Gegen den "Tod auf Bestellung"
Die katholische Kirche lobte den Entwurf. Er schlage eine "maßvolle Justierung der bestehenden, im Vergleich zu anderen Ländern liberalen Rechtslage in Deutschland vor", erklärte der Leiter der Katholischen Büros in Berlin, Karl Jüsten. "Die Zunahme der Aktivitäten sogenannter Sterbehilfeorganisationen sowie von Einzelpersonen, die den assistierten Suizid als Dienstleistung anbieten, stellt eine Gefahr für das menschliche Leben in seiner schwächsten Phase und für die Selbstbestimmung des Menschen dar", so Jüsten. Gleichzeitig sei es wichtig, die Begleitung und Unterstützung schwerstkranker und sterbender Menschen auszubauen.
Vorgelegt wurde der Entwurf unter anderem von Michael Brand (CDU), Kerstin Griese (SPD), Elisabeth Scharfenberg (Grüne) und Halina Wawzyniak (Linke). Nach deren Angaben unterstützen ihn aber auch Unionsfraktionschef Volker Kauder und Gesundheitsminister Hermann Gröhe (beide CDU).
"Alte und Kranke könnten sich zum Suizid gedrängt fühlen"
Laut den Abgeordneten nehmen in Deutschland die Fälle zu, in denen Vereine oder Einzelpersonen aggressiv die Beihilfe zum Suizid etwa durch Beschaffung von tödlichen Medikamenten anbieten. Dem "Tod auf Bestellung", dürfe nicht die Tür geöffnet werden, warnte Michael Brand. Er und seine Mitstreiter fürchten, Sterbehilfe könne sonst nach und nach zu einer normalen Dienstleistung werden. Insbesondere alte und schwerstkranke Menschen könnten sich zum Suizid gedrängt fühlen. "Solchen geschäftsmäßigen, also auf Wiederholung angelegten Handlungen ist deshalb zum Schutz der Selbstbestimmung und des Grundrechts auf Leben auch mit den Mitteln des Strafrechts entgegenzuwirken", fordern die Parlamentarier.
Eine ausdrückliche Legalisierung der ärztlichen Suizidbeihilfe lehnen sie dagegen ab. Kerstin Griese sagte, Ziel müsse eine "sorgende Gesellschaft" sein, die sich um Schwerstkranke und Sterbende kümmere, statt ihnen den Suizid als Lösung anzubieten. Ähnlich äußerte sich auch Halina Wawzyniak von den Linken: Der Gesetzentwurf solle die Selbstbestimmung des Einzelnen schützen und einen gesellschaftlichen Druck zum Suizid unterbinden, so die Politikerin. Der CSU-Abgeordnete Michael Frieser erklärte, die Aggressivität von Organisationen und Einzelpersonen, die Beihilfe zum assistierten Suizid anbieten, zwinge den Gesetzgeber zu strafrechtlichen Verboten. Nur auf diese Weise könnten etwa Sterbehilfevereine verboten werden.
Debatte um Pflege und Palliativmedizin
Die Parlamentarier sehen ihren Gesetzentwurf als Beitrag zu einer größeren gesamtgesellschaftlichen Debatte, in der es darum gehen müsse, wie Kranke und Alte angemessen gepflegt und die Hospize und Palliativmedizin ausgebaut werden kann. In Deutschland gebe es jedes Jahr rund 100.000 versuchte Selbstmorde – eine traurige Zahl, die nach Ansicht der Unterzeichner danach ruft, auch die Suizidvorbeugung zu verbessern.
Das jetzt vorgelegte Papier ist einer von mehreren Gruppenentwürfen, über die der Bundestag am 3. Juli in Erster Lesung debattieren will. Noch bis Ende des Jahres will der Gesetzgeber eine Regelung verabschiedet haben. Den bislang strengsten Gesetzentwurf haben die CDU-Abgeordneten Patrick Sensburg und Thomas Dörflinger vorgelegt, der die Beihilfe zur Selbsttötung auch in Einzelfällen verbieten will. "Wer einen anderen dazu anstiftet, sich selbst zu töten, oder ihm dazu Hilfe leistet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren bestraft", heißt es darin. Das Leben und vor allem die Würde seien dem Menschen nicht verfügbar. "Insoweit sind wir in Gottes Hand." Eine Gruppe um Peter Hintze (CDU) und Karl Lauterbach (SPD) will den assistierten Suizid ebenfalls grundsätzlich verbieten, ihn aber unter bestimmten Umständen als ärztliche Regelleistung erlauben.
Am Donnerstag wollen Renate Künast, Kai Gehring (beide Grüne) und Petra Sitte (Linke) ihren Vorschlag vorstellen, über den die Zeitung "Die Welt" schon am Dienstag vorab berichtete. Er ist der liberalste Entwurf. Danach soll die Suizidhilfe grundsätzlich straflos bleiben, sofern sie einer erwachsenen, freiverantwortlich handelnden Person nach eingehender Beratung geleistet wird. Bestehende rechtliche Unsicherheiten für Ärzte sollen beseitigt und für die organisierte Suizidhilfe durch Sterbehilfevereine klare Verfahrensregeln festgelegt werden. Die Kommerzialisierung der Suizidbeihilfe soll allerdings verhindert werden.
Fraktionszwang ist aufgehoben
Die unterschiedlichen Vorschläge zeigen: Beim Thema Sterbehilfe laufen die Konfliktlinien quer durch die politischen Lager. Im Gegensatz zu den meisten anderen Gesetzesvorhaben müssen sich die Abgeordneten in diesem Fall nicht primär nach ihrer Parteizugehörigkeit richten. Wie oft bei ethischen Fragen, ist der Fraktionszwang aufgehoben. (gho/KNA)