Kardinal Marx: Im interreligiösen Dialog auch Trennendes benennen
Nach Ansicht von Kardinal Reinhard Marx sollte im Dialog der Religionen auch Trennendes klar benannt werden. Bislang sei man "immer ausgegangen von dem, was uns verbindet", sagte der Erzbischof von München und Freising am Samstagabend im Alten Rathaus in München in der Laudatio zur Verleihung des mit 50.000 Euro dotierten Julius-Itzel-Preises. Ausgezeichnet wurde Andrea Riccardi, Gründer der Gemeinschaft Sant'Egidio.
Man müsse aber auch "immer wieder in den Blick nehmen, was uns voneinander trennt", sagte Marx. "Wenn wir das nicht ehrlich ansprechen, ehrlich miteinander ins Gespräch kommen, dann werden wir auch nicht im interreligiösen, auch nicht im politischen Diskurs weiterkommen." Am Ende schade es allen Religionen, wenn diejenigen, die Religion kritisch sähen, den Eindruck bekämen, dass Religionen Teil des Problems seien.
Der Kardinal bat den Preisträger insbesondere um "neue Anfänge" im interreligiösen Dialog. Es gelte daran zu arbeiten, dass Religionen als Kräfte des Friedens wahrgenommen würden und nicht als Teil des Problems. Diesem Eindruck stünden Kriegstreiber im Namen des christlichen oder des muslimischen Glaubens entgegen. Ausdrücklich nannte Marx in diesem Zusammenhang den russisch-orthodoxen Moskauer Patriarchen Kyrill und die Hamas in Palästina.
Bei den aktuellen Krisen, Kriegen und Auseinandersetzungen gehe es auch um die Grundlagen des menschlichen Zusammenlebens: "Die Demokratie wird keine Zukunft haben, wenn die Menschen nur das tun, wozu sie rechtlich verpflichtet sind." Marx würdigte die von Andrea Riccardi gegründete Gemeinschaft Sant'Egidio. Sie zeige eine Kirche der Menschlichkeit, die sich auch für den interreligiösen Dialog einsetze. Marx bat den Preisträger, nicht aufzugeben und den interreligiösen Dialog neu in den Blick zu nehmen.
Der italienische Intellektuelle und Friedensaktivist Riccardi habe sich zeitlebens für die Förderung von Solidarität und Gerechtigkeit eingesetzt, hieß es. Seine Vision und sein Glaube an die Kraft der Gemeinschaft hätten Sant'Egidio zu einem Leuchtturm der Menschlichkeit gemacht. In Deutschland ist die Gemeinschaft neben der Friedensarbeit vor allem in der Flüchtlingshilfe oder auch in der Förderung von Kindern und Jugendlichen aus bildungsfernen Milieus aktiv.
Der Julius-Itzel-Preis wurde zum achten Mal vergeben. Erste Preisträgerin im Jahr 2003 war die Lepra-Ärztin Ruth Pfau, zuletzt wurde der Preis an den früheren bayerischen Landtagspräsidenten Alois Glück (CSU) und den ehemaligen Bundesentwicklungsminister Gerd Müller (CSU) verliehen. Die Julius-Itzel-Stiftung engagiert sich seit den späten 1980er-Jahren für Menschen und Tiere in Not überall auf der Welt. Der Großindustrielle Julius Itzel (1905-1974) hatte die Gründung der Stiftung noch zu Lebzeiten in die Wege geleitet. (mpl/epd/KNA)