Pfarrer Alexander Bergel über das Sonntagsevangelium

Die wichtigste Frage des Lebens

Veröffentlicht am 03.02.2024 um 12:15 Uhr – Lesedauer: 
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Osnabrück ‐ Wenn er es nicht selbst erlebt hätte, würde Pfarrer Alexander Bergel es nicht glauben. Doch gerade in der Zeit seines größten Leidens, im Angesicht seiner Krebserkrankung, hat er gemerkt, dass Gott immer bei ihm ist. Gibt es eine Antwort auf die Frage, warum Gott solches Leid zulässt?

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Warum? Immer wieder ist es diese eine Frage. Ijob, dessen Name für schier grenzenloses Leid steht, klagt: "Monde voller Enttäuschung wurden mein Erbe, und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu!" Warum? Ja, warum, Gott, warum? Antwort? Fehlanzeige! Immer wieder. Damals wie heute. Vielleicht hilft ein Blick auf Jesus weiter: "Die ganze Stadt war vor der Haustür versammelt, und er heilte viele, die an allen möglichen Krankheiten litten." Jesus gibt keine Antwort auf die Frage nach dem Warum. Er geht zu den Menschen. Spricht mit ihnen. Und handelt. Jesus berührt die Leute. Mit Worten. Und Taten. Er lässt sie spüren: Gott ist da. In allem – und trotz allem.

Könnte das eine Richtung sein? Nach Gottes Spuren suchen: in allem – und trotz allem? Könnte eine Spur vielleicht auch sein, sich den eigenen Brüchen, den eigenen Grenzen zu stellen, nicht wegzulaufen und ehrlich, wirklich ehrlich zu fragen: Was sagt mir diese Grenzerfahrung? Konkret: Was geht mir an die Nieren? Wo fehlt mir die Luft zum Atmen? Was schlägt mir auf den Magen? Was beugt mich nieder? Was lässt mein Herz rasen? Was mich verstummen? Und weiter: Begegnet mir Gott vielleicht auch dort? Auch wenn er das Leid nicht wegnimmt? Ja, Sie haben Recht – in der Theorie hört sich das alles ganz schön an. Aber wenn ich dann so dasitze in meinem Elend … Und eines muss auch klar sein: Oft genug sind Krankheiten nur eines: völlig sinnlos!

Zu den wohl schlimmsten Erfahrungen meines Lebens gehört das Gespräch mit einem Arzt vor vielen Jahren. Nach einer Untersuchung sagt er zu mir auf überschaubar einfühlsame Art: "Da haben Sie wohl Krebs!" Von einem Augenblick auf den nächsten war alles anders.

Die Welt um mich herum fing an, sich zu drehen. Ich wusste plötzlich gar nichts mehr. Und dann ging alles sehr schnell. OP, Warten auf den Befund, Unsicherheiten zuhauf, wieder Warten, Angst. Die Nacht nach der Diagnose – die Hölle. Irgendwann kam auch mir die Frage in den Sinn: Warum? Der Theologe in mir sagte: Darauf gibt es keine Antwort. Aber der Mensch – er wollte eine!

Es war sicher eine der intensivsten Nächte meines Lebens. Mein ganzes Leben ging mir durch den Kopf. Alles Suchen und Fragen, alles Leid und Glück, die vielen Menschen, die mir etwas bedeuten, alle Schuld auch – und die Angst vor dem Tod. Als es langsam Morgen wurde, war ich plötzlich ruhig. Bis heute weiß ich nicht, warum. Ich konnte sagen – und zwar überhaupt nicht verschroben oder frömmlerisch: Wie es kommt, so kommt es. Auf dich, mein Gott, vertraue ich, in deine Hände lege ich mein Leben. Es hört sich fromm an, sehr fromm. Und gerade deshalb würde ich das so nie sagen – wenn ich es nicht selbst erlebt hätte. Diese Krankheit hat mein Leben verändert. Das merke ich. Bis heute.

Nun: Ich bin wieder gesund geworden. Manch anderer wird das nicht. Aber selbst dann bleibt Menschen dieser Gott. Ein Gott, der zuhört. Und auf geheimnisvolle Weise neue Wege zeigt. Ich kenne Menschen, die das so sagen konnten, obwohl sie wussten: Ich werde sterben. Die Frage nach Gott und dem Leid – sie bleibt eine, vielleicht sogar die Frage unseres Lebens. Oft genug gibt es keine Antwort darauf. Oder vielleicht doch?

Lesung aus dem Buch Íjob (Ijob 7,1–4.6–7)

Íjob ergriff das Wort und sprach:

Ist nicht Kriegsdienst des Menschen Leben auf der Erde?
Sind nicht seine Tage die eines Tagelöhners?
Wie ein Knecht ist er, der nach Schatten lechzt,
wie ein Tagelöhner, der auf seinen Lohn wartet.
So wurden Monde voll Enttäuschung mein Erbe
und Nächte voller Mühsal teilte man mir zu.
Lege ich mich nieder, sage ich: Wann darf ich aufstehn?
Wird es Abend, bin ich gesättigt mit Unrast, bis es dämmert.
Schneller als das Weberschiffchen eilen meine Tage,
sie gehen zu Ende, ohne Hoffnung.
Denk daran, dass mein Leben nur ein Hauch ist!
Nie mehr schaut mein Auge Glück.

Der Autor

Alexander Bergel ist Pfarrer der Pfarrei Christus König in Osnabrück.

Ausgelegt!

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