Es braucht endlich eine kirchliche Zeitenwende
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Bundespräsident Steinmeier brachte es zu Beginn des Katholik:innentags in Erfurt auf den Punkt, als er angesichts des so großen Zustimmungs- und Vertrauensverlustes der Kirchen von einer epochalen Veränderung sprach. Gleichzeitig benannte er, was zuletzt die Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung hervorbrachte: "eine wachsende Entfremdung, ja eine eigenartige Gleichgültigkeit gegenüber dem Religiösen und gegenüber dem, was über unser Leben hinausweist" in weiten Teilen unserer Gesellschaft.
Steinmeier sprach dies aus in einer Region, in der die Katholik:innen in der Minderheit sind. Sie erleben schon lange, was in kürzester Zeit beide Konfessionen in Deutschland überall mit voller Wucht treffen wird: Die Entkirchlichung unserer Gesellschaft schreitet rapide voran. Religion spielt im Leben vieler keine Rolle mehr. Es reicht vielen Menschen, dass ihr Leben "im Kleinen" Sinn macht. Am Beginn einer längst fälligen kirchlichen Zeitenwende muss das ehrliche und demütige Eingeständnis stehen: Für die meisten Menschen in Deutschland geht es auch ohne Religion und Gott. Ihnen fehlt nichts – schon gar nicht die Kirchen! Das hat Folgen: vom Aufgeben von Kirchen bis hin zum Ende kirchlicher Privilegien.
Wenn Kirche in Zukunft noch eine Relevanz haben soll, dann nur, indem sie das einlöst, was kirchlichem Handeln zugrunde liegt: Zuerst nach dem zu fragen, was die Menschen bewegt, ohne ihre Fragen zu verzwecken oder vorschnell zu beantworten. Die Frage nach Frieden steht dabei mit an erster Stelle und gehört wohl zu den zentralen Fragen des Lebens und Überlebens in unserer Gesellschaft. Folglich ist das Motto dieses Katholikentags wie auch der Ort Erfurt in Thüringen gerade jetzt vor der Europawahl und dem Erstarken der Rechten ein wichtiges Zeichen in die Gesellschaft: Wir stehen für ein friedliches Miteinander, so schwer es zu erringen ist.
Der Katholikentag kann so zweierlei sein: ein gemeinsames großes Treffen der Christ:innen – darum sollte es (auch aus finanziellen Gründen) in Zukunft keine getrennte Kirchen- oder Katholikentage mehr geben –, in denen kirchliche Realitäten schonungslos wahrgenommen und die Ohnmacht dieser Situation als Ort der Gotteserfahrung ausgehalten werden kann. Aber in erster Linie sollte er zeigen: dafür stehen Christ:innen – nicht nur mit Worten, sondern auch mit konkreten Taten. Denn daran wird man sie in Zukunft messen.
Die Autorin
Claudia Pfrang ist promovierte Pastoraltheologin und Direktorin der Domberg-Akademie der Erzdiözese München und Freising.
Hinweis
Der Standpunkt spiegelt ausschließlich die Meinung der Autorin bzw. des Autors wider.