Agnes-Lämmern geht es an die Wolle

Warum in einer römischen Kirche kleine Schafe gesegnet werden

Veröffentlicht am 21.01.2024 um 00:01 Uhr – Von Anita Hirschbeck (KNA) – Lesedauer: 

Rom ‐ In der Basilika Sant'Agnese in Rom spielen am Sonntag zwei geschmückte Lämmer die Hauptrolle. Dahinter steckt eine jahrhundertealte Tradition, die mit der Herstellung eines ganz bestimmten Kleidungsstücks zu tun hat.

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Diesen Sonntag vollzieht ein katholischer Priester in Rom eine ungewöhnliche Aufgabe: Wie jedes Jahr segnet er zwei mit Blumen geschmückte und frisch gewaschene Lämmer. Der traditionsreiche Brauch ist viele Jahrhunderte alt und beschäftigt gleich mehrere Ordensfrauen in Rom. Nach der Segnung geht es den Tieren an die Wolle. Die wird nämlich für einen ganz bestimmten Zweck gebraucht.

Der 21. Januar ist der Gedenktag der heiligen Agnes. Das römische Mädchen, das Mitte oder Ende des 3. Jahrhunderts geboren sein soll, wehrte sich der Legende nach gegen die Avancen eines einflussreichen jungen Römers. Sie könne nicht heiraten, weil sie sich Jesus versprochen habe, begründete die Zwölfjährige ihr Nein. Niemand konnte sie umstimmen, so dass ein Richter ihren Tod verfügte. Am Ende soll sie durch einen Schnitt durch die Kehle gestorben sein. Auf diese Weise wurden zu jener Zeit auch Lämmer geschlachtet. Eine weitere Legende besagt, dass das Mädchen nach ihrem Tod ihrer Familie an ihrem Grab erschien, umgeben von einem Chor von Jungfrauen und einem Lamm auf ihrem Arm. Deshalb zeigen Darstellungen die heilige Agnes oft mit diesem Tier. Die Verbindung könnte aber auch daher stammen, dass ihr Name dem lateinischen Wort "agnus" für Lamm ähnelt.

Um an die junge Märtyrerin zu erinnern, werden an ihrem Gedenktag junge Schafe gesegnet. Zunächst übernahmen diese Aufgabe noch die Päpste persönlich. Eine entsprechende Beschreibung findet sich im Römischen Zeremoniell von 1516, wie Archivarin und Ordensfrau Schwester Lidia der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) berichtet. Ihr Orden, die Schwestern von der Heiligen Familie von Nazareth, kümmern sich seit 1888 um die Lämmchen. Davor hatten mehrere andere Ordensgemeinschaften die Aufgabe inne, mussten sie aber weitergeben, weil sie zum Beispiel ihr Kloster aufgaben oder keinen Platz mehr für die Tiere hatten.

Die heilige Agnes von Rom mit einem Lamm auf der Schulter
Bild: ©Fotolia.com/Tupungato

Die Kind-Märtyrerin Agnes von Rom (um 237 - ca. 250) wird oft mit einem Lamm dargestellt.

Ein oder zwei Tage vor dem 21. Januar kommen die beiden Lämmer, die die Trappistenmönche in Rom stiften, zu den Schwestern von der Heiligen Familie von Nazareth. Weil die an ihrem Mutterhaus nahe der Trajansthermen keinen Garten haben und es im Januar auch in Rom kalt werden kann, bereiten die Frauen einen warmen Raum für die Tiere vor. Dort werden die beiden Schäfchen gewaschen, gekämmt und geschmückt: eines mit roten Rosen als Symbol des Martyriums, eines mit weißen Rosen als Symbol der Jungfräulichkeit.

Am Morgen des 21. Januars tragen die Schwestern die Tiere in zwei Körben zur Basilika Sant'Agnese Fuori Le Mura, wo die vermuteten Überreste der heiligen Agnes liegen. Früher wurden die Lämmer von zwölf Jungfrauen in Hochzeitskleidern an der Kirche empfangen, die sie in ihren Körben zum Altar trugen, berichtet Schwester Lidia. Diesen Brauch gebe es heute aber nicht mehr. Bis vor einigen Jahren brachten die Schwestern die Tiere nach der Messe zum Papst in den Vatikan. Heute werden sie lediglich in der Basilika von einem Priester gesegnet.

Geschoren in der Karwoche

Nach dem Gottesdienst haben die Lämmer noch lange nicht Feierabend. Sie kommen direkt zu den Benediktinerinnen von der Heiligen Cäcilia im römischen Stadtteil Trastevere. Seit Jahrhunderten stellen diese Ordensfrauen die sogenannten Pallien her. Ein Pallium ist eine runde Wollstola, die neben dem Papst die Metropolitanerzbischöfe tragen – also die Erzbischöfe, die für eine Kirchenprovinz aus mehreren Bistümern zuständig sind.

Die Lämmer werden in der Karwoche vor Ostern geschoren. Nachdem ihre Wolle am Gründonnerstag in einer Schale auf dem Grab des Apostel Petrus im Petersdom geweiht wurde, weben die Benediktinerinnen daraus die Pallien und sticken dann sechs schwarze Kreuze auf jede Stola. Papst Franziskus überreicht den neuen Metropoliten am 29. Juni, dem Fest der Heiligen Petrus und Paulus, ihre Pallien als Zeichen der Einheit der Kirchenprovinzen mit dem Papst. Indirekt erinnern die Stolen um die Schultern der Erzbischöfe aber an den unverbrüchlichen Glauben eines jungen Mädchens.

Von Anita Hirschbeck (KNA)