Die älteste Diplomatie der Welt stößt an ihre Grenzen

Kriege zeigen begrenzten internationalen Einfluss des Papstes

Veröffentlicht am 24.02.2024 um 12:10 Uhr – Von Ludwig Ring-Eifel (KNA) – Lesedauer: 

Vatikanstadt ‐ Vor zwei Jahren überfiel Russland die Ukraine. Der Krieg hat bislang Zehntausende getötet und unzählige ukrainische Städte verwüstet. Der Westen liefert den Angegriffenen Waffen. Auch der Papst und seine Diplomaten waren engagiert – aber erfolglos.

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Mehr als hundert Mal hat Papst Franziskus seit Kriegsbeginn zum Gebet für die Ukraine aufgerufen. Mit Aufsehen erregenden und auch missverständlichen Gesten hat er versucht, auf die Kriegsparteien einzuwirken und die "Logik des Hasses" zu überwinden. Ähnlich wie die Versuche von Benedikt XV., der im Ersten Weltkrieg zwischen Deutschen und Franzosen vermitteln wollte, waren auch Franziskus' Initiativen bisher nicht erfolgreich. Schonungslos zeigt der Krieg die Schwächen und Grenzen der vatikanischen Diplomatie.

Schon die kleine Geste des Papstes, der am Tag nach dem russischen Angriff persönlich zum Botschafter Moskaus beim Heiligen Stuhl pilgerte und ihn beschwor, etwas für den Frieden zu tun, verpuffte wirkungslos. Es war die ukrainische Armee, die eine auf Kiew zurollende Kolonne russischer Panzer zum Abzug zwang, nicht die Friedensinitiativen westlicher Politiker oder die Worte des Papstes.

Versuch, das Freund-Feind-Denken zu überwinden

Seither versucht Franziskus immer wieder, die Kriegsparteien und die Weltöffentlichkeit vom Freund-Feind-Denken abzubringen. Lange weigerte er sich, Russland als Aggressor und die Ukraine als Opfer zu bezeichnen. Nur in wenigen seiner mehr als 100 Äußerungen zum Krieg erwähnte er das Recht auf Selbstverteidigung der Ukrainer. Den ukrainischen Botschafter beim Heiligen Stuhl, Adrij Jurasch, brachte er immer wieder an den Rand des Zorns.

Kardinal Zuppi im Gespräch mit dem Moskauer Patriarchen Kyrill
Bild: ©Oleg Varov/Moskauer Patriarchat/Romano Siciliani/KNA

Kardinal Matteo Zuppi wurde von Papst Franziskus nach dem Beginn des Ukraine-Kriegs mit einer Friedensmission beauftragt.

Tiefpunkt war ein Streit um Worte des Papstes am 24. August 2022, genau ein halbes Jahr nach dem Beginn des russischen Großangriffs. Damals sagte Franziskus, die Unschuldigen bezahlten für den auf beiden Seiten vorhandenen Wahnsinn des Krieges. Daraufhin hatte Botschafter Jurasch erklärt, es sei nicht angemessen, Ukraine und Russland in diesem Krieg auf eine Stufe zu stellen.

Als er ein Jahr später in einem Video-Gespräch mit russischen Kindern vom "Erbe der Größe Russlands" sprach, wurde sogar in der stets papsttreuen griechisch-katholischen Kirche in der Ukraine Unmut laut. Der Kiewer Großerzbischof Swjatoslaw Schewtschuk hatte Mühe, das Kirchenvolk zu beruhigen und beschwor im September bei einer in Rom abgehaltenen Synode der Ukrainer den Schulterschluss mit dem Papst.

Franziskus' Reise- und Telefondiplomatie erreichte wenig

Franziskus versuche, sich mit seiner relativ freundlichen Haltung in Richtung Moskau die Tür offen zu halten für eine mögliche Vermittlerrolle, so mutmaßten damals wohlwollende Vatikan-Beobachter. Und tatsächlich engagierte sich der Vatikan auf mehreren Ebenen – allerdings mit mäßigem Erfolg.

Eine Ebene war die Friedensmission, mit der der Papst den italienischen Kardinal Matteo Zuppi (Bologna) beauftragte. Zwar sprach Zuppi mit wichtigen Playern in dem Konflikt und reiste dafür nach Washington, Kiew, Moskau und Peking. Doch außer kleinen Fortschritten beim Austausch von Kriegsgefangenen sowie vereinzelten Rückführungen von verschleppten ukrainischen Minderjährigen erreichte er in rund zehn Monaten Reise- und Telefondiplomatie wenig.

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Dass er einen Sondergesandten schicken wolle, hatte Franziskus am 30. April 2023 auf dem Flug von Budapest nach Rom vor der Presse verkündet. Zuvor hatte der Papst mit einem wichtigen Vertreter der russisch-orthodoxen Kirche in Budapest gesprochen, dem früheren "Außenminister" des Moskauer Patriarchats, Metropolit Hilarion. Auch bei Zuppis Gesprächen in Moskau spielte das Patriarchat dann wieder eine Rolle: Dort traf er sogar den Patriarchen Kyrill. Doch auch auf dieser zweiten Ebene vatikanischer Friedensbemühungen, der "Ökumene-Diplomatie", kam wenig Konkretes heraus.

Auch über Kanäle der offiziellen Diplomatie scheint sich nicht viel zu bewegen. Zwar gab es zwei Wochen nach dem russischen Angriff ein Telefonat von Außenminister Sergej Lawrow und Kardinalstaatssekretär Pietro Parolin; und im Oktober 2022 trafen sich die beiden am Rand der UN-Vollversammlung in New York. Damals betonte Parolin, dass der Papst auch zu einer Reise nach Moskau bereit sei, erhielt jedoch nur ausweichende Antworten auf das Angebot.

Auch im Nahost-Krieg bringt die Vatikan-Diplomatie wenig zuwege

Als sieben Monate später Zuppi den Auftrag zu seiner Friedensmission erhielt, sorgte Parolin dafür, dass stets auch ein Mann aus dem Staatssekretariat mit dem Kardinal reiste. Damit wurde Zuppis Sondermission in den Kontext der regulären vatikanischen Diplomatie eingebunden.

Ähnlich enttäuschend wie die Ausbeute der verschiedenen Gesprächskanäle im Ukraine-Konflikt ist derzeit das, was die vatikanische Diplomatie im Krieg Hamas gegen Israel zuwege bringt. Auch hier setzt der Vatikan auf ein mehrgleisiges Vorgehen. Vor Ort spielt der lateinische Patriarch von Jerusalem, Pierbattista Pizzaballa, eine "Schlüsselrolle", wie Papst Franziskus jüngst in einem Interview sagte.

Bild: ©picture alliance / ASSOCIATED PRESS | Tsafrir Abayov

Ähnlich enttäuschend wie die Ausbeute der verschiedenen Gesprächskanäle im Ukraine-Konflikt ist derzeit das, was die vatikanische Diplomatie im Krieg Hamas gegen Israel zuwege bringt (das Bild zeigt eine Szene vom 7. Oktober vergangenen Jahres, dem Tag des Angriffs der Terrororganisation Hamas auf Israel).

Mit wem er spricht und wie er Einfluss nehmen kann auf die erbittert verfeindeten Kriegsgegner, bleibt jedoch vorerst nebulös. Klar scheint, dass in dieser Weltregion die "religiöse Karte" eher sticht als die diplomatische. Aber auch diese versucht der Heilige Stuhl zwischen der israelischen und der palästinensischen Seite immer wieder ins Spiel zu bringen.

Vatikanische Diplomatie trotzdem kein zahnloser Tiger

Dass die vatikanische Diplomatie, die mitunter als die am besten vernetzte weltweit beschrieben wird, trotz mancher Misserfolge kein zahnloser Tiger ist, zeigen zwei Nachrichten aus Asien. Die eine betrifft Vietnam. Dort meldete der Vatikan nach jahrelangem Stillstand im Juli 2023 erhebliche Fortschritte: Es wurde eine Vereinbarung über die Errichtung einer Ständigen Vertretung des Heiligen Stuhls in Vietnam unterzeichnet. Bis zur formalen Aufnahme diplomatischer Beziehungen fehlt nur noch ein kleiner Schritt.

Auch aus dem benachbarten China kommen Erfolgsmeldungen, die dafür sprechen, dass die vatikanische Diplomatie – wenn sie in Sachen Religionsfreiheit unterwegs ist – auch unter schwierigen Bedingungen doch noch manches zustande bringt: Nach Monaten des Stillstandes zwischen Peking und dem Vatikan wurden seit Jahresbeginn gleich drei Bischofsweihen mitgeteilt. Die neuen Bischöfe wurden gemäß einem Geheimprotokoll aus dem Jahr 2018 ernannt.

Von Ludwig Ring-Eifel (KNA)