Pfadfinderschaft St. Georg untersucht Missbrauch in eigenen Reihen
Die Deutsche Pfadfinderschaft Sankt Georg (DPSG) will mit einem unabhängigen Forschungsteam sexualisierte und spirituelle Gewalt innerhalb ihres Verbands aufarbeiten. Dazu werden Betroffene sowie Verbandsmitglieder mit möglichen Hinweisen ermutigt, sich bei dem Forschungsteam zu melden. Der Verband stellte am Mittwoch in Mönchengladbach den geplanten Aufarbeitungsprozess vor. Ein besonderer Fokus liege auf der Frage, inwiefern die Kultur und die Strukturen der Pfadfinder zu Machtmissbrauch beitragen.
So soll beispielsweise geklärt werden, ob sexualisierte Gewalt Hand in Hand geht mit Formen des Machtmissbrauchs, die sich auf den gemeinsamen Geist der Pfadfinderschaft und deren religiöse Fundamente beziehen. Zudem soll erforscht werden, ob Missbrauch verschwiegen oder vertuscht worden ist und wenn ja, aus welchen Gründen. Geplant ist auch, den Umgang mit Betroffenen zu thematisieren. Außerdem sollen Maßnahmen zur Prävention und für ein sichereres Umfeld für Kinder- und Jugendliche im Verband entwickelt werden.
Der DPSG gehören nach eigenen Angaben bundesweit rund 80.000 Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene an. Sie ist damit der größte Pfadfinderverband in Deutschland. Es gibt Gruppenstunden, Zeltlager und gemeinsame Aktivitäten für Kinder und Jugendliche in verschiedenen Altersgruppen. Als Ziel ihrer Arbeit gibt die DPSG an, Jugendliche und junge Erwachsene in ihrer Persönlichkeitsentwicklung zu unterstützen. Die Pfadfinderinnen und Pfadfinder sollen lernen, "als verantwortungsbewusste Bürger*innen, als Christ*innen sowie als Mitglieder ihrer lokalen, nationalen und weltweiten Gemeinschaften zu handeln sowie Verantwortung für andere zu übernehmen".
Bisher 64 Fälle bekannt – Verband geht von deutlich mehr Fällen aus
Seit 2008 sind dem DPSG-Bundesverband 64 Fälle von Grenzüberschreitungen bekannt, der Verband geht nach eigenen Angaben aber von einer weitaus höheren Zahl aus. Die Vertreter der DPSG verwiesen am Mittwoch auf bereits bestehenden Schutzmaßnahmen. Beispielsweise müssten Gruppenleitungen Präventionsschulungen durchlaufen und polizeiliche Führungszeugnisse vorlegen.
Die leitenden Forschenden sind die Marburger Erziehungswissenschaftlerin Sabine Maschke und der Gießener Bildungsforscher Ludwig Stecher. Die Studie wurde beauftragt von einem 2022 gegründeten Beirat. Dieser begleitet und überprüft den verbandlichen Aufarbeitungsprozess. Dem Beirat gehören Betroffene ebenso an wie Vertreterinnen und Vertreter der verschiedenen Bereiche des Verbandes sowie externe juristische und psychologische Fachpersonen. Die DPSG finanziert die knapp 650.000 Euro teure Studie aus Eigenmitteln. (KNA)