Franziskus fordere keine Kapitulation vor dem Aggressor

Deutsche Bischofskonferenz: Papst-Interview zur Ukraine unglücklich

Veröffentlicht am 11.03.2024 um 14:16 Uhr – Lesedauer: 

Bonn ‐ Fordert Franziskus die Ukraine auf, gegenüber Russland zu kapitulieren? Das meine der Papst nicht, stellt die Bischofskonferenz nun klar. Aber die deutschen Bischöfe können die Irritationen verstehen, die das Kirchenoberhaupt ausgelöst hat.

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Der Pressesprecher der Deutschen Bischofskonferenz (DBK), Matthias Kopp, sieht die Aufforderung des Papstes an die Ukrainer zum "Mut zur weißen Flagge" als unglücklich an. Gemeint sei nicht eine "Kapitulation gegenüber dem Aggressor-Staat Russland", sondern die Bereitschaft zu Verhandlungen, sagte Kopp am Montag auf Anfrage von katholisch.de. Der Papst habe ausdrücklich gesagt, dass Verhandeln niemals eine Kapitulation sei. Wenn über diesen Punkt Klarheit geschaffen sei, könne man angemessen über die Aussagen von Papst Franziskus nachdenken und auch streiten: "Ist es sinnvoll, die Ukraine und nicht im gleichen Atemzug Russland zu Verhandlungen aufzurufen? Ist eine echte Verhandlungsbereitschaft Moskaus zum gegenwärtigen Zeitpunkt überhaupt zu erkennen? Welche Bedingungen müssen gegeben sein, damit der schreckliche Krieg – ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg Russlands gegen das Nachbarland – auf dem Verhandlungsweg ein Ende finden kann?", so Kopp weiter.

"Dass Papst Franziskus die hier genannten Punkte in seinem Interview nicht aufgegriffen hat, hat bei vielen Beobachtern Irritationen ausgelöst, die wir nachvollziehen können", erläutert Kopp. "Es wäre gut, wenn der Heilige Stuhl in diesen Fragen eine inhaltliche Klärung seiner Position kommuniziert. Gleichwohl bleibt für uns selbstverständlich und vielfach belegt, dass der Papst – ebenso wie die Deutsche Bischofskonferenz – für einen gerechten und dauerhaften Frieden in der Ukraine eintritt." Aus der Sicht der deutschen Bischöfe müsse letztlich die Ukraine in kluger Abwägung selbst entscheiden, wann der Moment für Friedensverhandlungen gekommen sei. Das entspreche auch der jüngst veröffentlichten friedensethischen Position der DBK.

Ständige Synode der ukrainischen katholischen Kirche gegen Verhandlungen

Am Sonntag äußerten sich auch die Bischöfe der Ständigen Synode der ukrainischen griechisch-katholischen Kirche. "Trotz der Vorschläge von Vertretern verschiedener Staaten, einschließlich des Heiligen Vaters, die die Notwendigkeit von Verhandlungen andeuten, werden die Ukrainer weiterhin ihre Freiheit und Würde im Kampf für einen nachhaltigen und gerechten Frieden für ihr Land und die Welt verteidigen", so die Erklärung. "Die Ukrainer glauben an die Freiheit und die gottgegebene Menschenwürde. Sie glauben an die Wahrheit – die Wahrheit Gottes. Sie sind überzeugt, dass Gottes Wahrheit sich durchsetzen wird." Die ständige Synode ist das höchste Gremium der Kirche zwischen den Sitzungen der Bischofssynode und besteht aus dem Großerzbischof und vier weiteren Bischöfen, darunter Bischof Bohdan Dziurakh, dem Apostolischen Exarchen in Deutschland und Skandinavien.

In ihrer Erklärung betonen die Bischöfe, dass ihnen das Papst-Interview nicht in Gänze vorliegt. Die Ständige Synode wolle sich daher nicht mit den Worten des Papstes aufhalten, sondern die Position der Mehrheit der Ukrainer verdeutlichen: "Jedem, der in der Ukraine lebt, ist klar, dass die Ukraine jetzt verwundet, aber unzerbrechlich, müde, aber widerstandsfähig ist." Die Ukrainer dürften nicht aufhören, sich zu verteidigen, "denn Kapitulation bedeutet den Tod". Putins und Russlands Absichten seien klar und unmissverständlich. Die Ukrainer würden sich verteidigen, da sie wissen, dass sie keine andere Wahl haben: "Die jüngste Geschichte hat gezeigt, dass es keine echten Verhandlungen mit Putin geben kann." Die Ständige Synode verweist dafür auf den 1994 vereinbarten Verzicht der Ukraine auf ihr Atomwaffenarsenal im Gegenzug der Garantie von Unabhängigkeit und territorialer Integrität einschließlich der seit 2014 von Russland besetzten Halbinsel Krim. "Das Budapester Memorandum von 1994, das von Russland, den Vereinigten Staaten und dem Vereinigten Königreich unterzeichnet wurde, ist heute nicht mehr das Papier wert, auf dem es geschrieben steht. Dies wird auch bei jedem Abkommen der Fall sein, das aus 'erzwungenen Verhandlungen' mit Putins Russland hervorgeht", zeigten sich die Bischöfe überzeugt.

Papst Franziskus' Äußerungen zu Friedensverhandlungen in Russlands Angriffskrieg auf die Ukraine haben international vor allem für Kritik gesorgt. Am Samstagabend wurden Auszüge aus einem Interview des italienischsprachigen Schweizer Rundfunks RSI veröffentlicht. Darin sagte der Papst: "Ich glaube, derjenige ist stärker, der die Lage erkennt, der ans Volk denkt und den Mut zur weißen Flagge hat, zum Verhandeln." Das Interview soll am 20. März in voller Länge ausgestrahlt werden. Am Sonntag berichtete Vatican News über eine Erklärung von Vatikansprecher Matteo Bruni. Darin heißt es, dass der Papst mit seinen jüngst veröffentlichten Worten zur Ukraine "vor allem zu einem Waffenstillstand aufrufen und den Mut zu Verhandlungen wiederbeleben wollte". (fxn)