Alexander Görlach plädiert für eine Unterscheidung des Ehebegriffs in Staat und Kirche

Ehe für alle?

Veröffentlicht am 05.06.2015 um 00:01 Uhr – Von Alexander Görlach – Lesedauer: 
Standpunkt

Bonn ‐ Alexander Görlach plädiert für eine Unterscheidung in Staat und Kirche

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Innerhalb der Kirchen ist dieses Thema weniger positiv besetzt, denn das bisherige Ehe-Bild des Grundgesetzes bildet die christliche Vorstellung von der Ehe ab: eine Verbindung von Mann und Frau, aus der Kinder hervorgehen. Die Familie als Keimzelle der Gesellschaft. Käme die "Ehe für alle" würde sie ein weiteres Feld markieren, in dem sich das Christliche nicht mehr fände, fürchten die Kirchen.

Die Ehe, die der Staat anbietet, wenn ich dieses Verb nutzen darf, ist ja eine geradezu nicht religiöse. Der napoleonische Code Civil war in dieser Frage davon motiviert, das religiös fundierte Monopol der kirchlichen Eheschließung zu brechen. Es ist eine eigene Betrachtung wert, wieso die säkulare Ehe in Deutschland und anderenorts heute wieder mit dem religiösen Gut des Christentums aufgeladen zu existieren vermag.

Unabhängig davon: Ein säkulares Land wie Deutschland müsste eigentlich stolz darauf sein, ein Ehe-Angebot darzureichen, das auf seinen Bürger zugeschnitten ist und nicht auf den Gläubigen einer oder bestimmter Religionsgemeinschaften. Vielleicht sollte der Staat daher einfach die Ehe, die er anbietet, nicht mehr Ehe nennen, sondern anders. Dann gibt es auch nicht den Streit um die Deutungshoheit des Begriffs mit den Kirchen.

Aber was passiert denn mit Homosexuellen, die kirchlich gebunden sind, und die für ihre Lebensform nicht nur das Trostpflaster einer Segnung möchten, sondern eine andere Form? Das müssen die Religionsgemeinschaften für sich diskutieren und Lösungen finden, wenn sie denn möchten. Es ist kein Geheimnis, dass es der Islam nicht wirklich besser mit Schwulen und Lesben meint als das Christentum, ganz im Gegenteil. Wenn homosexuelle Menschen sich nicht mehr in ihrer Kirche willkommen fühlen oder von ihnen willkommen geheißen werden, ist das das eine. In ihrem Staat aber, da sollten sie sich unbedingt und uneingeschränkt von normativen Vorgaben wohl und heimisch fühlen dürfen.

In der Schrift heißt es "Man muss Gott mehr gehorchen als den Menschen" (Apg 5,29). Damit kann jeder religiös konnotierte Kulturkampf gegen gesellschaftliche Neuerungen begründet werden. Umso wichtiger ist es, die Seite der Identität von Menschen zu stärken, die der Welt zugewandt ist. Das können sich auch religiöse Menschen zu eigen machen: Denn nur wenn wir auf Erden fair und gerecht miteinander umgehen, werden wir Christen Erben des Himmels. So ermahnt uns die Heilige Schrift.

Die "Ehe für alle" ist der Schlussstein im Deckengewölbe unserer säkularen Kathedrale und sie ist ein Meilenstein auf dem Weg zu mehr Gleichheit und Fairness in unserer Gesellschaft. Minderheiten zu ihrem Recht zu verhelfen, das ist Christenpflicht.

Der Autor

Alexander Görlach ist Herausgeber und Chefredakteur des Debatten-Magazins "The European".

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Von Alexander Görlach