Heiligen-Experte zur Debatte um KjG-Patron Thomas Morus

Moll: Kritische Auseinandersetzung mit Heiligen und Seligen sinnvoll

Veröffentlicht am 29.05.2024 um 09:16 Uhr – Lesedauer: 

Berlin/Köln ‐ In der Debatte um den Patron der Katholischen jungen Gemeinde, den heiligen Thomas Morus, spricht sich Experte Helmut Moll für eine kritische Auseinandersetzung mit Heiligen aus. Er nennt dafür jedoch konkrete Bedingungen.

  • Teilen:

Der Priester und Historiker Helmut Moll hält eine kritische Auseinandersetzung mit Heiligen und Seligen der katholischen Kirche für sinnvoll, wenn diese "objektiv erfolgt" und der historische Zusammenhang und die gesamte Person berücksichtigt werden. "Selige und heilige Menschen sind aus ihrer geschichtlichen Zeit zu verstehen und zu bewerten", erklärte der Heiligen-Experte und Beauftragte der Deutschen Bischofskonferenz für das Martyrologium des 20. Jahrhunderts am Mittwoch auf Anfrage von katholisch.de. Es gebe Selige und Heilige, die in ihrer Zeit ein authentisches Vorbild gewesen seien, heute aber anders beurteilt würden.

Moll äußerte sich zur aktuellen Debatte um den heiligen Thomas Morus (1478-1535). Die Katholische junge Gemeinde (KJG) hatte am Wochenende entschieden, einen Prozess zur kritischen Auseinandersetzung mit dem Heiligen zu beginnen, der der Verbandspatron der KjG ist. "Die KjG macht sich auf den Weg, um Thomas Morus in seinem historischen Kontext zu reflektieren und zu beurteilen, inwieweit er als Patron der KjG weiterhin passend ist. Daneben soll auch die Rolle eines*einer Schutzpatron*in für die KjG grundlegend evaluiert werden", erklärte der Jugendverband am Sonntag zum Abschluss seiner diesjährigen Bundeskonferenz.

Verfolgung von Protestanten während Morus' Amtszeit als Kritikpunkt

Auf Nachfrage hatte eine Sprecherin mitgeteilt, dass die Bundeskonferenz sich mehrheitlich für einen entsprechenden Antrag des KjG-Diözesanverbands Münster ausgesprochen habe. Dieser hatte sich bereits Ende Februar von Morus als Verbandspatron distanziert. Als besonders kritisch beurteilte der Diözesanverband damals die Verfolgung von Protestanten während Morus' Amtszeit als englischer Lordkanzler. Außerdem stehe er für veraltete Werte, die heute von dem Jugendverband so nicht mehr vertreten werden könnten. Die Diözesankonferenz beschloss deshalb, Morus künftig nicht mehr als Verbandspatron hervorzuheben und den bislang nach ihm benannten Preis umzubenennen.

Bild: ©KNA-Bild

Der heilige Thomas Morus.

Dass Morus für veraltete Werte stehe, stellte Moll gegenüber katholisch.de in Frage: "Als Thomas Morus im Jahre 1935 heiliggesprochen wurde, war dies ein eindrucksvolles Zeichen für die Freiheit des Gewissens und des Geistes gegen den Totalitarismus der NS-Ideologie." Der Experte betonte zudem, dass Heilige und Selige nicht makellos seien. "Schuld und Vergebung sind zentrale Werte unseres Glaubens." Beispielhaft nannte Moll den heiligen Maximilian Kolbe (1894-1941), der sich eine Zeitlang als Judenfeind gezeigt, später jedoch bedrohte Menschen jüdischen Glaubens aufgenommen und beherbergt habe.

Auch die Direktorin der Thomas-Morus-Akademie in Bensberg, Andrea Hoffmeier, hatte den Beschluss der KjG grundsätzlich begrüßt. "Ich finde es immer gut, wenn Dinge nicht als gegeben hingenommen werden, sondern kritisch reflektiert werden", so Hoffmeier zu katholisch.de. Gerade die vergangenen Jahre hätten gezeigt, "dass viele hochgeachtete Menschen häufig auch eine andere Seite hatten". Ihre Lebenserfahrung lehre sie, dass niemand nur gut oder nur schlecht sei. "Sondern es gibt viele Grauschattierungen und wir müssen lernen, mit den Brüchen in Menschen umzugehen." Das heiße für sie aber nicht, als falsch eingeordnetes Verhalten zu verschweigen oder klein zu reden.

Hoffmeier: Heilige in ihrem historischen Kontext reflektieren

In diesem Sinne trage Morus etwa auch Mitverantwortung für die Verfolgung von Protestanten. "Aber für mich stellt sich schon die Frage: Ist deshalb direkt alles schlecht, was die Person gemacht hat, oder können Teile ihrer Lebensleistung nach wie vor Würdigung erfahren?", so die Akademiedirektorin. Wichtig finde sie zudem, den Heiligen – wie es die KjG wohl auch plane – in seinem historischen Kontext zu reflektieren und zu beurteilen. "Heute sehen wir vieles anders als frühere Generationen, aber auch wir sind nur Kinder unserer Zeit und der westlichen Gesellschaft." Vieles, was heute als richtig erscheine, könne in 100 Jahren komplett anders gewertet werden.

Die KjG hebt bislang vor allem Morus' Eintreten für Gewissensfreiheit hervor. Deutlich wird dies unter anderem in einem Zitat, das man dem Heiligen zuschreibt: "Nie hätte ich daran gedacht, einer Sache zuzustimmen, die gegen mein Gewissen wäre!" Morus wurde 1535 enthauptet, weil er sich weigerte, den Bruch von König Heinrich VIII. mit dem Papst mitzutragen. Die KjG würdigt Morus zudem als Vorbild, das für kritisches Mitdenken, verantwortliches Handeln, Hören auf das Gewissen, Vertrauen auf Visionen und Humor steht. Hervorgehoben wird außerdem, dass er seinen Töchtern die gleiche Bildung wie seinem Sohn zukommen ließ. (stz)