Missbrauchsvorwürfe brachten Sozialpater Felipe Berrios zu Fall

Wie es zum Ausschluss des prominenten Jesuiten in Chile kam

Veröffentlicht am 14.05.2024 um 00:01 Uhr – Von Tobias Käufer (KNA) – Lesedauer: 

Santiago de Chile ‐ Felipe Berrios zählt in Chile zu den bekanntesten Gesichtern seines Jesuitenordens und gründete zahlreiche NGOs. Die Linksregierung unter Präsident Gabriel Boric bot ihm sogar eine Mitarbeit in der Regierung an.

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Auch nach seinem Ausschluss aus der Ordensgemeinschaft der Jesuiten gibt sich Felipe Berrios kämpferisch. Die Gemeinschaft habe sich von der öffentlichen Meinung leiten lassen, sagte Berrios der chilenischen Zeitung "La Tercera". Sein Bruch mit der Institution sei aber kein Bruch mit dem Evangelium, so der prominente Geistliche in einem ausführlichen Interview. Er sei traurig, aber innerlich ruhig.

Kurz zuvor hatten die Jesuiten den landesweit bekannten Pater aus ihrer Ordensgemeinschaft ausgeschlossen; nach einer Untersuchung um Vorwürfe sexuellen Fehlverhaltens gegenüber Mädchen und jungen Frauen. "Nach einem langen kirchenrechtlichen Verfahren hat der Generalobere der Jesuiten nach Prüfung der gesammelten Informationen den Ausschluss von Felipe Berrios angeordnet", heißt es in einer Erklärung. Die Ordensleitung untersagte Berrios zudem die öffentliche Ausübung des Priesteramtes und jeden seelsorgerischen Kontakt mit Minderjährigen für einen Zeitraum von zehn Jahren.

Selbstanzeige nach Suspendierung

Berrios selbst hatte nach Bekanntwerden der Vorwürfe 2022 und seiner vorübergehenden Suspendierung Anzeige gegen sich selbst erstattet, um Ermittlungen ins Rollen zu bringen. Dabei erhärteten sich die Vorwürfe gegen ihn nach Medienberichten nicht. Der Ordensmann selbst bezeichnete die Vorwürfe als nicht zutreffend. Zugleich warf er den Jesuiten vor, ihn bei der Wahrheitsfindung nicht genug unterstützt zu haben – und kehrte daraufhin aus eigenem Entschluss der Gemeinschaft den Rücken.

Priester und Vortragekreuz
Bild: ©KNA/Harald Oppitz (Symbolbild)

Die Ordensleitung untersagte Berrios zudem die öffentliche Ausübung des Priesteramtes und jeden seelsorgerischen Kontakt mit Minderjährigen für einen Zeitraum von zehn Jahren.

Nun erfolgte also sein Ausschluss. Berrios gründete zahlreiche soziale Nichtregierungsorganisationen in Chile; zudem arbeitete er etwa in Burundi und im Kongo. Mit der Kirchenleitung leistete er sich immer wieder harte inhaltliche Auseinandersetzungen. Politisch steht er der chilenischen Linken nahe. Als er 2014 von einem vierjährigen Aufenthalt in Afrika zurückkam, wurde er vom vom Rektor der Alberto-Hurtado-Universität, Fernando Montes, und dem damaligen Verteidigungsminister von Präsidentin Michelle Bachelet, Jorge Burgos, am Flughafen empfangen.

Links-Regierung bot ihm Führungsrolle an

Zu Beginn ihrer Amtszeit 2022 bot dann die neue Links-Regierung von Präsident Gabriel Boric dem Geistlichen an, eine Führungsrolle bei Projekten für den sozialen Wohnungsbau im zuständigen Ministerium zu übernehmen. Boric kam als Folge der Sozialproteste 2019 ins Amt, die Berrios unterstützt hatte. Während ihm sein Orden Grünes Licht gab, verzichtete Berrios aber, das Angebot der Regierung anzunehmen. Als wenig später die Vorwürfe auftauchten, ging Boric auf Distanz zu Berrios und brachte die Gründung einer staatlichen Wahrheitskommission zur Aufarbeitung kirchlicher Missbrauchsfälle ins Gespräch. In solchen Fällen müsse man immer auf der Seite der Opfer stehen, wurde er von chilenischen Medien zitiert. Ziel müsse sein, dass sich die Opfer nicht schutzlos fühlten.

Der Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche in Chile ist tiefgreifend. Eine Schlüsselrolle spielte der später entlassene, verurteilte und 2021 gestorbene Geistliche Fernando Karadima. Aus seinem Kreis gingen mehrere Bischöfe hervor, von denen schließlich mehrere zurücktraten. Zwischenzeitlich ermittelte Chiles Justiz in über 150 Verdachtsfällen wegen Missbrauchs gegen mehr als 200 Kirchenmitarbeiter. Bei den mutmaßlichen Opfern geht es um mindestens 240 Personen, von denen etwa die Hälfte zum Tatzeitpunkt minderjährig gewesen sein sollen. Die Kirche in Chile verordnete sich eine Null-Toleranz-Strategie gegenüber Missbrauch.

Von Tobias Käufer (KNA)