Konflikt vereint mehrere aktuelle Probleme in Kirche

Schismatische Klarissen: Ein großer Skandal um ein kleines Kloster

Veröffentlicht am 17.05.2024 um 18:18 Uhr – Von Roland Müller – Lesedauer: 

Belorado ‐ Seit einer Woche machen die schismatischen Klarissen aus Spanien international Schlagzeilen. Doch wie konnte es überhaupt zum Bruch der Ordensschwestern mit dem Papst kommen? Und warum bewegt der Konflikt so viele Menschen? Der Versuch einer Erklärung.

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Das Kloster Santa Clara in der Kleinstadt Belorado in Zentralspanien ist eigentlich nur ein kleiner Konvent am Rande des Jakobswegs. Normalerweise leben dort 16 Klarissen abgeschieden in der Klausur und erwirtschaften ihren Lebensunterhalt durch die Herstellung von Gebäck und Schokoladentrüffeln. Doch seit Anfang der Woche ist das beschauliche Leben der Ordensfrauen in der Erzdiözese Burgos erst einmal vorbei. Sie machen international Schlagzeilen und werden von Journalisten belagert, denn die Klarissen haben sich zu einem radikalen Schritt entschieden: Sie haben die Gemeinschaft der katholischen Kirche verlassen und sich "dem Schutz und der Jurisdiktion" eines schismatischen Bischofs unterstellt. Pablo de Rojas Sánchez-Franco ist Sedisvakantist, was bedeutet, dass er alle Päpste nach Pius XII. (1939-58) für nicht rechtmäßige Oberhäupter der Kirche hält. Nach Ansicht von Rojas ist der Heilige Stuhl in Rom eigentlich unbesetzt ("sede vacante") und Papst Franziskus ein Häretiker und Usurpator.

Auch die Klarissen von Belorado teilen diese Ansicht, wie ihre Äbtissin Schwester Isabel de la Trinidad (Elisabeth von der Dreifaltigkeit) in einem 70-seitigen Manifest dargelegt hat, das sie Anfang der Woche auf der Internetseite des Klosters veröffentlichte. Darin sagt sie sich und ihre Schwestern von der "Konzilskirche" los und bezeichnet Rojas als "legitimen Bischof der heiligen katholischen Kirche" – und das, obwohl dieser 2019 offiziell exkommuniziert wurde. In dem Pamphlet wird Papst Franziskus durchweg als "Herr Bergoglio" bezeichnet, weil die Äbtissin die Ansicht der Sedisvakantisten-Szene vertritt, dass die Weihen, die der Pontifex empfangen hat, ungültig sind.

In einem Fernseh-Interview aus dem Kloster wiederholte die Ordensschwester wenige Tage später ihre Kritik an den Neuerungen des Zweiten Vatikanischen Konzils (1962-65) und beteuerte, dass sie sich derzeit in der Kirche nicht mehr wiederfinde. "Die katholische Kirche ist fast nicht wiederzuerkennen, das Zentrum ist nun nicht mehr Gott, sondern der Mensch." Die Gläubigen müssten aufwachen und diese Irrlehre erkennen, so die Äbtissin. "Die Pfarreien erinnern eher an die anglikanische als an die katholische Kirche." Ihre Rettung sehen die Schwestern im schismatischen Bischof Rojas. "Als Katholikinnen brauchen wir einen Bischof", glaubt Schwester Isabel.

Eine Klarisse
Bild: ©KNA-Bild

Das Kloster Santa Clara in der Kleinstadt Belorado in Zentralspanien ist eigentlich nur ein kleiner Konvent am Rande des Jakobswegs. Normalerweise leben dort 16 Klarissen abgeschieden in der Klausur und erwirtschaften ihren Lebensunterhalt durch die Herstellung von Gebäck und Schokoladentrüffeln. Doch seit Anfang der Woche machen sie international Schlagzeilen.

Seit etwa einem Jahr stehen die Klarissen mit dem sedisvakantistischen Oberhirten in Kontakt. Die Schwestern sollen von sich aus auf Rojas zugekommen sein, betonen beide Seiten. Wie genau und seit wann es zur Radikalisierung des Konvents gekommen ist, bleibt weiterhin unbekannt. Als sicher kann jedoch gelten, dass hierbei nicht nur eine Affinität der Schwestern für die sogenannte Tridentinische Messe und die Lehre der Sedisvakantisten eine Rolle spielt. In der Berichterstattung über das Schisma der Klarissen wird immer wieder auf Immobilienstreitigkeiten mit mehreren spanischen Bistümern verwiesen, die zu einer großen Unzufriedenheit der Klarissen mit der Amtskirche geführt haben.

Der Konvent unterzeichnete 2020 einen Kaufvertrag für das leerstehende Kloster in Orduña in Höhe von 1,2 Millionen Euro. Das Gebäude liegt in der Diözese Vitoria und wurde ihnen von den dortigen Klarissen verkauft. Mit den Ordensfrauen, denen das Kloster gehört, und dem Bistum wurden regelmäßige Ratenzahlungen durch die Klarissen vereinbart. Der Konvent leistete die Zahlungen anscheinend jedoch nicht regelmäßig, weshalb er auf Schadenersatz verklagt wurde. In ihrem Manifest spricht die Oberin der Klarissen jedoch von einem ungerechten Verhalten ihrem Kloster gegenüber. In der Kirche würden "Widersprüche, Doppelzüngigkeit und Verwirrung" vorherrschen. Gleichzeitig ist immer wieder die Rede von einem nicht näher genannten Wohltäter, der den Klarissen das Kloster kaufen und zur Verfügung stellen will.

Schwestern aus Belorado seien nach Schisma "keine Klarissen" mehr

Außerdem sind die Ordensschwestern aus Belorado auf die Veräußerung eines weiteren leerstehenden Klosters in Derio angewiesen, da sie das Geld aus dem Verkauf des Gebäudes benötigen. Doch der Vatikan scheint dagegen Einspruch eingelegt zu haben. Zu der äußerst verworrenen und unklaren Lage um diese Immobiliengeschäfte kommt noch hinzu, dass die Klarissen aus San Antonio im Bistum Vitoria nun angekündigt haben, ihre Mitschwestern aus Belorado zu verklagen. Sie möchten das Kloster in Orduña nicht einer "Sekte" überlassen und wollen es zurück in katholischen Besitz bringen. "Das ist keine Frage des Geldes", sagte ein Vertreter der Diözese Vitoria, die die Ordensfrauen bei der Klage unterstützt. Der Grund sei eindeutig das Schisma der Schwestern von Belorado, denn diese seien nun "keine Klarissen" mehr.

Eine etwas versöhnlichere, aber nicht minder entsetzte Reaktion auf den Schritt der Klarissen kommt aus der franziskanischen Familie. Die Oberin der Föderation der Klarissen-Konvente in Nordspanien und der zuständige Provinzial der Franziskaner-Brüder zeigten sich "überrascht und schockiert" über das Schisma. Aber: "Wir werden immer bereit sein, sie wieder in unsere Familie aufzunehmen, zu der auch sie gehören und von der sie sich nie hätten entfernen sollen." Auch der Erzbischof von Burgos, Mario Iceta, hofft auf ein Einlenken – wenigstens einiger Schwestern. Ebenso wie die Kommission für das geweihte Leben der Bischofskonferenz Spaniens fordert er die einzelnen Klarissen zum Gespräch auf, um ihre Positionen zum Manifest der Äbtissin zu klären. Nur auf diese Weise könne festgestellt werden, ob sich wirklich alle Mitglieder des Konvents im Bruch mit der Kirche befänden.

Papst Franziskus hält eine Rede
Bild: ©picture alliance / ZUMAPRESS.com | Ettore Ferrari

In dem Pamphlet der Äbtissin wird Papst Franziskus durchweg als "Herr Bergoglio" bezeichnet, weil sie die Ansicht der Sedisvakantisten-Szene vertritt, dass die Weihen, die der Pontifex empfangen hat, ungültig sind.

Kurze Zeit nach der Erklärung des Bruchs mit dem Papst hatte bereits eine der ursprünglich 16 Klarissen das Kloster verlassen und war zu einem anderen Klarissenkonvent aufgebrochen – wahrscheinlich, weil sie nicht mit der schismatischen Linie in Santa Clara einverstanden ist. In letzter Konsequenz bedeute ein Festhalten an der sedisvakantistischen Lehre aber eindeutig die Exkommunikation, so Iceta. Der Oberhirte machte zudem klar, dass der Fall des Konvents in Belorado selbst im Vatikan hohe Wellen geschlagen hat: Das zuständige Dikasterium wird von den spanischen Bischöfen über den Fall der schismatischen Schwestern auf dem Laufenden gehalten.

Auch wenn es sich bei Santa Clara in Belorado nur um einen unbedeutenden Konvent mit wenigen kontemplativen Ordensschwestern in der spanischen Provinz handelt, besitzt der Fall des schismatischen Klosters doch eine Relevanz. Er vereint an einem Ort mehrere Konflikte, die der Kirche aktuell zu schaffen machen.. Zum einen wird die radikale Opposition gegenüber Papst Franziskus an den Klarissen sichtbar. In den vergangenen Jahren ist die Kritik am Pontifex schärfer und ihre Protagonisten lauter geworden. Sedisvakantisten und extreme Traditionalisten befinden auf der Skala der Franziskus-Kritiker am alleräußersten Rand und damit nicht mehr in der Gemeinschaft der Kirche. Doch die Übergänge zur Kritik am Papst aus dem Inneren der Kirche sind fließender geworden, wie sich etwa am Beispiel des früheren Vatikan-Diplomaten Carlo Maria Viganò zeigt, der sich in wenigen Jahren zum Schismatiker radikalisierte.

Konvent wird weiter für Schlagzeilen sorgen

Zum anderen zeigt der Fall des Schismas von Belorado das Konfliktpotential zwischen Frauenklöstern und Bischöfen, das in der Kirche seit Jahrhunderten besteht. Die Klarissen fühlten sich von mehreren Bistümern und ihren Oberhirten hintergangen – ob zu Recht oder Unrecht sei dahingestellt. Sie wollten dieser konfliktreichen Situation entkommen und suchten dazu ausgerechnet Schutz bei einem schismatischen Bischof. Aber immer wieder kommt es – gerade in Spanien, aber nicht nur dort – zu Auseinandersetzungen zwischen Diözesen und Ordensgemeinschaften. Auf Mallorca machte jüngst ein entsprechender Fall um Besitzansprüche an einem Kloster Schlagzeilen, der sich nun schon zehn Jahre hinzieht. In der Regel geht es bei Konflikten dieser Art um finanzielle oder Immobilien-Streitigkeiten, manchmal aber auch um Fragen der klösterlichen Disziplin. Immer stehen sich jedoch selbstbewusste Ordensfrauen (oder -männer) und mächtige Diözesen gegenüber.

Wie es mit den Klarissen in Belorado weitergeht, ist fraglich. Auch wenn einige der knapp mehr als ein Dutzend verbliebenen Schwestern in einen katholischen Konvent wechseln würden, wird die Äbtissin mit einem harten Kern der Schwestern wohl weiterhin dem sedisvakantistischen Bischof Rojas treu ergeben bleiben. Zu heftig ist die im Manifest geäußerte Kritik an der katholischen Kirche und Papst Franziskus. In letzter Konsequenz bedeutet das in naher Zukunft die Exkommunikation. Darauf werden Prozesse um den Besitz der Klöster folgen. Rojas hat zudem kein Interesse, den Konvent aus seinem "Schutz" zu entlassen. Mit dem Kloster erweitert der selbsternannte Fürstbischof und Franco-Verehrer seine schismatische Diözese um ein geistliches Zentrum neben der von ihm gegründeten Priesterbruderschaft.  Die Klarissen von Belorado werden also vermutlich auch in Zukunft weiter für Schlagzeilen sorgen.

Von Roland Müller