"Wir kommen nicht vom Fleck"

Schavan beklagt ausbleibenden Kulturwandel in der Kirche

Veröffentlicht am 22.02.2024 um 13:29 Uhr – Lesedauer: 

Freiburg ‐ Die Kirche muss ihre Tradition für die Zukunft öffnen, fordert Annette Schavan. Die ehemalige Botschafterin beim Heiligen Stuhl vermisst jedoch aufrichtige Diskussionen in der Kirche – besonders zum Thema Frauenweihe.

  • Teilen:

Die ehemalige Politikerin und Diplomatin Annette Schavan hat einen ausbleibenden Kulturwandel in der Kirche beklagt. "Wir kommen als Kirche nicht vom Fleck und finden in Deutschland und in Europa immer weniger öffentliche Resonanz", schreibt Schavan in einem Beitrag für die Sonderausgabe "Gottes starke Töchter" der Zeitschrift "Herder Korrespondenz". Zwar gebe es inzwischen mehrere Frauen in Führungspositionen, etwa in der römischen Kurie, doch ein Kulturwandel sei noch nicht spürbar. Die wachsende Uneinigkeit in der Weltkirche sei ein weiterer wesentlicher Faktor, der zu einem Relevanzverlust der Kirchen in den westlichen Gesellschaften führe. "Die Unversöhnlichkeit ist beim Thema Frauenweihe besonders groß." Es sei derzeit nicht möglich, diesen Streit zu schlichten oder darüber aufrichtig zu diskutieren, kritisiert die frühere deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl. "Viele wollen keine Debatten mehr. Sie möchten ihre Blase kultivieren und die dort gültigen 'Wahrheiten' durchsetzen – auch im Vatikan." Von der Gemeinschaft der Bischöfe können allenfalls noch im Hochgebet die Rede sein.

Schavan spricht sich in ihrem Beitrag weiter für eine ernsthafte Debatte über die "Zulassung aller Getauften zu allen Sakramenten" aus. Das sei der Schlüssel, um die Tradition der Kirche für die Zukunft zu öffnen und relevant zu halten. "Die Debatte nicht zu führen, weil sie nicht geführt werden dürfe, verschärft das Dilemma und verstärkt die Unversöhnlichkeit." Die ehemalige Politikerin setzt jedoch Hoffnungen auf den weltweiten synodalen Prozess, den Papst Franziskus angestoßen hat. Die Weltsynode könne zu Erfahrungen führen, "die versöhnlicher stimmen und Neugierde wecken auf gelebte Vielfalt in der Weltkirche". Die Kirche können nur in Bewegung geraten, wenn sich ihre Teilkirchen füreinander interessierten und nicht voreinander warnten. "Ansonsten bleibt ein Dilemma mit fatalen Folgen bestehen."

Schavan war von 2014 bis 2018 deutsche Botschafterin beim Heiligen Stuhl in Rom. Zuvor war die CDU-Politikerin zehn Jahre Kultusministerin in Baden-Württemberg, von 2005 bis 2014 Mitglied des Deutschen Bundestags und in dieser Zeit auch Bundesministerin für Bildung und Forschung. 2013 trat sie als Ministerin zurück, nachdem ihr infolge der Plagiatsaffäre um ihre Dissertation der Doktorgrad aberkannt wurde. Schavan galt als enge Vertraute der ehemaligen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ist gläubige Katholikin. Von 1991 bis 2008 gehörte sie dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken an und war mehrere Jahre Vizepräsidentin des Laiengremiums. (rom)