Erzbistum Berlin definiert christliches Profil für katholische Einrichtungen

Berliner Generalvikar: Wer bei uns arbeitet, wirkt an der Sendung mit

Veröffentlicht am 30.04.2024 um 00:01 Uhr – Von Felix Neumann – Lesedauer: 

Berlin ‐ Wann ist eine Einrichtung katholisch? Im Erzbistum Berlin gibt es dafür jetzt ein klar definiertes Profil. Generalvikar Manfred Kollig erklärt, was das für kirchliche Einrichtungen bedeutet und warum damit das kirchliche Arbeitsrecht in der Realität angekommen ist.

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"Katholische Einrichtungen sind geprägt durch das christliche Gottes- und Menschenbild", heißt es in der Grundordnung des kirchlichen Dienstes, die Ende 2022 grundlegend reformiert wurde. Seither wird nicht mehr an der privaten Lebensführung von Beschäftigten festgemacht, wie katholisch eine kirchliche Einrichtung ist: An die Stelle von Loyalitätsobliegenheiten für Mitarbeitende ist die Pflicht des Dienstgebers getreten, den kirchlichen Charakters der Einrichtung zu schützen und zu stärken. Das Erzbistum Berlin hat nun festgelegt, wie dieses Profil aussehen soll. Auf knapp anderthalb Seiten wird definiert, was das Christliche in kirchlichen Einrichtungen ausmacht. Im katholisch.de-Interview erläutert Generalvikar Pater Manfred Kollig, was das Profil ausmacht – und wie er es selbst als Chef des Generalvikariats umsetzt.

Frage: Herr Generalvikar, das Erzbistum Berlin hat ein "christliches Profil katholischer Prägung" für kirchliche Einrichtungen definiert. Warum?

Kollig: Die neue Grundordnung des kirchlichen Dienstes sieht vor, dass der Dienstgeber die Verantwortung hat, ein Profil festzulegen, aus dem sich dann Leitbilder von Einrichtungen ergeben. Das ist ein großer Unterschied zum vorherigen kirchlichen Arbeitsrecht. Das Profil liegt in der Verantwortung der Institution, aber wir haben es nicht von oben herab verordnet, sondern gemeinsam mit vielen Vertreterinnen und Vertretern von Dienstgeber- und Dienstnehmerseite entwickelt.

Frage: Wie hat sich das Verständnis des kirchlichen Arbeitsrechts verändert?

P. Manfred: Früher war es so, dass eine Einrichtung dadurch katholisch sein sollte, dass Beschäftigte im Regelfall katholisch sind und ihr Privatleben nach den Vorstellungen der Kirche ausrichten. Das ist aber schon lange gar nicht mehr möglich – gerade hier im Erzbistum finden wir schlicht das Personal nicht, das zugleich fachlich qualifiziert und katholisch ist. Mit diesem Wechsel von der Katholizität durch katholische Mitarbeitende hin zu einem christlichen Profil, das von der Einrichtung ausgefüllt werden muss, ist das kirchliche Arbeitsrecht in der Realität angekommen.

Zur Person

Pater Manfred Kollig ist Mitglied der Arnsteiner Patres. Seit 2017 ist er Generalvikar im Erzbistum Berlin. Zuvor war er unter anderem Leiter der Hauptabteilung Seelsorge im Bischöflichen Generalvikariat Münster und Teil der Generalleitung seines Ordens in Rom.

Frage: Und was macht das christliche Profil im Erzbistum Berlin aus?

P. Manfred: Unser Profil speist sich aus zwei Quellen. Die eine Quelle ist das, wovon wir überzeugt sind: An welchen Gott glauben wir? Was wissen wir über diesen Gott? Wie ist dieser Gott? Die zweite Quelle: Wie ist die konkrete Situation in dieser Welt und was braucht die Welt von diesem Gott und von unserem Glauben und von unserem Leben aus dem Glauben heraus. Kurz: Was dient der Welt?

Frage: Das Profil ist sehr allgemein und grundsätzlich gehalten. "Wir treffen Entscheidungen und handeln konsequent", "Wir übernehmen Verantwortung und handeln konsequent" sind zum Beispiel zwei der Führungsgrundsätze. Das können sicher auch alle säkularen Unternehmen unterschreiben. Was ist das spezifisch Christliche am christlichen Profil?

P. Manfred: Natürlich sind wir nicht die einzigen, die fair miteinander umgehen und konsequent sein wollen. Uns ist wichtig, an den Anfang den Grund unseres Handeln zu stellen: Wir glauben an einen Gott, der beziehungsstark ist, und der zum Heil der ganzen Welt gekommen ist. Deshalb nehmen wir die Welt in ihrer Vielfalt in den Blick, in ganzen Erzbistum, in Berlin, in Brandenburg, in Vorpommern. Unser Gottesbild motiviert uns, auf diese Vielfalt vernünftig und gut einzugehen. Der Dienst der Kirche – in der Bildung, in den Krankenhäusern, in Beratungsstellen und an vielen anderen Orten – ist ein Dienst für alle. Gott ist für alle da. Er will, dass alle Menschen gut leben können und in diesem Auftrag sind wir unterwegs.

Frage: Für Beschäftigte wurden die Loyalitätspflichten gesenkt, schon lange können alle unabhängig von ihrem Glauben und ihrer Konfession in der katholischen Kirche mitarbeiten. Jetzt sind die Leitungsverantwortlichen für das christliche Profil verantwortlich. Was heißt das für sie: Können nur Menschen Leitung in kirchlichen Einrichtungen übernehmen, die selbst aus dieser christlichen Hoffnung und Überzeugung leben?

P. Manfred: Nicht alle, die in Leitungspositionen sind, müssen selbst an Gott glauben. Aber sie müssen wissen und vertreten, aus welcher Motivation heraus wir etwas tun. Es geht nicht nur darum, dass unsere Arbeit gut ist, sondern dass wir als kirchliche Einrichtung auch den Auftrag haben, durch das, was wir tun, etwas von unserem Gott zu erzählen. Auch wenn ich nicht selbst an Gott glaube, muss ich wissen, dass die, die diese Einrichtung tragen, etwas von Gott zeigen wollen.

Frage: Was ändert das Profil konkret? Werden kirchliche Einrichtungen damit anders geleitet als zuvor?

P. Manfred: Alle Träger müssen jetzt dafür sorgen, dass alle in den Einrichtungen wissen, warum wir etwas tun. Das ist an vielen Orten schon klar. Aber sicher gibt es auch Einrichtungen, in denen dieses Bewusstsein noch nicht da ist. Wir erwarten von unseren Mitarbeitenden nicht, dass sie katholisch sind. Wer aber bei uns arbeitet, muss wissen, welche Bedeutung Sakramente für Katholikinnen und Katholiken haben, und muss dafür Sorge tragen, dass die, die sie empfangen wollen, sie empfangen können. Das gilt in Krankenhäusern, in sozialen Einrichtungen, in allen kirchlichen Einrichtungen. Zum professionellen Arbeiten in kirchlichen Einrichtungen gehört nicht unbedingt, den Glauben persönlich zu teilen, sondern die Bedeutung zu kennen und zu ermöglichen, dieser Dimension Raum zu geben.

Frage: Ein Grundsatz ist "Wir ermöglichen, die religiöse Überzeugung zu leben, ohne diese anderen Menschen aufzudrängen". Gilt das nur für christliche Mitarbeitende, oder auch für die Muslima, die Kopftuch trägt und an ihrer Arbeitsstelle ihr Gebet verrichten will?

P. Manfred: Das gilt für alle, nicht nur für Christinnen und Christen. In unserer heutigen zunehmend säkularen Gesellschaft ist es wichtig, dass wir als Kirche Anwalt dafür sind, dass alle Menschen ihre Beziehung zu Gott leben können. Alle, die selbst aus einer Gottesbeziehung leben, sollten dafür sorgen, dass die religiöse Dimension auch von anderen Gläubigen Raum und Zeit haben darf.

Frage: Als Generalvikar sind Sie selbst Leiter einer großen kirchlichen Einrichtung. Für das Ordinariat haben Sie das Profil auf zwölf Führungsgrundsätze komprimiert. Wie setzen Sie das als Chef in Ihrem Leitungshandeln um?

P. Manfred: Mir ist es wichtig, dass wir kommunikativ gut aufgestellt sind: Wen muss ich informieren, wer könnte etwas wissen, was hilfreich ist, wen sollte ich einbeziehen? Dass es ein Erzbischöfliches Ordinariat gibt, ist kein Selbstzweck. Diese "Behörde" soll die Sendung der Kirche ermöglichen. Wir müssen also darauf schauen, was es heute in der Gesellschaft braucht, wo wir unsere Schwerpunkte setzen. In Zeiten, in denen es kein staatliches Krankenhauswesen gab, äußerte sich die Sendung der Kirche besonders in ihrer Sorge für die Kranken. Genauso müssen wir heute darauf schauen, wo es schlecht um die Würde von Menschen steht. Ich denke an Obdachlose oder Geflüchtete. Diesen Blick hier ins Haus zu bringen, ist meine Aufgabe. Da muss man manchmal auch unkonventionelle Wege gehen.

Frage: Zum Beispiel?

P. Manfred: Wir experimentieren mit Projekten, die nicht immer durch die Maschinerie des üblichen Behördenablaufs gehen müssen, die ein Stück außerhalb der Ordnung laufen. "Sehen, urteilen, handeln" ist der übliche Gang. Aber um wirklich weiterzukommen, muss es manchmal andersherum gehen: handeln, sehen, urteilen. Also erst einmal ausprobieren, dann sehen, was das bewirkt hat, und erst dann werten.

Frage: Was sind jetzt die nächsten Schritte in den Einrichtungen? Was soll der Leiter einer Caritas-Sozialstation in Vorpommern oder die Krankenhausdirektorin in Brandenburg tun, wenn das Papier zum Profil auf dem Tisch landet?

P. Manfred: Mit den Mitarbeitenden ins Gespräch darüber kommen: Das ist unser Profil. Was denken Sie dazu? Was spricht Sie an, wo haben Sie vielleicht ein Störgefühl? Je säkularer das Umfeld ist, je säkularer die Belegschaft, desto größer ist die Herausforderung, das zu vermitteln, was uns antreibt. Deshalb kann man nicht einfach ein Papier vorlegen und erwarten, dass sich daraus von selbst ein Leitbild ergibt. An der Sendung der Kirche mitzuwirken, soll nicht überfordern. Aber es muss klar sein, dass das das Ziel ist. Dazu muss man selbst nicht glauben oder katholisch sein, aber man muss bereit sein, diese Grundüberzeugung in der Welt zur Geltung zu bringen.

Von Felix Neumann

Führungsgrundsätze für das Erzbischöfliche Ordinariat Berlin

Auf der Grundlage des "Christlichen Profils katholischer Prägung für die Einrichtungen des Erzbistums Berlin und für die Einrichtungen katholischer Träger im Erzbistum Berlin" hat Generalvikar Manfred Kollig für das Erzbischöfliche Ordinariat Berlin Führungsgrundsätze in Kraft gesetzt:

I. Wir wissen um die Bedeutung des Wortes Gottes und der Sakramente und bieten sie den Menschen in unseren Einrichtungen an.
II. Wir übernehmen Verantwortung und handeln konsequent.
III. Wir treffen Entscheidungen und schieben Dinge nicht auf.
IV. Wir sind transparent und ehrlich, um Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter Mitwirkung zu ermöglichen.
V. Wir nehmen persönliche Krisensituationen wahr und unterstützen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter.
VI. Wir tragen Konflikte offen und fair aus und suchen Kompromisse.
VII. Wir sehen Wandel als Chance und gestalten Veränderung.
VIII. Wir betrachten das Ganze und nicht nur einen Teil.
IX. Wir hören gut zu und versuchen zu verstehen.
X. Wir ermöglichen, die religiöse Überzeugung zu leben, ohne diese anderen Menschen aufzudrängen.
XI. Wir sehen Stärken und Schwächen, um zu fördern und nicht zu beschränken.
XII. Wir probieren Dinge aus und zögern die Umsetzung nicht hinaus.