Trotz Gitter und strenger Regeln – Das Leben im Kloster der Trappistinnen

Äbtissin über strenge Klausur: "Entweder richtig oder gar nicht"

Veröffentlicht am 13.05.2024 um 00:01 Uhr – Von Madeleine Spendier und Melina Schütz – Lesedauer: 

Steinfeld  ‐ Die Nonnen vom Kloster Maria Frieden verbringen fast ihr ganzes Leben hinter Klostermauern. Auch strenge Ausgangsregeln gehören zu ihrem Alltag. Doch Askese bedeutet für die Äbtissin der Trappistinnen dort viel Lachen und Lebensfreude. Urlaub macht sie eigentlich nie.

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Schwester Gratia Adler wartet schon an der Treppe. Ihr Gesicht, ein einziges Lachen. Die 63-Jährige wirkt jugendlich. Sie geht mit uns in das Besucherzimmer des Klosters, dort stehen Kaffee und Wasser bereit. Seit 12 Jahren ist Schwester Gratia die Äbtissin der Trappistinnen in Steinfeld und damit die Oberin der neun Schwestern, die zur Gemeinschaft gehören. Die Nonnen gehören einem der strengsten Frauenorden in Deutschland an. Sie verbringen fast ihr gesamtes Leben in geschlossener Klausur und verlassen das Kloster selten. Vor zwei Jahren ist die kleine Frauengemeinschaft hierher nach Steinfeld umgezogen. Davor waren sie in Dahlem in der Eifel zu Hause. Das Kloster dort haben sie aufgegeben und verkauft, weil die Schwestern weniger wurden. Mit dem Umzug hat die Äbtissin die strengen Ausgangsregeln für ihre Mitschwestern etwas gelockert. Die Nonnen dürfen nun das Kloster in einem überschaubaren Radius verlassen und nach draußen spazieren gehen. Nur ein Handy sollten sie dabei haben, zur Sicherheit, erklärt Schwester Gratia.

Eine Mitschwester kommt ins Zimmer. Nach einem kurzen Nicken verlässt sie fast geräuschlos wieder den Raum. Die Sonne tanzt durch das Fenster. Äbtissin Gratia nimmt einen Schluck Kaffee. Seit über 30 Jahren lebt die Ordensfrau in dem Konvent der Trappistinnen. Urlaub hat sie in dieser Zeit keinen gemacht. Oder, nur ganz selten. Gratia lacht. Es sei einfach nicht üblich in ihrem Orden. Ausnahmen von der strengen Klausur gibt es aber schon. Etwa, wenn die eigenen Eltern im Sterben liegen. Dann dürfen die Ordensfrauen dorthin zu Besuch fahren. "Aber sonst, sind wir immer hier", meint Gratia. Die benediktinische  "stabilitas loci", das Versprechen ein Leben lang an einem Klosterort zu bleiben, nehmen die Trappistinnen ernst.

Klosterleben ist nicht für jede etwas...

Für manche Mitschwestern, die eintreten wollen, sei das anfangs schon hart, weiß Schwester Gratia. Sie habe einmal eine Kandidatin im Kloster erlebt, die nach einer Woche wieder weg war. Sie selbst ist gerne geblieben, nur ihre Familie hat sich schwer mit den strengen Ausgangsregeln getan, berichtet die Äbtissin. "Wir Schwestern leben hier nach dem Grundsatz: Entweder richtig oder gar nicht", ist die 63-Jährige überzeugt. Als Oberin gebe sie jeder Schwester so viel Freiheit wie nötig. Auch wenn es viel Askese im Kloster gibt, seien die Schwestern meist fröhlich gestimmt, so die Äbtissin. "Ich finde, Lachen ist gesund und wichtig." Auch wenn die Ordensregel es eher nicht gerne sehen würde, ergänzt sie.

Schwester Gratia ist in Freiburg aufgewachsen und hat von ihrem Bruder das erste Mal von den Trappisten in der Eifel erfahren. Später hat sie das Kloster dann selbst einmal besucht. Vor 70 Jahren wurde das Kloster der Trappistinnen in der Eifel gegründet und gehörte urpsünglich als Tochterkloster zur inzwischen aufgelösten Abtei Mariawald in der Eifel. In Deutschland gibt es noch eine weitere Schwesterngemeinschaft der Trappistinnen, das ist das Kloster Gethsemani in Dannenfels. Weltweit gehören zum Orden der Zisterzienser der strengeren Observanz rund 3.900 Ordensleute.

Bild: ©katholisch.de/ msp

Ein Blick in den Speisesaal der Nonnen, die im Kloster Maria Frieden in Steinfeld in strenger Klausur leben.

Schwester Gratia ist mit Anfang 20 in den Konvent der Trappistinnen in Dahlem eingetreten. Damals machte sie gerade ihre Ausbildung zur Lehrerin für Sonderpädagogik. "Es passte einfach von Anfang an", blickt sie zurück. Vor allem die Kraft der Stille trägt sie bis heute. Seit ihrer Einkleidung in die Gemeinschaft heißt sie "Gratia", das bedeutet "Gnade". Den Ordensnamen mag sie gerne. Ihr Gesicht strahlt unter dem weißen Gesichtsband. Die sogenannte "Gemp" bedeckt ihren Hals und ihre Haare. Die Ordenstracht, das weiße Habit samt schwarzem Skapulier und Schleier, trägt sie rund um die Uhr, also täglich und das seit fast 38 Jahren.

Einmal wollte sie ein Mann entführen

Jetzt zeigt die Äbtissin ihr Brustkreuz. Das Pektorale aus Zwetschenbaumholz trägt sie an einer einfachen Schnur um den Hals. Ihr Bruder hat es, als sie zur Äbtissin geweiht wurde, angefertigt. Sie drückt es an ihr Herz und sagt: "Damit ist mir Jesus immer nahe." Dann betrachtet sie das Holzkreuz nachdenklich. "Es erinnert mich immer daran, dass ich die Gemeinschaft mit trage - mit dem Herrn zusammen". Das Amt belaste sie zwar manches Mal, weil es immer wieder etwas zu entscheiden gebe, betont die 63-jährige Ordensfrau. Einen Ring am Finger trägt sie nicht. Der ist ihr zu unpraktisch. Sie zeigt den Ledergürtel ihres Habits und legt ihn auf den Tisch. Er sieht abgetragen aus. Ihren Klostereintritt hat sie bis heute nicht bereut. Zwar gab es vor einigen Jahren Spannungen in der Gemeinschaft, so dass ihr Zweifel kamen. Auch habe sie einmal ein Mann so sehr bedrängt, dass sie es mit der Angst zu tun bekam. Der wollte sie sogar entführen, erinnert sie sich. "Gut, dass wir ein Gitter in der Kirche haben", fügt sie hinzu. Das schütze die Schwestern, die in Klausur leben, vor zudringlichen Besuchern. Sie möchte es uns zeigen. 

Wir gehen in den schmalen Gang, der zur Kirche führt. Schwester Gratia bittet uns nun, nicht mehr zu sprechen, weil hier die Schwestern in Klausur leben. Während sie den Finger an den Mund führt, kommt eine junge Schwester dazu, die erst kürzlich in die Gemeinschaft eingetreten ist. Sie streckt der Äbtissin lachend eine Blume aus dem Klostergarten entgegen. Die beiden Nonnen prusten los. Wir gehen an den Zellen der Schwestern vorbei. "Ein paar sind noch frei", flüstert Schwester Gratia. Im hinteren Bereich des Gebäudes befindet sich ein Skriptorium mit Pulten, eine kleine Bibliothek sowie die Manufaktur für Trockenobst, Kräckern und Keksen und eine Paramentenwerkstatt. Aus der Küche duftet es nach Zimtgries. Im Refektorium gegenüber liegen neun Gedecke, schön geordnet auf dem Tisch. Der Kreuzgang führt geradewegs in die Kirche. Vor der Eingangstür stehen auf einer weißen Tafel einige Namen. "Für die beten wir in dieser Woche und auch für alle anderen Menschen", erklärt die Ordensfrau. Sieben Mal am Tag treffen sich die Nonnen im Chorraum zum Stundengebet. "Das strukturiert unseren Tag", findet Gratia. Das kontemplative Gebet ist das Herzstück des monastischen Lebens.

Bild: ©katholisch.de/ msp

Die Nonnen beim Gebet in der Klosterkirche in Steinfeld. Das Gitter trennt die Trappistinnen von der Gemeinde.

Das Chorgestühl in der Kirche ist ganz neu, es riecht nach frischem Holz. Vor dem Platz der Äbtissin steht ihr Krummstab, in der Rundung ist eine Taube zu erkennen. Dann stellt sich die Trappistin vor das schmiedeeiserne Gitter beim Schwesternchor. Es teilt die Kirche in zwei Räume. "Ganz glücklich bin ich nicht damit", gibt Gratia zu. Während der Messe wird die kleine Tür am Gitter zwar geöffnet, doch der Tabernakel, der Altar sowie der Priester und auch die mitfeiernde Gemeinde sind während der Messfeier auf der anderen Seite, also getrennt von den Schwestern. Das störe sie schon, sagt die Äbtissin, weil sie dem Priester während der Feier auch gerne einmal in die Augen sehen würde. In der Zwischenzeit hätten sich die Schwestern aber an das denkmalgeschützte Gitter in der Kirche gewöhnt. "Früher war mehr Gitter", räumt die Äbtissin ein. Denn ein weiteres Gitter aus der vormaligen Kirche in Dahlem wurde entfernt und an einen Zoo verschenkt, berichtet Schwester Gratia. "Wichtiger ist doch die innere Freiheit", erklärt sie dann. 

Bis vor kurzem gab es in der Gemeinschaft sogar einen eigenen Hausgeistlichen, den Superior, der mit den Schwestern neben der Klausur lebte und täglich mit ihnen Gottesdienst feierte. Jetzt ist er selbst in einen noch strengeren Orden eingetreten, berichtet Gratia. Seine Aufgaben hat stattdessen ein Salvatorianerpater übernommen. Praktischerweise wohnt der mit seiner Gemeinschaft in der Nähe des Klosters in Steinfeld. Jetzt holt Schwester Gratia ihre Flöte aus ihrer Zelle und spielt darauf in der Kirche. Die Töne hallen lange nach. Mit der Musik könne man einiges leichter aushalten, sagt die Trappistin. Dann zeigt sie die schweren Gesangsbücher, die sogenannten Antiphonalen, die auf dem Chorgestühl verteilt liegen. "Die sind kostbar, denn die kann man nicht mehr herstellen", erklärt Gratia. An Feiertagen singen die Schwestern daraus. Die Sonne strahlt auf die Bücher, die wie aus einer längst vergangenen Zeit wirken.

"Ich glaube, dass in der Stille Gott am meisten spürbar ist"

Dann beginnt das Mittagsgebet. Alle Schwestern kommen in der Kirche zusammen und singen die Psalmen auf Deutsch. Bei ihnen, hinter dem Gitter, sitzen noch zwei weitere Frauen, jedoch ohne Ordenskleid. Nach dem Gebet bleibt die Gruppe schweigend eine Weile zusammen. Die Stille dort tut gut. "Ich glaube, dass in der Stille Gott am meisten spürbar ist. Gott bewohnt die Stille", ist Schwester Gratia überzeugt. Nach dem Mittagessen begleitet sie uns zum Parkplatz. Sie genießt es, draußen zu sein und zeigt noch das Klostercafé nebenan, in dem klostereigene Produkte wie getrocknete Apfelringe und Kekse verkauft werden. Auf dem Gelände weiter hinten befindet sich noch ein anderer Frauenkonvent der Salvatorianerinnen. In dem Haus, in dem die Trappistinnen heute wohnen, lebten früher Benediktinerinnen. Diese sind in einen Konvent nach Bonn umgezogen. "Wir haben einen guten Kontakt zu ihnen", erzählt Gratia. Auf dem Gelände sind noch eine Kirche, ein Tagungshaus sowie eine Schule mit fast 800 Schülern untergebracht. Viel Betrieb um das Kloster Maria Frieden. "Anders als früher in Dahlem, das abgelegen in der Eifel lag", bemerkt die Äbtissin der Trappistinnen. Sie ist dankbar, hier in Steinfeld mit ihrer Gemeinschaft zu sein. Zum Abschied winkt sie fröhlich. Dann redet sie mit Schülern, die vor der Klostermauer auf den Bus warten, bevor sie zurück ins Kloster geht. Langsam. 

Von Madeleine Spendier und Melina Schütz