Theologe fordert neues Amtsverständnis

Zulehner: Auf Qualität statt Quantität der Kirche setzen

Veröffentlicht am 31.01.2024 um 11:39 Uhr – Lesedauer: 

Wien ‐ Statt sinkende Mitgliederzahlen zu betrauern, sollte die Kirche Menschen positiv ansprechen, meint der bekannte Theologe Paul Zulehner. Und sie sollte auf ein Amtsverständnis setzen, das nicht auf Geschlecht und sexuelle Orientierung fokussiert ist.

  • Teilen:

Der Wiener Theologe Paul Zulehner hat sich dagegen gewandt, im Blick auf die Kirche immer nur auf Quantität wie zurückgehende Mitgliedszahlen zu achten. Es sei verfehlt, von den Katholikenzahlen der Gegenreformation oder der Nachkriegszeit "herunterzurechnen", sagte er in der aktuellen Folge des Podcasts "Erklär mir die Welt" des Journalisten Andreas Sator. Statt in Pessimismus und Jammerei zu verfallen, gelte es, die Chancen von Religion in einer Zeit zu sehen, in der den Menschen angesichts von Kriegen, Klimaveränderungen oder Migration die Hoffnungsressourcen ausgingen.

Die Kirche müsse lernen, auf eine neue Weise von Gott zu reden; ohne Vorschriften an die Gläubigen, sie müssten "so oder so" sein, sonst drohe Strafe. Heute sei vielmehr ein einladender Hinweis darauf gefragt, was das Evangelium für Möglichkeiten im Leben eröffne, riet der Theologe. Auch Papst Franziskus traue dem Evangelium zu, dass es aus sich heraus eine positive, glaubwürdige Kraft für heutige Menschen entwickeln kann.

Neues Amtsverständnis

Nötig sei zudem ein neues Amtsverständnis für die Kirche. Erste Messlatte dafür sollten nicht Geschlecht, Lebensstand oder akademische Ausbildung sein, sondern ob die betreffende Person "überzeugter Follower der Jesusbewegung" ist. Zweites Kriterium sollte die Zufriedenheit mit der gewählten Lebensform sein – egal ob diese verheiratet oder ehelos, heterosexuell oder homosexuell realisiert wird. Mit der Beschränkung auf diese beiden Kriterien hätte Kirche keine Personalprobleme, meinte Zulehner.

Zulehner räumte ein, dass Religionen in der Geschichte oft "nicht Teil der Lösung, sondern des Problems" gewesen seien. Bündnisse von Religionen mit erbarmungsloser Gewalt habe es immer wieder gegeben. Ein aktuelles Beispiel sei die Legitimation russischer Kriegsverbrechen durch das Moskauer Patriarchat. Jedoch sei eine Welt ohne Religion auch nicht friedlicher, so Zulehner unter Verweis auf den Stalinismus. (KNA)