Ein Mann verlangt 680.000 Euro Schmerzensgeld von Diözese

Gericht schlägt Bistum Aachen und Missbrauchsbetroffenen Vergleich vor

Veröffentlicht am 14.05.2024 um 12:19 Uhr – Lesedauer: 

Aachen ‐ Er wurde über Jahre von zwei Priestern sexuell misshandelt: Nun fordert ein Mann 680.000 Euro Schmerzensgeld vom Bistum Aachen. Das Gericht schlägt vor, sich auf eine niedrigere Entschädigungssumme zu einigen – auch in zwei weiteren Fällen.

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Das Landgericht Aachen hat am Dienstag über drei Schmerzensgeldklagen von Missbrauchsbetroffenen gegen das Bistum Aachen verhandelt und jeweils einen Vergleich angeregt. Der Vorsitzende Richter Uwe Meiendresch schlug Beträge vor, die unterhalb der geforderten Summen der Kläger liegen, aber die bereits geleisteten freiwilligen Zahlungen der Kirche in Anerkennung des Leids deutlich übertreffen.

Im ersten Fall war der Betroffene den Angaben zufolge über Jahre von gleich zwei Priestern sexuell misshandelt und vergewaltigt worden. Er verlangt von der Kirche im Zuge der Amtshaftung 680.000 Euro. Das Gericht schlug eine Entschädigung von 190.000 Euro vor. Der Richter bezog sich bei seinem Vorschlag auf das wegweisende Urteil des Landgerichts Köln aus dem vergangenen Jahr: Danach musste das Erzbistum Köln einem früheren missbrauchten Messdiener 300.000 Euro zahlen. Im Aachener Fall ergebe dies nach Abzug der bereits von der Kirche gezahlten 80.000 Euro rund 220.000 Euro, so Meiendresch. Diese Summe sei aber wegen der offenen Frage der Verjährung und wegen Unklarheiten über einzelne Punkte aus der Anklageschrift zu halbieren.

Vielleicht auch Land NRW haftbar?

Der zweite Betroffene wirft einem Kaplan und Religionslehrer vor, ihn im Jahr 1990 als 17-Jährigen in seiner Wohnung vergewaltigt zu haben. Er fordert 325.000 Euro vom Bistum. In vergleichbaren Fällen seien Zahlungen von rund 100.000 Euro üblich, so Meiendresch. Abzüglich der von der Kirche bereits gezahlten 35.000 Euro bleibe ein Rest von 65.000 Euro. Auch diese Summe sei aber aufgrund der Umstände auf 20.000 bis 25.000 Euro zu reduzieren. Denn auch hier sei das Thema Verjährung nicht geklärt. Zudem stelle sich die Frage, ob das Land haftbar zu machen sei. Der Bistumsanwalt hatte deutlich gemacht, dass der Kaplan beim Land Nordrhein-Westfalen als Lehrer angestellt gewesen und die Tat im Zusammenhang mit seiner Lehrtätigkeit begangen worden sei.

Im dritten Fall fordert der Kläger 180.000 Euro. Er sei als Kind über Jahre in rund 200 Fällen von einem Kaplan missbraucht worden. Nach Einschätzung des Gerichts wird in vergleichbaren Fällen 200.000 Euro Schmerzensgeld gezahlt. Auch hier schlug es eine halbierte Summe vor – zum einen wegen der offenen Verjährungsfrage und zum anderen wegen der vom Bistum geäußerten Zweifel an der Zahl der Fälle. Allerdings soll diesmal nicht die von der Kirche bezahlte Summe abgezogen werden. Denn die 10.000 Euro seien unangemessen niedrig, so Meiendresch.

Vergleich statt langes Verfahren

Das Gericht wies im ersten Fall darauf hin, dass die Klärung der Verjährungsfrage lange Zeit in Anspruch nehmen könne. Es stelle sich die Frage, ob eine Institution wie die Kirche mit hohen Moralansprüchen Verjährung überhaupt beanspruchen könne. Aufgrund der zu erwartenden Verfahrensdauer sei ein Vergleich für beide Seiten vorteilhaft.

Das Bistum Aachen hatte in den Fällen Verjährung geltend gemacht, aber nicht, um auf diese Weise die Verfahren zu beenden. Vielmehr hat das Bistum ein gerichtliches Mediationsverfahren angestrebt, dem das Gericht aber zustimmen muss. Meiendresch machte deutlich, dass er dies nicht für zielführend halte. Kläger und Bistum haben nun Zeit, sich bis zum 11. Juni zu den Vorschlägen des Gerichts zu äußern. Ein eventueller nächster Verhandlungstermin wurde für den 2. Juli angesetzt. (KNA)

14.5., 14:20 Uhr: Ergänzt um weitere Fälle.