Debatte um Patron Thomas Morus: Akademieleiterin begrüßt KjG-Beschluss
Die Direktorin der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg, Andrea Hoffmeier, hat es grundsätzlich begrüßt, dass die Katholische junge Gemeinde (KjG) sich kritisch mit ihrem Verbandspatron, dem heiligen Thomas Morus (1478-1535), auseinandersetzen will. "Ich finde es immer gut, wenn Dinge nicht als gegeben hingenommen werden, sondern kritisch reflektiert werden", erklärte Hoffmeier am Dienstag auf Anfrage von katholisch.de. Gerade die vergangenen Jahre hätten gezeigt, "dass viele hochgeachtete Menschen häufig auch eine andere Seite hatten". Ihre Lebenserfahrung lehre sie, dass niemand nur gut oder nur schlecht sei. "Sondern es gibt viele Grauschattierungen und wir müssen lernen, mit den Brüchen in Menschen umzugehen", sagte Hoffmeier weiter. Das heiße für sie aber nicht, als falsch eingeordnetes Verhalten zu verschweigen oder klein zu reden.
In diesem Sinne trage Morus etwa auch Mitverantwortung für die Verfolgung von Protestanten. "Aber für mich stellt sich schon die Frage: Ist deshalb direkt alles schlecht, was die Person gemacht hat oder können Teile ihrer Lebensleistung nach wie vor Würdigung erfahren?", so die Akademiedirektorin. Wichtig finde sie zudem, den Heiligen – wie es die KjG wohl auch plane – in seinem historischen Kontext zu reflektieren und zu beurteilen. "Heute sehen wir vieles anders als frühere Generationen, aber auch wir sind nur Kinder unserer Zeit und der westlichen Gesellschaft." Vieles, was heute als richtig erscheine, könne in 100 Jahren komplett anders gewertet werden.
KjG plant Prozess kritischer Auseinandersetzung mit Morus
Die KjG hatte am Wochenende bei ihrer diesjährigen Bundeskonferenz in Altenberg entschieden, einen Prozess zur kritischen Auseinandersetzung mit ihrem Verbandspatron zu beginnen. "Die KjG macht sich auf den Weg, um Thomas Morus in seinem historischen Kontext zu reflektieren und zu beurteilen, inwieweit er als Patron der KjG weiterhin passend ist. Daneben soll auch die Rolle eines*einer Schutzpatron*in für die KjG grundlegend evaluiert werden", erklärte der Jugendverband am Sonntag zum Abschluss der Konferenz. Die Bundeskonferenz ist mit rund 90 Delegierten das höchste beschlussfassende Gremium der KjG und tagt einmal im Jahr.
Auf Nachfrage hatte eine Sprecherin des Verbands mitgeteilt, dass die Bundeskonferenz sich mehrheitlich für einen entsprechenden Antrag des KjG-Diözesanverbands Münster ausgesprochen habe. Dieser hatte sich bereits Ende Februar von Morus als Verbandspatron distanziert. Als besonders kritisch beurteilte der Diözesanverband damals die Verfolgung von Protestanten während Morus' Amtszeit als englischer Lordkanzler. Außerdem stehe er für veraltete Werte, die heute von dem Jugendverband so nicht mehr vertreten werden könnten. Die Diözesankonferenz beschloss deshalb, Morus künftig nicht mehr als Verbandspatron hervorzuheben und den bislang nach ihm benannten Preis umzubenennen.
Hoffmeier sagte, dass es in ihrer Akademie derzeit keine ähnlichen Diskussionen um Morus gebe. Den Heiligen selbst bezeichnete sie als solidarisch mit seiner Kirche, die er trotzdem durchaus auch kritisiert habe. "Er wollte sie aus einem humanistischen Geist heraus erneuern. Ebenso übte er als geachteter Staatsmann heftige Kritik an den sozialen und politischen Verhältnissen im damaligen britischen Königreich", sagte die Akademiedirektorin. Mit seinem bekanntesten Werk "Utopia" habe er zudem die Möglichkeit einer idealen Gesellschaft hinterfragt. "Dies passt durchaus zu uns als katholische Akademie, die wir uns die Reflexion gesellschaftlicher, politischer, kultureller und theologischer Entwicklungen zur Aufgabe machen und uns als Bildungs- und Wissenschaftsstandort für alle Menschen verstehen, die Fragen stellen, neue Perspektiven suchen und sich Kultur erschließen wollen."
Direktorin interessiert an Ergebnissen von KjG-Prüfprozess
Die Akademiedirektorin erklärte zudem, dass sie sich für die Ergebnisse des Prüfprozesses der KjG interessiere. "Vielleicht finden sich neue Aspekte von Thomas Morus, die wir bisher noch nicht ausreichend im Blick hatten." Eine Sprecherin der KjG hatte am Wochenende erklärt, dass man davon ausgehe, dass der Prüfprozess rund zwei Jahre dauern werde.
Bislang hebt die KjG vor allem Morus' Eintreten für Gewissensfreiheit hervor. Deutlich wird dies unter anderem in einem Zitat, das man dem Heiligen zuschreibt: "Nie hätte ich daran gedacht, einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen wäre!" Morus wurde 1535 enthauptet, weil er sich weigerte, den Eid auf die königliche Hoheit über die Kirche zu schwören und damit den Bruch von König Heinrich VIII. mit dem Papst mitzutragen. Die KjG würdigt Morus zudem als Vorbild, das für kritisches Mitdenken, verantwortliches Handeln, Hören auf das Gewissen, Vertrauen auf Visionen und Humor steht. Hervorgehoben wird außerdem, dass er seinen Töchtern die gleiche Bildung wie seinem Sohn zukommen ließ. (stz)