Erzbischof Bentz: Kein Gewissenskonflikt wegen Spannungen mit Rom
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Er ist Deutschlands neuester Diözesanbischof und spricht eine Woche nach seiner Amtseinführung über die ersten Tage im Amt. Im Interview erzählt der neue Paderborner Erzbischof Udo Markus Bentz, ob es in Zeiten der Kirchenkrise überhaupt erstrebenswert ist, ein Bischofsamt zu übernehmen. Außerdem spricht er über den Streit um den Synodalen Weg und ob er dadurch in Gewissenskonflikte mit dem Papst gerät.
Frage: Seit Diesem Monat sind Sie Erzbischof von Paderborn, waren vorher aber schon Weihbischof im Bistum Mainz. Sie wurden also nicht geweiht, sondern nur in das neue Amt eingeführt. Wie fühlt sich das an? Ist das quasi nichts Halbes und nichts Ganzes?
Bentz: Nein, das würde ich gar nicht so sagen. Ich empfinde das ganz anders. Die Entscheidung damals, als ich gefragt wurde, ob ich das Amt des Weihbischofs übernehme, war tatsächlich mit der Weihe verbunden. Diese Entscheidung heute war, mich noch einmal in einer neuen Weise für die Kirche senden zu lassen, und das Amt der Einheit als Bischof einer Diözese zu übernehmen, mit all den Fragen die damit verbunden sind.
Jetzt kommt dazu, sich neu senden zu lassen. Das Neue, das Fremde, das Unbekannte, aber auch die Bereitschaft und die innere Freiheit, sich auf das Neue einzulassen, empfand ich in der Vorbereitung auf die Amtseinführung als meine geistliche Aufgabe – und das empfinde ich auch jetzt noch. Auch wenn viele Themen und Dinge vertraut sind, ist dieser Auftrag, die Kirche von Paderborn zu führen – in Einheit mit dem Kollegium der Bischöfe, für mich die Herausforderung.
Frage: Das ist für Sie also nicht einfach eine Beförderung.
Bentz: Nein, wirklich nicht. Ich will es mal von einer anderen Seite sehen: Mein bischöfliches Leitwort war die ganze Zeit "Überall predigen" – "Praedicare ubique", der Schluss des Markus-Evangeliums (Mk 16,20). Mit der Anfrage und der Aufforderung, ob ich bereit bin, Erzbischof von Paderborn zu werden, hat sich für mich ganz existenziell gezeigt, dass dieses "überall" an einem ganz neuen Ort und in einer neuen Ortskirche sein soll und sein kann. Das heißt auch, dieses "überall" nicht festzuhalten, sondern loszulassen von 35 Jahren meines bisherigen Wirkens im Bistum Mainz.
Dabei galt es, Beziehungen, Kontakte und Vertrautheit loszulassen und sich wirklich darauf einzulassen, an einen neuen Ort zu gehen, an dem ich neu anfange. Das ist eine Herausforderung spiritueller Art, aber auch eine Herausforderung als Mensch mit einem Beziehungsnetz. Das ist aber auch eine Herausforderung kirchlicher Art. Ich habe grundsätzlich gesagt, ich lasse mich dort senden, wo ich gebraucht werde. Hier ist man der Überzeugung, dass ich gebraucht werde. Dazu habe ich "ja" gesagt.
Frage: Ich habe mal den Satz gelesen, die Einführung eines neuen Bischofs sei im Prinzip eine Adoption – eine Adoption von der Seite der Gläubigen des Bistums, aber auch von Ihrer Seite, weil man sich noch nicht kennt und sich annähern muss. Finden Sie, das Bild passt?
Bentz: Das Erzbistum hat sich sehr genau Gedanken gemacht, was die Situation des Erzbistums ist, was es braucht, wohin der Weg führt und wer derjenige sein könnte, der es auf diesen Weg führt, mitgeht und begleitet. Da hat man sich sehr viele Gedanken gemacht. Und dann war für mich die Frage: Warum ausgerechnet ich? Was glaubt ihr, was ich mitbringe? Was erwartet ihr von mir? Und wie stimmig sind eure Erwartungen an mich und meine Erwartungen an diese neue Aufgabe? Wie kommen wir da in einer guten Weise zusammen, sodass wir erleben, dass es nicht nur unsere Überlegung ist, sondern dass es auch hoffentlich und ganz gewiss eine gute Fügung und Führung durch Gottes Geist ist, dass man jetzt zueinander kommt und miteinander einen Weg geht.
Ich habe das mal in einem Bild gesagt. Ich habe wahrgenommen, dass dieses Erzbistum auf einem Weg ist. Zu diesem Weg geselle ich mich jetzt dazu. Wir fangen nicht von null an, wir fangen keinen völlig neuen Weg an, sondern ich geselle mich dazu. Ich bringe aber das ein, was ich mitbringe, und ich versuche, meine Aufgabe, die mir auf dieser Weggemeinschaft jetzt als Bischof gestellt ist, gut zu erfüllen.
Frage: Es gab große Freunde in Paderborn und auch ein großes mediales Interesse, was einen in der heutigen Zeit bei der katholischen Kirche fast schon überrascht. Auf der anderen Seite starten Sie ja als Bischof und als Vertreter der katholischen Kirche nicht unbedingt in einer einfachen Zeit. Haben Sie ein bisschen Angst, dass diese Freude des Anfangs verfliegt und umschwenkt, sodass Sie dann eine Institution vertreten müssen, die eigentlich in der Öffentlichkeit nur verliert im Moment?
Bentz: Ich war sieben Jahre lang Generalvikar im Bistum Mainz und bin jetzt neun Jahre Bischof. Ich weiß, was es heißt, die Kirche in der Öffentlichkeit zu repräsentieren und das gesellschaftliche Gespräch zu führen – auch mit Menschen, Institutionen und mit Einrichtungen außerhalb von Kirche. Ich weiß, was es heißt, damit konfrontiert zu sein, wie Kirche gesellschaftlich wahrgenommen wird. In der Hinsicht mache ich mir überhaupt nichts vor. Ich bin da sehr nüchtern und sehr klar. Für mich ist aber wichtig: Die Freude ist da gewesen. Diese Freude ist nicht einfach nur eine Nullnummer, sondern diese Freude ist eigentlich ein Zeichen und Ausdruck dafür, dass sich dieses Erzbistum erneuert und neu auf den Weg macht.
Von einem guten Anfang lässt sich auch zehren und daraus entsteht ein Schwung. Allen – und mir auch – ist bekannt, dass es auch schwierige Themen gibt. Es werden schwierige Phasen kommen, es kehrt der Alltag ein und es wird nüchtern werden. Die Ausgangsbasis ist aber eine ganz andere. Ich bin zunächst einmal einfach dankbar über diese Herzlichkeit, diese Offenheit, das Willkommen sein und das Signal: "Mensch, wir wollen uns mit Ihnen auf den Weg machen, auch wenn wir wissen, der Weg wird kein leichter."
„Auch wenn viele Themen und Dinge vertraut sind, ist dieser Auftrag, die Kirche von Paderborn zu führen – in Einheit mit dem Kollegium der Bischöfe, für mich die Herausforderung.“
Frage: Es ist ja eigentlich fast sogar ein bisschen überraschend, dass die Reaktionen auch über Paderborn hinaus so positiv gewesen sind. Fast alles, was wir in den Medien über die Kirche hören, lesen und sehen, ist im Moment negativ. Trotzdem war das aber selbst in den Nachrichten und in den säkularen Medien eigentlich ein Freudenereignis. Können Sie diesen Schwung mitnehmen?
Bentz: Davon gehe ich aus, dass wir diesen Schwung mitnehmen. Wir spüren den und ich hoffe, dass auch was rüberkommt. Das ist ja nicht einfach nur eine Folklore-Freude gewesen, sondern damit verbinden sich Erwartungen und Hoffnungen. Damit verbinden sich auch Möglichkeiten, die nicht verschwinden, sondern die es gilt, gemeinsam mit der Bistumsleitung aufzugreifen und zu leben. Hoffnungen zu leben, das könnte so ein Thema für mich sein, das ganz wichtig ist.
Frage: Sie haben gesagt, es werden auch komplizierte Themen kommen. Eines von den Konfliktthemen sind die Reformbestrebungen des Synodalen Weges. Als Mitglied der Bischofskonferenz waren Sie auch schon Mitglied bei den Vollversammlungen des Synodalen Weges. Sie haben sich an verschiedenen Stellen bereits für Reformen in der Kirche ausgesprochen. Gleichzeitig vertreten Sie als Diözesanbischof ja auch den Papst und den Vatikan – im Moment in einem großen Konflikt. Bringt Sie das in einen Gewissenskonflikt?
Bentz: Es ist nicht der Gewissenskonflikt, sondern es ist für mich das, was zum Bischofsamt grundsätzlich mit dazugehört. Wenn dieses Bischofsamt Brückenbauer und Dienst an der Einheit ist, dann heißt das immer, ausgestreckt zu sein zwischen unterschiedlichen Dynamiken und unterschiedlichen Bewegungen. Das betrifft unterschiedliche Dynamiken innerhalb meines Bistums. Da werde ich in diesem Bistum erleben, dass ich in den verschiedenen Dynamiken dazwischenstehe – in einem guten Sinne. Hoffentlich gelingt es da, durch Gespräch, durch Überzeugung, durch konkrete Schritte, aber auch durch die Art, wie man diese Schritte geht, zu vermitteln und zu verbinden.
Das Gleiche gilt auch für die Ortskirche mit der Universalkirche oder für die Ortskirche mit der Bischofskonferenz. Die erste Aufgabe eines Bischofs ist es, zusammenzuhalten und zusammenzuführen, aber auch in einer Weise, dass in dieser Einheit eine plurale Dynamik möglich ist. Das gilt für mich auch im Verhältnis der derzeitigen Situation mit der synodalen Dynamik, die wir in Deutschland haben, und der synodalen Dynamik, die es auf weltkirchlicher Ebene gibt. Da braucht es das, was der Papst sagt: Hören, hören, hören und sprechen, sprechen, sprechen – und daraus Schritte gehen.
Wenn es dann Schritte gibt, die nach außen zunächst einmal wie eine Schleife oder wie eine Verschleppung wirken, dann gehört zu guten synodalen Prozessen mit dazu, dass man diese Schleifen geht, weil man der Überzeugung ist, dass man zusammenbleiben will und gemeinsam gehen will. Das führt uns weiter. In dieser Spannung sehe ich mich nicht in einem Gewissenskonflikt, sondern wirklich in der Absicht, die unterschiedlichen Dynamiken so zu verbinden, dass man weiß: Wir sind gemeinsam unterwegs.