Paderborner Fakultät will Aufgaben übernehmen

Aus für Sozialinstitut KSZ beschlossen – Alternative am Horizont

Veröffentlicht am 16.04.2024 um 13:06 Uhr – Lesedauer: 

Bonn/Paderborn ‐ Die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle steht für die große Tradition der katholischen Soziallehre. Die Deutsche Bischofskonferenz hat nun ihre Abwicklung beschlossen – doch gleichzeitig tun sich Alternativen für eine Weiterarbeit auf.

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Die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle (KSZ) Mönchengladbach könnte trotz ihrer geplanten Schließung durch die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) eine Zukunft haben. Am Montag teilte die Theologische Fakultät Paderborn mit, dass sie zusammen mit der KSZ die Möglichkeit einer Übernahme zentraler Aufgaben des Sozialinstituts am Standort Paderborn prüfe.

Ziel der Überlegungen der Fakultät und des KSZ sei es, die Kernelemente der KSZ als kommunikativer Schnittstelle zwischen den verschiedenen kirchlichen und wissenschaftlichen Akteuren, die sich vor dem Hintergrund der katholischen Soziallehre und der Christlichen Sozialethik mit sozialen und wirtschaftsethischen Fragestellungen auseinandersetzen, unter dem Dach einer Hochschuleinrichtung mit einem ausgeprägten sozialethischen Profil weiterzuführen. Der gegenwärtige Direktor der KSZ Peter Schallenberg ist zugleich Professor für Moraltheologie an der Paderborner Fakultät. "Ich bin überzeugt, dass die gute Arbeit der KSZ gerade im Zusammenspiel mit evangelischer Sozialethik und den Wirtschaftsverbänden unseres Landes unbedingt fortgeführt werden sollte, sodass die Stimme der christlichen Soziallehre in der Tradition sozialer Marktwirtschaft hörbar bleibt", so Schallenberg. Der Rektor der Paderborner Fakultät, Aaron Langenfeld, sieht in einer Übernahme die Chance, das Forschungsprofil auszudifferenzieren und Kooperationen auszubauen: "Die KSZ ist ausgezeichnet vernetzt und die Weiterführung ihrer Aufgaben bietet großes Potenzial für eine Stärkung unseres wirtschaftsethischen, aber auch ökumenischen Schwerpunktes."

DBK nennt erstmals Gründe für Schließung

Unterdessen hat sich die DBK erstmals dazu geäußert, warum sie die KSZ schließt. Der Hauptgrund liege in der veränderten gesellschaftlichen Situation, teilte die DBK am Dienstag mit. Die theologische Auseinandersetzung mit katholischen und sozialwissenschaftlichen Fragestellungen habe sich pluralisiert und finde heute an ganz unterschiedlichen Orten statt, was der wissenschaftlichen Auseinandersetzung zuträglich sei. Neben einer stärkeren Etablierung der Sozialethik an katholischen Fakultäten würden auch an den katholischen Akademien sozial- und gesellschaftspolitische Fragestellungen intensiv reflektiert. Hinzu komme der Rückgang finanzieller Ressourcen. Die DBK teilte außerdem mit, dass die Mitgliederversammlung des Trägervereins am Montag seine Auflösung beschlossen hat und die KSZ zum Ende des Jahres ihre Arbeit einstellen werden.

Den Trägern, neben der DBK auch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK), sei bewusst, dass die geplante Schließung ein Einschnitt sei. Das bedeute aber nicht, Sozialethik als Thema aufzugeben. "Es ist vielmehr das Ziel, die Besorgung der vielen Aufgaben der Kirche zukunftsfest zu machen. Die Auseinandersetzung mit sozial- und gesellschaftspolitischen Fragen wird auch in Zukunft eine zentrale Aufgabe sein", so die Mitteilung.

Sozialethiker und Verbände bedauern Schließung

Anfang März wurden die Pläne zur Schließung bekannt. Gründe dafür wollten zunächst weder DBK noch das Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) auf Nachfrage nennen. Bei der Arbeitsgemeinschaft Christliche Sozialethik stießen die Pläne auf Bedauern. Gegenüber katholisch.de sagte deren Vorsitzende, die Würzburger Professorin Michelle Becka, dass damit einmal mehr Räume und Sichtbarkeit sozialpolitischer Reflexion und Aktivitäten von Theologie und Kirche reduziert würden. "Angesichts gegenwärtiger gesellschaftlicher Verwerfungen und Polarisierungen halte ich das für ein falsches Signal und bedauere die Entscheidung", so Becka weiter. Am Dienstag bedauerte der Sozialverband "Katholiken in Wirtschaft und Verwaltung" (KKV) die Schließungspläne als einen Fehlschritt. "Es wird eine etablierte Brücke zerstört, die es ermöglicht hat, katholische Werte in Diskussionen einzubringen", sagte der KKV-Bundesvorsitzende Josef Ridders. Bei einer Auflösung würde ein wichtiger und kompetenter Impulsgeber für inhaltliche Auseinandersetzungen fehlen. Ridders wies darauf hin, dass auch weitere Sozialverbände wie die Kolping-Bewegung, die Katholische Arbeitnehmerbewegung (KAB) oder der Bund Katholischer Unternehmer (BKU) von der Arbeit der KSZ profitiert hätten.

Die Katholische Sozialwissenschaftliche Zentralstelle besteht seit 1963 und wurde am Standort des Volksvereins für das katholische Deutschland gegründet. Der Volksverein war ab 1890 bis zu seiner erzwungenen Auflösung 1933 eine wichtige Stimme für die katholische Sozialethik und die katholische Arbeiterschaft. Die KSZ hat die Aufgabe, sich mit grundlegenden sozialethischen Fragen auseinanderzusetzen, die das Zusammenleben in Kirche und Gesellschaft betreffen. Ihr Gründungsdirektor war der Jesuit Gustav Gundlach (1892–1963), einer der Vordenker der katholischen Soziallehre. Zu den bekanntesten Veröffentlichungen des Instituts gehört die aufgrund ihrer charakteristischen Titelgestaltung "grüne Reihe" genannte Zeitschrift "Kirche und Gesellschaft". (fxn)