Er ist gegangen
Mit einem vielstimmigen Geläut des Petersdoms und aller Kirchen der Stadt hatte Rom am Donnerstagnachmittag Papst Benedikt XVI. verabschiedet. Um 17.07 Uhr war sein Hubschrauber vom Heliport in den vatikanischen Gärten in den Abendhimmel aufgetiegen. Nach einem rund 15-minütigem Flug über die Straßenschluchten Roms erreichte das Kirchenoberhaupt seinen Sommersitz.
So ruhig die Amtszeit ausklingt, so ruhig gestaltete sich auch der letzte Arbeitstag. Am Vormittag hatte Benedikt XVI. bei einem letzten Treffen den Kardinälen für den Dienst und deren Verbundenheit gedankt und sich persönlich von jedem der Anwesenden verabschiedet. Unter ihnen waren auch die deutschen Joachim Meisner (Köln) und Reinhard Marx (München und Freising) sowie die Kurienkardinäle Walter Kasper, Paul Josef Cordes, Walter Brandmüller und Karl Josef Becker.
In einer kurzen Ansprache betonte Benedikt: Die Kirche sei nicht am Reißbrett entworfen, sondern eine lebendige Wirklichkeit, zitierte er den deutschen Theologen Romano Guardini (1885-1968). Als solche müsse sie sich mit der Zeit wandeln, behalte aber ihre Identität durch Christus. Zugleich bat er um Gottes Führung für das kommende Konklave. "Unter euch ist auch der künftige Papst, dem ich schon heute meine bedingungslose Achtung und meinen Gehorsam verspreche", sagte er.
Tränenreich war der Abschied von seinen engsten Mitarbeitern, bevor Benedikt gegen kurz vor 17 Uhr in den Hubschrauber stieg. Besonders sein Chaffeur ließ seinen Gefühlen freien Lauf.
Dankgottesdienste in Deutschland
In zahlreichen Gottesdiensten dankten viele Gläubige am Abend in Deutschland dem Papst für sein Wirken. Die zentrale Messfeier mit dem Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Erzbischof Robert Zollitsch, fand in Berlin statt. In die Sankt-Hedwigs-Kathedrale kamen neben Bundeskanzlerin Angela Merkel auch viele Abgeordnete von Bundestag und Landtagen, Diplomaten und Vertreter anderer Kirchen sowie der Apostolische Nuntius, Erzbischof Jean-Claude Perisset.
Zollitsch würdigte die achtjährige Amtszeit des Papstes. Sie sei "geprägt von theologischer Tiefe und intellektueller Weite". Benedikt XVI. habe "aus dem Glauben heraus die Entwicklungen gedeutet und mit der Botschaft des Evangeliums verbunden", sagte der Freiburger Erzbischof. So habe er "auf die Gefahr eines ungezügelten Kapitalismus" ebenso hingewiesen wie auf die "Bedrohungen durch einen scheinbar grenzenlosen Machbarkeitswahn auf dem Gebiet der Bio-Technologien".
Ebenso erinnerte Zollitsch an den Deutschlandbesuch des Papstes im Jahr 2011. In seiner Rede vor dem Bundestag habe er zur Überraschung vieler bei der Umweltbewegung angesetzt, als er eine "Ökologie des Menschen" forderte.
Emotionale Generalaudienz
Bereits am Mittwoch hatten 150.000 Menschen auf dem Petersplatz dem Papst Respekt und Bewunderung gezollt. Mit Sprechchören und Benedetto-Rufen, mit Transparenten und Fahnen hatten sie dem 85-Jährigen bei seiner letzten Generalaudienz einen emotionalen Empfang bereitet.
Die Rücktrittsankündigung des Papstes am 11. Februar hatte für weltweites Aufsehen gesorgt. Aufgrund seiner nachlassenden Kräfte hatte er von dieser im Kirchenrecht vorgesehenen Möglichkeit Gebrauch gemacht. Den Spekulationen, dass die Vatileaks-Affäre und geheime Machenschaften im Vatikan den Papst in den Ruhestand gedrängt hätten, hatte der Vatikan mehrfach entschieden widersprochen.
Großes Medieninteresse
Mit dem Ende des Pontifikats eines Papstes begann um 20 Uhr die Zeit der Sedisvakanz - die Zeit, in der das Amt des Papstes nicht besetzt ist. Während der Sedisvakanz leitet das Kardinalskollegium die Kirche. Seine Befugnisse sind aber auf Aufgaben und Entscheidungen beschränkt, die nicht aufgeschoben werden können. Von Päpsten erlassene Gesetze dürfen in dieser Zeit nicht korrigiert oder abgeändert werden.
Die zwischenzeitliche Verwaltung der Kirche übernimmt der Kardinalkämmerer (Camerlengo) mit drei Kardinal-Assistenten. Aktueller Camerlengo ist Kardinal Tarcisio Bertone. Das Kardinalskollegium bereitet vor allem die Wahl des neuen Papstes vor.
Am Freitag sollen die Kardinäle in einem Brief aufgefordert werden, sich in Rom zu versammeln. Der Vatikan geht davon aus, dass sich das Kollegium dann Anfang nächster Woche trifft, um die Wahl eines neuen Papstes vorzubereiten.
Wann das Konklave beginnt, ist noch offen. Die Interesse aber jetzt schon groß. Zusätzlich zu den im Vatikan rund 430 ständig akkreditierten Journalisten haben sich laut Vatikansprecher Federico Lombardi 336 Pressevertreter, 156 Fotografen, 231 Radio- und 115 Online-Journalisten angekündigt. 2.470 Akkreditierungen erfolgten zudem über TV-Sender; der Großteil davon sind technische Mitarbeiter.
Letzte Worte an die Gläubigen
In Castel Gandolfo hatte sich Benedikt XVI. ein letztes Mal an die Gläubigen gewandt. Er sagte ihnen, mehrfach von Beifall unterbrochen:
"Ich danke Euch. Liebe Freunde, ich bin glücklich, hier mit Euch zu sein, umgeben von der Schönheit der Schöpfung und von Eurer Zuneigung, die mir sehr gut tut. Ihr wisst, dass dieser Tag heute für mich anders ist als die vorangegangenen Tage: Ich bin nicht mehr der Papst der katholischen Kirche - bis acht Uhr werde ich es noch sein, aber danach nicht mehr. Ich bin einfach noch ein Pilger, der die letzte Etappe seiner Pilgerreise auf dieser Erde beginnt. Ich möchte aber noch mit meinem Herzen, mit meiner Liebe, mit meinem Gebet, mit meinem Nachdenken, mit all meinen inneren Kräften für das öffentliche Wohl, für das Wohl der Kirche und der Menschheit arbeiten. Und ich fühle mich sehr unterstützt durch eure Zuneigung. Gehen wir voran mit dem Herrn, für das Wohl der Kirche und der Welt. Danke, ich erteile Euch jetzt von ganzem Herzen meinen Segen. Gott der Herr segne Euch, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist. Danke, gute Nacht, danke Euch allen." (meu/dpa/KNA)