Franziskaner sammelt für Hilfsprojekte: "Es ist schon eine Bettelei"
Bruder Matthias Maier zieht sich rasch seinen abgetragenen Habit an und stellt sich neben die Spendenbox im Eingangsbereich der Missionszentrale "Franziskaner helfen" in Bonn. Für das Foto lächelt der 59-Jährige. "Es ist schon eine Bettelei", sagt er dann. Doch das Sammeln von Geld macht dem gebürtigen Österreicher wenig aus, als Franziskaner gehört er einem Bettelorden an.
Seit acht Jahren ist Bruder Matthias der Geschäftsleiter des weltweit agierenden Hilfswerks der Franziskaner. Erst vor kurzem ist die Einrichtung samt ihren rund 30 Mitarbeitern hierher in die Nähe des Bonner Münsters gezogen. In den Räumlichkeiten des Hilfswerks sieht alles frisch renoviert aus. Nebenan im ehemaligen Küsterhaus der Münsterpfarrei wohnt Bruder Matthias gemeinsam mit drei anderen Brüdern in einem Konvent. Das sei praktisch, denn so hat er es nicht weit ins Büro, freut sich der Ordensmann. Er zeigt die Kapelle, in der er täglich mit seinen Mitbrüdern und den Mitarbeitenden betet. "Wir denken hier auch an die Menschen, die wir mit unseren Spendengeldern unterstützen", betont er. Im Treppenhaus des Hilfswerkes steht ein Schiffsmodell. Es heißt "Papst Franziskus" und ist eines von drei Krankenhausschiffen, die im Amazonasgebiet unterwegs sind, um die Menschen dort medizinisch zu versorgen. Die Schiffe werden von dem franziskanischen Hilfswerk finanziert.
Mit dem Schiff komme man auch in entlegenere Gebiete am Amazonas und erreiche Menschen, die sonst keinen Zugang zu Ärzten oder Krankenhäusern hätten, erklärt der Präsident von Franziskaner-Helfen. Jedes der Krankenhausschiffe verfügt über verschiedene Arztpraxen, Untersuchungs- und Operationsräume, sowie einen Aufwachraum und mehrere Wartezimmer. Entlang einer bestimmten Route, voll besetzt mit Ärzten und Pflegepersonal, fährt es mehrmals im Jahr zur indigenen Bevölkerung auf dem Amazonas. An einem Tag können so einige hunderte Patienten behandelt werden. "Meist kommen ganze Familien zu der Anlegestelle", berichtet der Franziskaner, der erst kürzlich im Amazonas unterwegs war und solch ein Schiff gesehen hat. Die Menschen dort werden per Handy über die Ankunft des Schiffes informiert und sind oft stundenlang dorthin unterwegs. An Bord können sie sich dann von unterschiedlichen Ärzten untersuchen und behandeln lassen, erhalten Medikamente und werden im Notfall auch mit dem Schiff in ein Krankenhaus gebracht. All diese Leistungen sind für die Patienten kostenlos, finanziert von Spendengeldern des Hilfswerks "Franziskaner helfen".
Erst im Frühjahr war Pater Matthias Maier im Amazonasgebiet unterwegs, weil er dort seine Mitbrüder, die Franziskaner der Providencia de Deos, in Brasilien besucht hat. Sie sind es auch, die diese drei Krankenhausschiffe organisieren und verwalten. Für viele Menschen am Amazonas bedeutet das Krankenhausschiff neues Leben, meint der Franziskaner und berichtet von einer älteren Patientin, die auf dem Schiff am Auge operiert wurde. Von Kindheit an war sie blind. Als diese indigene Frau nach dem chirurgischen Eingriff das erste Mal ihre Tochter und ihre Enkel sehen konnte, weinte sie vor Freude. Alle Beteiligten am Schiff waren sehr ergriffen davon. Für diese Frau war das wie ein Wunder.
Neben den Krankenhausschiffen betreiben die knapp 70 Franziskanerbrüder der Providencia de Deos in Brasilien noch einige Krankenhäuser und eine Station für Drogenabhängige. Die Brüder arbeiten zum Teil selbst in den von ihnen verwalteten Einrichtungen. Manche von ihnen, wie etwa der Leiter der Drogenstation, waren früher selbst einmal drogenabhängig. Auch dieses Projekt unterstützt die Franziskanermission mit Spenden. Doch es gibt noch mehr Projekte in den Missionsstationen der Franziskanerinnern und Franziskaner weltweit, die dringend Hilfe benötigen. Vor allem, wenn es zu Naturkatastrophen, Überflutungen, Erdbeben und Hungersnöten kommt, versucht die Hilfsorganisation mit Geldleistungen vor Ort die Not der Menschen zu lindern. Aktuell in Syrien, im Vietnam und in Afrika. Meist geht es dabei um Ausbildung, Baumaßnahmen, Gesundheit, Frauen und Kinder sowie Ökologie und Menschenrechte. Rund 800 Projekte in mehr als 80 Ländern werden von den Franziskanern unterstützt. Alles auf Spendenbasis. "Wir verfügen über keine kirchlichen oder staatlichen Mittel", erklärt Bruder Matthias. Rund 22 Millionen Euro kamen allein im letzten Jahr durch private Spenden zusammen. Wo so viel Geld fließt, müsse auch Transparenz herrschen, worin wir es investieren, erklärt der Präsident des franziskanischen Hilfswerks. Die meisten der geförderten Projekte gehen gut, doch manche scheitern auch.
Daher werde über Rechnungen geprüft, ob das Geld in den jeweiligen Projekten tatsächlich ankomme. Neben der sorgfältigen Prüfung vertraut Bruder Matthias den Missionaren und Missionarinnen, dass sie das Geld vor Ort gut investieren. Mehrmals im Jahr ist er und andere Mitarbeitende, die für die Projekte verantwortlich sind, unterwegs, um sich selbst ein Bild über deren Einsatz zu machen. Es erschüttere ihn sehr, wenn er sehe, in welcher Not und Armut Menschen leben müssten. Gleichzeitig erfahre er gerade dort sehr viel Gastfreundlichkeit. So hat er auf seiner Reise durch das Amazonas-Gebiet gemeinsam mit Mitbrüdern eine Mülldeponie in Brasilien besucht. Mitten im stinkenden Müll lebten Menschen, ganze Familien, berichtet Bruder Matthias. Doch selbst dort wurden er und seine Mitbrüder freudig empfangen, bekocht und bewirtet. Diese Gastfreundlichkeit der Menschen in ihrem Elend habe ihn sprachlos gemacht. Sie kämpfen jeden Tag ums Überleben, doch keiner von ihnen hat uns um Almosen angebettelt, erinnert sich der Franziskaner. Solche Erfahrungen bestärken ihn darin, weiterhin um Spenden für Menschen in Not zu sammeln.
Meist lerne er auf solchen Reisen nicht nur viel über einzelne Hilfsprojekte der franziskanischen Missionsstationen, sondern nehme auch einiges von der pastoralen Situation dort mit. Kirche sei in manchen Pfarreien viel großzügiger und flexibler als etwa in Deutschland, so der Geschäftsleiter von "Franziskaner helfen". In manchen Pfarreien am Amazonas hat er Frauen als Gemeindeleiterinnen erlebt, die mit den Gläubigen zusammen Gottesdienste gefeiert haben. "Das war das Leben pur", erinnert sich der 59-Jährige. Diese Katecheten und Katechetinnen werden von den zuständigen Diözesen dort für ihre Aufgaben in den Gemeinden ausgebildet. Sie verkündigen, leiten liturgische Feiern, beerdigen, taufen Kinder, assistieren bei Hochzeiten, organisieren die Belange der Caritas und sind Seelsorger und Seelsorgerinnen für die Menschen. Auch weil die Priester vor Ort fehlen. Meist kommt ein Geistlicher oder der Bischof der Diözese einmal im Jahr zu Besuch in die Pfarreien. Dann ist das wie ein großes Fest für die Gläubigen. Zusammen wird Eucharistie gefeiert und der Priester spendet die Sakramente. Das übrige Gemeindeleben über das Jahr hindurch organisieren die Katechtinnen und Katecheten eigenständig. Das Leben in den kleinen Kirchengemeinden funktioniere am Amazonas gut, weil den Laien mehr Verantwortung übertragen werde, meint Bruder Matthias. Von einer strengen Hierarchie in der Kirchenleitung sei dort wenig zu spüren.
Anders als in deutschen Diözesen werden kleinere Gemeinden dort nicht aufgelöst oder in Großpfarreien organisiert, sondern die vielfältigen Aufgaben an Laien verteilt, berichtet der Franziskaner weiter. "Wir sollten auf diese Lösungen in der Weltkirche schauen und überlegen, was dabei für uns relevant sein könnte", meint Bruder Matthias. So könne es durchaus je nach pastoraler Situation vor Ort unterschiedliche Modelle für das Gemeindeleben geben. Er ist überzeugt, dass das Reich Gottes nicht nur im Feiern der heiligen Messe erfahrbar ist, sondern auch dann, wenn berufene Laien das Wort Gottes verkünden und mit den Menschen zusammen den Glauben feiern und beten. Natürlich würde dieses Gemeindemodell nicht alle Probleme wie etwa den Priestermangel in der Kirche heute lösen, aber es ist eine Antwort darauf. Denn das Gemeindeleben geht dadurch weiter. Bruder Matthias träumt davon, dass jede Gemeinde in Deutschland eine Partnerpfarrei woanders auf der Welt hätte. Dann könnte man sich auf digitalem Wege austauschen, vielleicht miteinander Gottesdienst feiern, füreinander beten und sich gegenseitig mit Hilfsprojekten unterstützen. Das wäre gelebte Weltkirche, überlegt Bruder Matthias. Bis dahin will er weiterhin Spenden sammeln. Für ihn ist das das Teilen mit den Armen auch eine Art des Gebetes.