Leimgruber: Kirche exkulturiert sich durch fehlende Gleichberechtigung
Der Umgang der katholischen Kirche mit Geschlechtergerechtigkeit ist für die Theologin Ute Leimgruber von Exkulturation und einer scharfen Abgrenzung von der Außenwelt gekennzeichnet. Das sei eine "Schnellstraße in die religiöse Fundamentalisierung und Gettoisierung", schreibt die Regensburger Pastoraltheologin in einem Beitrag in der aktuellen Ausgabe der Reihe "Herder Thema". Die Fragen nach Frauenordination und Geschlechtergerechtigkeit seien zum Prüfstein geworden, ob die Kirche sich als "Kirche in der Welt" verstehe und die kulturellen Paradigmen von Freiheit und Gerechtigkeit aufnehme, die den universalen Menschenrechten zugrundeliegen. "Wer Frauen gleiche Rechte vorenthält, verstärkt die herrschende Ungerechtigkeit und wirkt mit daran, Menschen unfrei zu halten. Freiheit und Gerechtigkeit sind Zwillingsschwestern", so Leimgruber.
Kirchliche Texte betonten zwar die Gleichheit aller Menschen, die gleiche Würde münde im Katholizismus aber nicht in gleiche Rechte. Theologisch bestehe kein Zweifel, dass die Kirche Freiheit und Gerechtigkeit als zentrale Werte fördern sollte, und zwar auch mit Blick auf ihre eigene Lehre über die Geschlechter und hinsichtlich des Zugangs zum kirchlichen Amt. "Eine weitere Exkulturation in Bezug auf Geschlechtergerechtigkeit und Gleichheit der Geschlechter und der Rückgriff auf eine traditionale Theologie sind der Weg in eine separate religiöse Gegenkultur mit einer exkludierenden religiösen Identität", so Leimgruber weiter.
Strategien der Delegitimierung
In der Kirche werde stattdessen aber seit langem die Strategie verfolgt, "die Bedürfnisse der weiblichen Gläubigen, ihr Streben nach Gerechtigkeit und Freiheit sowie die kulturellen und epistemologischen Veränderungen der Welt um sie herum zu ignorieren, zu desavouieren oder mit Verweis auf Maria, die Mutter Jesu, und stereotype weibliche Verhaltensnormen zu kanalisieren". Grundlegende Veränderungen mit Blick auf das Menschenbild oder die Amtstheologie würden meist ausgeschlossen.
Der Begriff einer "Gender-Ideologie" werde laut Leimgruber dabei in Stellung gebracht, um politische Maßnahmen für mehr Geschlechtergerechtigkeit in Abrede zu stellen. Wenn man wie der Apostolische Nuntius Nikola Eterović die binäre Geschlechteranthropologie als "zutiefst christlich" einer angeblichen "Gender-Ideologie" gegenüberstelle und diese als "ideologische Kolonisierungen" bezeichne, sei das eine nicht nur semantische Täter-Opfer-Umkehr. "In weiten Teilen der katholischen Kirche wird diese Strategie, vor allem bei Themen wie Frauen- beziehungsweise LGBTQ-Rechten, weiterhin praktiziert: Argumente werden mit Verweis auf unveränderliches göttliches Recht, die sogenannten biblischen Schöpfungs-'Berichte' oder die Offenbarung spiritualisiert und dadurch immunisiert", erläutert die Pastoraltheologin. Methodisch gesicherten und validen Erkenntnissen der Sozial- und Humanwissenschaften etwa zum binären Geschlechterverständnis würde die Wissenschaftlichkeit abgesprochen: "Nicht inhaltliche Auseinandersetzung mit den Argumenten, sondern Ressentiments gegenüber der säkularen Welt waren und sind das strategische Mittel der Wahl." (fxn)