen Vereinen oder Parteien, dass auf kommunaler Ebene immer wieder die Frage auftaucht: Was hilft es eigentlich, wenn wir uns zusätzlich im Land oder Bund engagieren, wenn es doch vor Ort läuft? Warum sollten wir dafür Geld bezahlen? Wenn es aber zum Beispiel um gesellschaftspolitische Fragestellungen wie etwa "Suizidbeihilfe" oder das Thema "Gleiche Bezahlung von Frauen und Männern" geht, dann werden wir da als Bundesverband gefragt. Und diese Positionierungen müssen ja erarbeitet werden. Dafür braucht es beispielsweise einen Bundesverband. Das verständlich zu machen, ist eine Daueraufgabe, die wir uns noch stärker vornehmen müssen.

Frage: Die katholischen Verbände galten Jahrzehnte als "Glutkern" der Kirche, in ihnen haben sich Hundertausende engagiert und wurden kirchlich sozialisiert. Das ist vorbei. Welche Relevanz haben Verbände heute noch für die Kirche?

Heil: Wir kämpfen im Moment darum, dass die Relevanz wieder größer wird. Viele Frauen sagen: Ich bleibe auf jeden Fall in der kfd, weil ich dort meine Spiritualität, meinen Glauben, aber auch meine Zweifel leben und darüber sprechen kann, weil ich dort Begegnungen finde, die ich in der Kirche sonst nicht mehr finde. Dafür bekommen wir auch an der Basis Gegenwind: Es gibt Gemeinden, in denen die Pfarrer froh sind, wenn sich die aufmüpfigen Frauen mit ihren eigenen Vorstellungen nicht mehr engagieren.

Frage: Sie haben bereits angesprochen, dass es tiefergehende Gründe für den Mitgliederschwund gibt. In Ihrem Statement sprechen Sie von Enttäuschung und Frust über die aktuelle Situation der Kirche. Gerade was das Thema Gleichberechtigung von Frauen angeht, ist in der Kirche auf absehbare Zeit aber nicht unbedingt mit handfesten Änderungen zu rechnen. Was wollen Sie tun, um einer weiteren Enttäuschung vorzubeugen – oder geht das gar nicht?

Heil: Wir trennen da zwischen der Amtskirche und dem, was man selbst als Glaubensinhalt sieht und bezeugt. Diesen Spagat muss man als Teil der Kirche aushalten und wir wollen uns gar nicht gegen die Kirche stellen. Aber wir sehen vieles anders und hätten zum Beispiel gerne eine andere Willkommenskultur und ein anderes Mitspracherecht gerade für uns Frauen in der Kirche. Wenn es zum Beispiel darum geht, ob wir im Gottesdienst predigen dürfen: Heute verstehen weder Frauen noch Männer – ob mit oder ohne Theologiestudium –, warum sie als Laiinnen und Laien in der Eucharistiefeier kein Zeugnis geben dürfen. Die Amtskirche erlaubt dies in wenigen Ausnahmen, in unseren Räumen ist das aber immer möglich.

„Unseren Verband gibt es seit fast 100 Jahren und unsere Vorgängerinnen haben auch schon schwierige Zeiten erlebt und sie bestanden.“

—  Zitat: kfd-Bundesvorsitzende Mechthild Heil

 Frage: Ist es nicht problematisch, wenn es einen so großen Spalt zwischen der Amtskirche und dem gibt, was Ihr Verband als Glaubensinhalt sieht?

Heil: Ich glaube, dass das für die Kirche problematisch ist, weil die Menschen heute viel mündiger sind und nicht mehr alles mit sich machen lassen und der Kirche im Zweifel den Rücken kehren. Die Kirche muss das sehen, weil sie sonst an Einfluss verliert und sie nicht mehr die Leitschnur für den Glauben und das Leben der Menschen ist. Das ist wirklich ein Verlust – nicht nur für einzelne Menschen, sondern auch gesellschaftlich, weil die Kirche nicht mehr Richtschnur sein kann. Und das tut natürlich weh, weil wir als Kirche wirklich etwas Gutes etwa zu Moral, Ethik oder Menschlichkeit zu sagen hätten. Dafür müssen wir aber an Glaubwürdigkeit gewinnen und das geht nur, wenn wir uns zusammen auf das konzentrieren, was wirklich Kirche ist.

Frage: Gleichzeitig gibt es laut Ihrem Statement vermehrt Interesse an einer Mitgliedschaft von Frauen, die nicht mehr Mitglied der Kirche sind. Was bedeutet das für Sie, wenn der Anteil an Frauen in Ihrem Verband zunimmt, der nicht mehr in der Kirche ist?

Heil: Auch wenn man aus der Kirche ausgetreten ist, bleibt man ja Katholikin oder Katholik. Und das ist vielen Frauen, die bei uns bleiben, wichtig. Wir freuen uns über diese Frauen, weil sie noch glauben, auch wenn sie sich von der Institution entfernt haben. Sie sind dann auf der Suche nach Heimat – und finden diese bei uns.

Frage: Die Austrittswelle aus der katholischen Kirche ist quasi chronisch geworden und erreicht immer neue Rekorde. Was wollen Sie in Zukunft tun, damit das gleiche nicht auch bei der kfd passiert?

Heil: Wir wollen einen Ort und Möglichkeiten schaffen, um den eigenen Glauben leben und sich austauschen zu können. Ich bin in vielen verschiedenen Gremien unterwegs und ich merke: Es ist ein anderes soziales Miteinander, das wir pflegen. Das zieht nach wie vor an, davon bin ich überzeugt. Wir haben aber nicht mehr die Struktur in der Gesellschaft, dass es in jedem Dorf eine katholische Frauengemeinschaft gibt. Es ist unsere Aufgabe, das nicht als Verlust zu sehen und trotzdem Räume zu öffnen. Wenn wir das gut machen, überleben wir. Und ich glaube, dass wir es gut machen werden. Unseren Verband gibt es seit fast 100 Jahren und unsere Vorgängerinnen haben auch schon schwierige Zeiten erlebt und sie bestanden.

Frage: Gibt es denn eine Mitgliederzahl, die nicht unterschritten werden sollte, weil sonst der Fortbestand der kfd akut gefährdet wäre?

Heil: Nein, die gibt es nicht. Aber wenn wir weiter schrumpfen, werden wir auch über unsere Strukturen diskutieren müssen. Im Grunde haben wir dafür schon eine Blaupause: In vielen Diözesanverbänden im Osten Deutschlands gibt es naturgemäß weniger katholische Frauen. Diejenigen, die engagiert sind, zeigen uns aber, dass es auch mit weniger Mitgliedern lebendig sein kann. Davon können wir lernen. Einen so großen Verband mit weniger Mitgliedern zeitgemäß aufstellen, ist jetzt unsere Hauptaufgabe. Wie das geht, müssen wir selbst herausfinden. Ich bin da aber hoffnungsvoll und sehe, dass wir eine Chance haben.

Von Christoph Brüwer