Kölner Priester scheitert mit Klage gegen Gercke-Missbrauchsgutachten
Ein Priester des Erzbistums Köln ist mit seiner Klage gegen die Veröffentlichung des Gercke-Missbrauchsgutachtens weitgehend gescheitert. Datenschutzrechte von Beschuldigten müssen hinter dem Interesse der Kirche an der Aufarbeitung zurücktreten, hat das Interdiözesane Datenschutzgericht in einer jetzt veröffentlichten Entscheidung (IDSG 16/2021 vom 24. Februar 2024) festgestellt. Die Klage des ehemals hochrangigen Priesters gegen das Erzbistum Köln und die kirchliche Datenschutzaufsicht wurde von dem Gericht größtenteils zurückgewiesen. Der Priester wird im Gercke-Gutachten anonymisiert als Beschuldigter geführt, sein Fall wurde ausführlich in den Medien thematisiert. Mit der Entscheidung stellt erstmals ein kirchliches Gericht fest, dass die Aufarbeitung von Missbrauch durch externe Gutachter und die Veröffentlichung ihrer Gutachten rechtlich zulässig ist. Die Entscheidung ist noch nicht rechtskräftig, es können noch Rechtsmittel beim Datenschutzgericht der Deutschen Bischofskonferenz eingelegt werden.
Das Erzbistum Köln hatte zwei Missbrauchsgutachten in Auftrag gegeben. Das Gutachten der Münchener Kanzlei Westpfahl Spilker Wastl (WSW) wurde 2020 nicht veröffentlicht. Das Erzbistum führte als Begründung auf Grundlage eines juristischen Gutachtens methodische Mängel an. Stattdessen wurde die Kölner Kanzlei Gercke Wollschläger mit einem zweiten Gutachten beauftragt, das 2021 veröffentlicht wurde.
Überragendes kirchliches Interesse an der Aufarbeitung
Der Kläger hatte unter anderem moniert, dass das veröffentlichte Gutachten nur unzureichend anonymisiert sei. Das Gericht kam zwar auch zu dem Schluss, dass der Beschuldigte identifizierbar sei, die Veröffentlichung des Gutachtens sei aber aus Gründen eines erheblichen kirchlichen Interesses zulässig. Zur Begründung führt das Gericht die Erkenntnisse der von der Deutschen Bischofskonferenz beauftragten und 2018 veröffentlichten MHG-Missbrauchsstudie an. Es entspreche einem erheblichen kirchlichen Interesse, neben der kirchen- und strafrechtlichen Untersuchung von Verdachtsfällen "das Handeln und Unterlassen der Kirche in Bezug auf Verdachtsfälle sexuellen Missbrauchs sorgfältig durch fachlich Unabhängige untersuchen zu lassen und Untersuchungsvorgang wie -ergebnis zu veröffentlichen", so die Richter. Zur Amtspflicht der Bischöfe gehöre das Gebot der Aufklärung und Aufarbeitung, "um der Wahrung der Würde von durch Missbrauch und Vertuschung Betroffenen (vgl. can. 208 CIC) willen und aus wohlverstandener Kirchenraison, die auf Erfüllung des von Jesus Christus mit Einsetzung der Kirche gegebenen Auftrags gerichtet ist".
Die Beauftragung einer Rechtsanwaltskanzlei mit der Aufarbeitung und der Ausarbeitung eines Gutachtens stehe zu diesen Zielen in einem angemessenen Verhältnis. Auch die Übergabe von nicht anonymisierten Akten an die aufarbeitende Kanzlei sei daher zulässig. Auch die Übermittlung der Daten des Klägers an das vatikanische Glaubensdikasterium sei nicht zu beanstanden, da sie vom Kirchenrecht gedeckt sei.
Durchstechen an die Presse ist Datenschutzverletzung
Erfolg hatte der Kläger nur in zwei Punkten: Das Erzbistum wurde durch das Gericht zum einen verpflichtet, dem Kläger durch Vorlage von Kopien Auskunft über seine Daten zu erteilen. Dazu gehören seine an die beiden beauftragten Anwaltskanzleien übermittelten personenbezogene Daten, die ihn betreffende Passage des unveröffentlichten WSW-Gutachtens sowie alle in seiner Personalakte einschließlich deren Nebenakten befindlichen personenbezogenen Daten über ihn. Zum anderen hat das Erzbistum den Kläger in seinen Datenschutzrechten dadurch verletzt, dass unzureichende technisch-organisatorische Maßnahmen dazu geführt haben, dass Dokumente des Klägers an die Presse durchgestochen wurden. Keinen Erfolg hatte der Kläger mit seinem Antrag, Einsicht in die Akten des kirchenrechtlichen Prozesses zu nehmen. Diese Prozesse unterliegen nach Ansicht des Gerichts nicht dem kirchlichen Datenschutzrecht, sondern dem Universalkirchenrecht, über das das Gericht nicht entscheiden darf.
Religionsgemeinschaften dürfen aufgrund einer Regelung in der europäischen Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) unter bestimmten Bedingungen ein eigenes Datenschutzrecht anwenden. Dazu gehört, dass kirchliches Datenschutzrecht in seinen Wertungen im Einklang mit dem staatlichen Recht stehen muss. In der katholischen Kirche gilt statt der DSGVO das Gesetz über den kirchlichen Datenschutz (KDG), über dessen Einhaltung kirchliche Datenschutzaufsichtsbehörden wachen. Für den gerichtlichen Rechtsweg gegen Datenschutzverstöße kirchlicher Stellen und Entscheidungen kirchlicher Datenschutzaufsichten wurde 2018 in Deutschland eine kirchliche Datenschutzgerichtsbarkeit eingerichtet, die aus zwei Instanzen besteht, dem Interdiözesanen Datenschutzgericht und als zweiter Instanz dem Datenschutzgericht der Deutschen Bischofskonferenz. (fxn)