Bundesarbeitsgericht setzt kirchlichem Arbeitsrecht Grenzen
Kirchliche Arbeitgeber dürfen nicht von den gesetzlichen Regelungen zur Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall abweichen. In Tarifverträgen können zwar abweichende Regelungen zuungunsten der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer getroffen werden, dies gilt aber nicht für die kirchlichen – also ohne Tarifvertrag vereinbarten – Arbeitsvertragsrichtlinien (AVR), entschied das Bundesarbeitsgericht (BAG) in Erfurt in einem am Mittwoch veröffentlichten Urteil. (AZ: 6 AZR 210/22)
Im konkreten Fall ging es um einen Anästhesiepfleger in einem Caritas-Krankenhaus in Nordrhein-Westfalen. Für den Mann gelten laut Arbeitsvertrag die AVR-Caritas, die über den sogenannten Dritten Weg und damit nicht über Tarifverträge mit den Möglichkeiten von Streik und Aussperrung vereinbart wurden. Als der Kläger arbeitsunfähig erkrankte, hielt er seine Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für zu niedrig. Ihm müssten noch 33,5 Stunden an Bereitschaftsdiensten gutgeschrieben werden, zu denen er laut Dienstplan eingeteilt war. Nach dem Entgeltfortzahlungsgesetz sei er so zu stellen, als hätte er gearbeitet.
Die Caritas-Klinik hielt die Berechnung der Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall für richtig und verwies auf die AVR, die von den gesetzlichen Regelungen abwichen. Dies sei zulässig, da Tarifverträge etwas anderes regeln könnten. Die AVR seien mit Tarifverträgen vergleichbar. Dem widersprach das BAG. Die AVR seien kein Tarifvertrag. Der Gesetzgeber habe keine Gleichsetzung von AVR und Tarifverträgen gewollt. So bestehe nach dem Gesetz ein Vergütungsanspruch für krankheitsbedingt nicht geleistete Bereitschaftsdienste einschließlich etwaiger Zuschläge. "Es kommt darauf an, in welchem Umfang der Arbeitnehmer gearbeitet hätte, wenn er arbeitsfähig gewesen wäre", erklärte das BAG. Die AVR-Caritas wichen in unzulässiger Weise von den zwingenden gesetzlichen Vorgaben ab. Wegen fehlender Feststellungen verwies das BAG den Rechtsstreit an das Landesarbeitsgericht Hamm zurück. (epd)