Carina Adams über das Sonntagsevangelium

Der "ungläubige" Thomas – ein vernünftiger Glaubender

Veröffentlicht am 06.04.2024 um 11:30 Uhr – Lesedauer: 
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Bonn ‐ Schon die ersten Christen sahen sich mit der Frage konfrontiert, ob der Auferstandene überhaupt wirklich tot war. Der Evangelist zeigt für Carina Adams im heutigen Evangelium anhand von Thomas, wie wir mit dieser "unglaublichen" Botschaft umgehen können.

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Es ist eine Erzählung, die dem Jünger Thomas den Beinamen der "Ungläubige" eingebracht hat. Aber eigentlich zeigt sie uns, wie Glaube vernünftig wird.

Thomas ist nicht dabei, als Jesus den anderen Jüngern erscheint, hört aber ihre Berichte. Er kann ihren Worten aber alleine nicht glauben. Thomas will es selbst erleben, sonst traut er ihrer Aussage: "Wir haben den Herrn gesehen" nicht. Und genau darum geht es: Um glauben zu können, muss Thomas Jesus selbst erfahren.

Die Auferstehungsberichte der Evangelisten haben eines gemeinsam: Sie erklären, wie es nach Jesu Tod weitergehen konnte. Moderne Wissenschaftler stellen keine neuen Thesen auf, wenn sie als Erklärung für den Auferstandenen einfach seinen Tod in Frage stellen. Es ist eine naheliegende Lösung für das "Problem" der Auferstehung, die nicht in die Gesetze unserer Welt passt. Mit dieser Frage sahen sich die ersten Christen und eben auch die Evangelisten konfrontiert.

Die Erzählung vom "ungläubigen" Thomas behandelt das Thema auf brillante Weise. Thomas will seinen Finger selbst in die Wunden Jesu legen, er will einen handfesten Beweis für Tod und Auferstehung. Der Evangelist weiß, dass diese Erfahrung für die Christen seiner Zeit schon nicht mehr möglich ist und auch in Zukunft nicht sein wird.

Also zeigt er anhand von Thomas, wie wir mit dieser "unglaublichen" Botschaft umgehen können. Es geht nicht darum, durch Thomas einen "wissenschaftlichen Beweis" zu erbringen. Die Wunden lassen sich medizinisch erklären, interpretieren und verargumentieren. Thomas zeigt uns, worauf es aber wirklich ankommt.

Die Erzählung enthält wie alle Auferstehungsberichte einen mystischen Anklang, Jesus agiert als der Auferstandene anders als vor der Kreuzigung. So erkennen ihn die Emmausjünger und Maria Magdalena erst nicht. Und auch hier tritt Jesus unter die Jünger als die Türen verschlossen sind und zeigt: Mein Königreich ist nicht von dieser Welt.

"Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben." Damit will uns der Evangelist nicht sagen, dass wir blind und ohne zu hinterfragen einfach irgendwelche Behauptungen für bare Münze nehmen sollen. Thomas hinterfragt zu Recht das Glaubensbekenntnis der anderen Jünger. Es geht hier um die Erfahrung.

Thomas spricht sein eigenes Glaubensbekenntnis, nachdem er Jesus erfahren hat. Der gute Hirte, der extra für Thomas noch einmal unter die Jünger tritt, weil er sich für jedes einzelne seiner Schäfchen interessiert. Der Evangelist zeigt uns: Thomas zweifelt an den alleinigen Erfahrungsberichten anderer und das ist nicht verwerflich. Und es werden genauso wieder Menschen an der Erfahrung von Thomas zweifeln. Das macht aber nichts. Ein gesunder Zweifel gehört zum Glauben dazu.

Aber Jesus nimmt diesen Zweifel und das Ringen jedes Einzelnen ernst. Er wendet sich persönlich jedem Einzelnen zu und ermöglicht uns noch heute ihn zu erfahren. Nicht wie vor der Auferstehung. Anders. Aber die Erfahrung des Auferstanden in unserem konkreten Leben können wir auch heute machen. Und nur so gelangen wir zu dem Bekenntnis: "Mein Herr und mein Gott!"

Aus dem Evangelium nach Johannes (Joh 20,19–31)

Am Abend des ersten Tages der Woche, als die Jünger aus Furcht vor den Juden bei verschlossenen Türen beisammen waren, kam Jesus, trat in ihre Mitte und sagte zu ihnen: Friede sei mit euch! Nach diesen Wortenzeigte er ihnen seine Hände und seine Seite. Da freuten sich die Jünger, als sie den Herrn sahen. Jesus sagte noch einmal zu ihnen: Friede sei mit euch! Wie mich der Vater gesandt hat, so sende ich euch. Nachdem er das gesagt hatte, hauchte er sie an und sagte zu ihnen: Empfangt den Heiligen Geist! Denen ihr die Sünden erlasst, denen sind sie erlassen; denen ihr sie behaltet, sind sie behalten.

Thomas, der Dídymus – Zwilling – genannt wurde, einer der Zwölf, war nicht bei ihnen, als Jesus kam. Die anderen Jünger sagten zu ihm: Wir haben den Herrn gesehen. Er entgegnete ihnen: Wenn ich nicht das Mal der Nägel an seinen Händen sehe und wenn ich meinen Finger nicht in das Mal der Nägel und meine Hand nicht in seine Seite lege, glaube ich nicht. Acht Tage darauf waren seine Jünger wieder drinnen versammelt und Thomas war dabei. Da kam Jesus bei verschlossenen Türen, trat in ihre Mitte und sagte: Friede sei mit euch! Dann sagte er zu Thomas:
Streck deinen Finger hierher aus und sieh meine Hände!
Streck deine Hand aus und leg sie in meine Seite
und sei nicht ungläubig, sondern gläubig!

Thomas antwortete und sagte zu ihm: Mein Herr und mein Gott! Jesus sagte zu ihm: Weil du mich gesehen hast, glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben.

Noch viele andere Zeichen hat Jesus vor den Augen seiner Jünger getan, die in diesem Buch nicht aufgeschrieben sind. Diese aber sind aufgeschrieben, damit ihr glaubt, dass Jesus der Christus ist, der Sohn Gottes, und damit ihr durch den Glauben Leben habt in seinem Namen.

Ausgelegt!

Als Vorbereitung auf die Sonntagsmesse oder als anschließender Impuls: Unser Format "Ausgelegt!" versorgt Sie mit dem jeweiligen Evangelium und Denkanstößen von ausgewählten Theologen.

Die Autorin

Carina Adams ist studierte Theologin und Redakteurin bei katholisch.de.